Von einer Chance spricht auch Sozialpsychologin Elisabeth Kals von der Katholischen Universität Eichstätt-Ingolstadt: "Wichtig ist, das positiv zu nutzen." Kinder freue es, wenn Eltern zu Hause seien. Die müssten aber mit guten Beispiel vorangehen und nicht die ganze Zeit daddeln. Die Familie könne sich überlegen, ob sie Nachbarn helfen kann. "Kinder können jetzt lernen, wie man mit Herausforderungen umgeht." Der Zusammenhalt zwischen den Generationen könnte intensiver werden. Kals spricht von einem "Lackmustest für die Gesellschaft".
Paare
... könnten angesichts der Lage ebenfalls über sich hinauswachsen, ist Milek überzeugt: "Kleine Streits fallen hinten runter." Also doch kein Lagerkoller? Milek vermutet, dass die Scheidungsrate in den Keller geht. "In einer ökonomischen Krise, in Unsicherheit hält man zusammen." Wer das Tal nicht überwinde, verschiebe die Scheidung auf später. Anders sieht es Julia Scharnhorst, Vizepräsidentin des Berufsverbands Deutscher Psychologinnen und Psychologen: "In solchen Zeiten besteht definitiv eine höhere Trennungsgefahr." Das kenne man von Weihnachten. Wenn man so viel Zeit miteinander verbringt, falle zum Beispiel schneller auf, wenn die Werte nicht zueinander passen.
Professorin Kals meint: "Wer wenige Wochen nicht gemeinsam gemeistert kriegt, sollte sich hinterfragen, was man dann zusammen schaffen will." Da sei die Überlegung hilfreich, was in den ersten Wochen der Verliebtheit anders war. Und auch Busch meint: "Ich glaube, dass die Ursache dafür, dass sich Menschen jetzt scheiden, nicht die letzten zwei Wochen waren. Dann war schon was anderes kaputt."
In eine völlig andere Richtung gehen Spekulationen über einen Babyboom in einigen Monaten, wie es ihn etwa infolge des Schneechaos gegeben haben soll, das Ende 2005 das Münsterland tagelang lahmlegte. So hamstern Franzosen angeblich derzeit statt Nudeln lieber Kondome.
Wer aktuell durch Grenzschließungen getrennt ist, kann zumindest technische Möglichkeiten nutzen. "Die Digitalisierung kommt uns sehr zu Gute, um nicht völlig abgeschnitten zu sein", so Milek. Telefonieren und skypen helfe den derzeit voneinander getrennten Menschen, "eine echt interessierte Rückkopplung, Trost und Zuspruch zu erfahren, daheim Erlebtes teilen zu können", sagt Lingnau Carduck.
Singles
... schützten digitale Medien ebenfalls vor Einsamkeit, sagt sie. Und wenn man vielleicht eh schon psychisch labil ist? Sozialpädagoge Zehentner rechnet sogar mit einer sinkenden Zahl an Suiziden. "Die Corona-Krise lenkt die Leute ab." Die Betroffenen würden oftmals aus ihren Gedanken auf den Suizid hin rausgeholt. "Es kann sogar sein, dass es Suizidalen und Depressiven aktuell bessergehen kann", so Zehentner. "Das haben wir auch während der Fußball-Weltmeisterschaft in Deutschland erlebt." Nichtsdestotrotz könne die Situation zum Beispiel bei Menschen mit Ängsten zu massiven Problemen führen.
Ähnlich rät Kals ganz allgemein: "Nicht im eigenen Saft schmoren, sondern erkennen, welche großen Themen wir haben, das ist eine Entwicklungschance." Und Busch sagt: "Es kommt drauf an, wie wir es gestalten - auch wenn wir dafür mal ein paar Wochen die Haustür verschließen müssen, kann das Leben auf diese Weise weitergehen."