Kimberly Meenan verwandelt weggeworfene Fundstücke und Dreck in Kunst. Für ihre Ausstellung im neuen Domizil von Neuneinhalb verarbeitete sie auch Bauschutt aus Bayreuth.
Nach der Werbung weiterlesen
Seit 2012 wohnt und arbeitet Kimberly Meenan in Berlin. Ein Mitglied des Vereins Neuneinhalb wurde auf die Künstlerin aufmerksam und lud sie nach Bayreuth ein. Die Installationskünstlerin, die bereits neben Deutschland in den Niederlanden, der Schweiz, Bosnien, den USA und Schottland ausstellte, befasst sich in ihren aktuellen Arbeiten mit Müll und Dreck.
Der künstlerische Prozess beginnt damit, dass Kimberly Meenan weggeworfene Gegenstände sammelt. „Dabei werde ich von einem Gefühl der Abgesondertheit inspiriert.“ Sie lässt sich treiben und nimmt verschiedenste Dinge mit. Zum Thema „Dreck“ ließ sie sich von Freunden auf Instagram Sachen zuschicken. Oder Erde, Putz und Schutt aus der Kämmereigasse 9 ½. Vereinsvorsitzender Matthias Mayer zeigt einige Fotos davon: „Fein säuberlich in Plastiktüten verpackt, haben wir das nach Berlin gesandt.“
Die Installationskünstlerin löste das Material auf und verband es mit Polymergips. Seit 20 Jahren experimentiert sie mit dem Verfahren. „Mir kam der gelöste Dreck wie die Asche eines Toten vor. Da ich noch Reste übrig hatte, formte ich daraus kleine Fenster und Türen.“ Wie Asche habe sie diese während der morgendlichen Joggingrunde in der Stadt verteilt. Damit wolle sie die Neugierde der Menschen wecken – und ihre Offenheit für Kunst.
Bei einem Rundgang durch die Ausstellung, die erste von Neuneinhalb am Gerberplatz im ehemaligen Podium, erläutert sie ihre Kompositionen. „Dreck ist nicht nur das Konzept, sondern genauso Material und Form für mich.“ Während der Corona-Pandemie habe sie sich oft alleine und isoliert gefühlt. Zugleich sei ihr aufgefallen, dass die Straßen immer mehr vollgemüllt wurden. „Sonst sind die Deutschen so ordentlich und sauber, aber plötzlich habe ich all diesen Dreck in den Straßen wahrgenommen.“
Vertraute Landschaften werden zu Orten der Isolation. Dieses Gefühl spiegelt sich in einer ihrer drei Serien wider, die in Bayreuth zu sehen sind. Dunkle, zerklüftete Oberflächen. Vertiefungen, in denen etwa ein rotes Miniatur-Sofa versteckt ist. Eine Art Röhre, auf der ein roter Stuhl, ebenfalls in Miniaturform, dem Betrachter den Rücken zudreht. Die Arbeiten deuten die Entfremdung an, die der Mensch in seiner heimischen Umgebung empfindet.
Für eine andere Serie in Weiß verwendet Kimberly Meenan Zahnpasta-Tuben oder eine Zahnbürste mit Haaren. Die in Polymergips abgeformten Objekte wirken verloren. Die Zahnbürste wiederum ist für „ein grauenhaftes Wesen“, wie die Künstlerin sagt, denn sie habe dabei an Caliban aus einem Werk Shakespeares gedacht. „Ich habe ihm meine Zahnbürste geliehen. Denn ich liebe Leute, die eigentlich nicht zu lieben sind.“ Ein skurriler Humor, mit dem sie auf die Absurditäten des Alltags blickt.
Obwohl besonders die dunklen Objekte schwer wirken, sind sie ganz leicht. Aus Abdrücken von Stoff oder Gummimatten entstehen ungewöhnliche Texturen. „Meine Materialien widersprechen sich“, sagt die Künstlerin, die normalerweise Kunst im öffentlichen Raum platziert. „Trash-Kunst“ sei das nicht, da sie die alten Formen auflöse, um neue zu schaffen und die Wahrnehmung zu verändern. Sie arbeitet auch mit Lebensmitteln: Vergoldete und verleimte Zuckerwürfel werden ihrem ursprünglichen Kontext entzogen.
Kimberly Meenan stammt aus Nordirland. Die in Virgina in den Vereinigten Staaten von Amerika 1982 geborene Künstlerin ist viel herumgekommen. Sie lebte bereits in sechs unterschiedlichen Ländern. Im Jahr 2008 kam sie nach Deutschland, um an der Bauhaus Universität Weimar ihren Master of Fine Arts im Studiengang Public Art zu machen. Zuvor studierte sie am Kansas City Art Institute in Missouri. Am Edinburgh College of Art in Schottland belegte sie Kurse in Bildhauerei. An der Bauhaus Universität Weimar war sie als Gastdozentin tätig. Die Britin erhielt ein Fred-Stur-Memorial-Stipendium und ein Stipendium des niederländischen Kunstzentrums Hotel Maria Kapel.
Die ursprüngliche Heimat von Neuneinhalb wird zu einem Kunst- und Kulturhaus umgebaut. Der Umbau soll noch in diesem Jahr beginnen. Anfang des Jahres begann der Umzug ins ehemalige Podium, das als Zwischenlösung während der Sanierungsphase dient. „Im Schichtdienst und jeweils zu zweit“ wurden die Räume, in denen zuletzt das Koco war und die der Gewog gehören, wieder hergerichtet.