Lage «dramatisch» Studie: 2025 fehlen mehr als 26.000 Grundschullehrer

Eine Grundschülerin schreibt das ABC an die Tafel. Foto: Daniel Reinhardt Foto: dpa

Die Grundschulen werden wegen mehr Geburten und Zuwanderung in den kommenden Jahren voller. Allerdings fehlen die Lehrer. Und der Bertelsmann-Stiftung zufolge fehlen deutlich mehr als bislang prognostiziert. Die Kultusminister der Länder sagen: Nichts Neues.

 
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Gütersloh - Die Zahl der nicht besetzten Lehrerstellen an den Grundschulen in den kommenden Jahren wird nach einer Prognose der Bertelsmann-Stiftung noch höher sein als bislang berechnet.

Bis zum Jahr 2025 werden demnach mindestens 26.300 Lehrer für diese Schulform fehlen. Damit sei die Lage noch dramatischer, als von der Kultusministerkonferenz (KMK) erwartet, teilte die Stiftung in Gütersloh mit. Die KMK hatte im vergangenen Oktober einen Mangel von 15.300 Grundschullehrern im Jahr 2025 errechnet.

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe, die Anstrengungen müssten verstärkt werden, mehr junge Leute für den Lehrerberuf zu gewinnen. "Sicherlich müssen wir überlegen, wie wir unsere Prognoseinstrumente weiterentwickeln, um rechtzeitig gegensteuern zu können." Es brauche auch mehr Ausbildungskapazitäten an den Hochschulen. "Wir benötigen aber auch eine moderne Lehrerbildung in all ihren Phasen und eine Steigerung des gesellschaftlichen Ansehens dieses wichtigen Berufes."

Die Studie der Stiftung bezieht sich auf die Bevölkerungsprognose des Statistischen Bundesamts aus dem vergangenen Juni. Sie geht für das Jahr 2025 von 3,254 Millionen bis 3,323 Millionen Kindern zwischen 6 und 10 Jahren aus. Die Experten der Studie orientierten sich nach eigenen Angaben an der fast niedrigsten Variante - und kamen dabei bereits auf ein Plus von 168.000 Kindern zur Zahlenbasis der Kultusministerkonferenz. Die Folge: Für 2025 müssten noch mal 11.000 Lehrer mehr eingestellt werden, als von der KMK ermittelt. So komme man auf die Zahl von 26.300 fehlenden Grundschullehrern.

"Dass der Bedarf an Grundschullehrern größer ist als zunächst angenommen, zeigen auch unsere aktuellen Zahlen, dies ist also nichts Neues. Die Bertelsmann-Zahlen sind nun ein Jahr frischer als die KMK-Zahlen, aber die Statistik-Kommission der KMK wird nächste Woche aktuelle Zahlen in ähnlicher Größenordnung beraten", sagte der KMK-Präsident und hessische Kultusminister, Alexander Lorz, der Deutschen Presse-Agentur. Die Lage in den einzelnen Ländern stelle sich nach wie vor aber sehr unterschiedlich dar. "Es ist nicht so, dass in ganz Deutschland voll ausgebildete Lehrkräfte flächendeckend zu tausenden fehlen. Die Bedarfe unterscheiden sich deutlich zwischen den Schularten und den Fächern", sagte Lorz.

Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) forderte mit Blick auf die Studie erneut, den Numerus clausus für das Lehramt an Grundschulen abzuschaffen sowie die Zahl der Studien- und Lehramtsanwärterplätze auszubauen.

Die Bertelsmann-Stiftung hatte im Januar 2018 bereits eine Studie mit ähnlichen Zahlen veröffentlicht, die allerdings auf einer älteren Bevölkerungsprognose aufbaute. Auch wenn die Größenordnung von damals durch die neue Auswertung weitgehend bestätigt werde, sei man von der "Dynamik doch überrascht worden", sagte Studienautor Dirk Zorn. Die neue Studie sei "ein Weckruf", denn die Kinder, die im Jahr 2025 in der Grundschule lernen werden, seien schon alle auf der Welt. Die Stiftung plädiert daher für schnelle Lösungen. So solle man zum Beispiel Quereinsteiger mit Fachstudium aber ohne Lehramtsabschluss einstellen oder angehende Ruheständler ermuntern, länger zu unterrichten.

Eben dies geschehe bereits in den Ländern, sagte Lorz. Zudem liefen verschiedene Maßnahmen zur Steigerung der Zahl der Lehramtsstudierenden und der Attraktivität des Berufs. Grund für den größeren Bedarf an Grundschullehrern sei neben steigenden Geburtenzahlen vor allem die Zuwanderung nach Deutschland. "Es muss auch berücksichtigt werden, dass die Ausbildung zum Lehrer fünf bis sieben Jahre dauert. Wenn es also heute einen Mangel an Mathematiklehrern gibt, dauert es bis zu sieben Jahren bis zusätzliche neue Lehrer nachkommen", so Lorz.

"Auf der Ebene der Maßnahmen ist in der Tat viel passiert. Hier könnten die Länder sich im Rahmen der KMK allerdings noch besser zu ihren Erfahrungen austauschen", sagte Zorn. Die anderen Länder könnten zum Beispiel von den Erfahrungen Berlins und Sachsens bei der Qualifikation von Quereinsteigern profitieren. Er regte zudem, an Daten für Bildungsplaner regelmäßig zu veröffentlichen. "Wer jetzt Abitur macht und überlegt Lehrer zu werden, will doch wissen, wie die Lage in sechs oder sieben Jahren auf dem Arbeitsmarkt ist." Und bei allen Maßnahmen stoßen die Ländern an ihre Grenzen: So vermeldete etwa Nordrhein-Westfalen zum Schuljahresstart 2019/2020, dass nur 57,8 Prozent der fast 10.000 im Sommer ausgeschriebenen Stellen besetzt werden konnten. Vor einem Jahr lag die Besetzungsquote noch bei 61,6 Prozent.

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