Borrell räumte am Samstagabend ein, dass die Vermittler "mit einem ambitiöseren und detaillierten Vorschlag für den Anhang" in die Verhandlungen gegangen seien. "Unglücklicherweise vermochten sich die Seiten nicht auf den detaillierten Vorschlag zu einigen", sagte er. Das Kosovo hätte "Flexibilität in der Substanz" vermissen lassen, Serbien wiederum habe von Anfang an darauf bestanden, nichts unterschreiben zu wollen. Auf nähere Einzelheiten ging er nicht ein. Er und sein Team würden aber weiter daran arbeiten, "bis eine umfassende Übereinkunft erzielt" sei.
Deal ohne Unterschriften
"Ich habe heute nichts unterschrieben", erklärte Vucic in Ohrid. "Wir haben auf jeweils unterschiedliche Weise aufgezeigt, wo für uns die jeweiligen roten Linien sind." Für den serbischen Nationalisten stellt jede Aufweichung der harten Haltung gegenüber Pristina ein politisches Risiko dar. Rechtsradikale in Serbien drohten mit "heißen" Protesten, sollte Vucic in Ohrid "kapitulieren".
Kurti ist wiederum dem Druck der kosovo-albanischen Bevölkerung und Wählerschaft ausgesetzt, die Zugeständnisse an die serbische Volksgruppe ablehnt. Artikel sieben des Abkommens sieht aber vor, dass den Serben im Kosovo "ein angemessenes Ausmaß an selbstständiger Regelung ihrer Angelegenheiten" zusteht. Pristina habe sich nun dazu verpflichtet, die Umsetzung dieses Punktes umgehend einzuleiten, sagte Borrell. Im Kosovo befürchtet man, dass zu starke Vetorechte für einen künftigen serbischen Gemeindeverband den Staat blockieren könnten.
Berlin: "Glückwunsch zu diesem Durchbruch"
Die deutsche Bundesregierung begrüßte die in Ohrid erzielte Einigung. "Glückwunsch zu diesem Durchbruch, mit dem die Beziehungen zwischen Serbien und Kosovo auf eine neue Grundlage gestellt werden", teilte Regierungssprecher Steffen Hebenstreit über Twitter mit. Jetzt gehe es darum, Führungsstärke zu zeigen, um das Vereinbarte einzuhalten und umzusetzen.
Das Verhältnis des jüngsten europäischen Staates zu Serbien ist seit dessen Abspaltung von Serbien infolge einer Nato-Intervention im Frühjahr 1999 ungelöst. Diplomatische Bemühungen des Westens führten in den vergangenen Jahren zu keiner wesentlichen Normalisierung der Lage. Im Vorjahr waren die Spannungen erneut eskaliert: Es gab Straßenblockaden und Zwischenfälle, bei denen geschossen wurde.
Vor dem Hintergrund des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine gewann die Beilegung des Kosovo-Konflikts für den Westen wieder an Bedeutung. Moskau nutzt Schwachstellen in der politischen Ordnung verschiedener Balkanstaaten für Einflussnahme aus. Belgrad ist abhängig von Russland, weil die östliche Großmacht mit ihrem Veto im UN-Sicherheitsrat die Aufnahme des Kosovos in die Weltorganisation verhindert. Serbien trägt als einziges Land der Region die EU-Sanktionen gegen Russland nicht mit.