Komiker Chris Tall Witze über Behinderte – und die lachen

Von Henrik Vorbröker
Beweisen unerschütterlichen Galgenhumor: Werner Burkhardt (54), Heiko Hohner (48) und Günther Mayer (49) können über die Gags von Chris Tall lachen (von links). Foto und Montage: Ralf Münch/Alisa Wolfring Quelle: Unbekannt

BAYREUTH. Komiker Chris Tall nimmt in seinen Shows jeden aufs Korn, auch Menschen mit Behinderung. „Das ist der richtige Weg“, sagt er. Aber wie sehen das eigentlich die Betroffenen selbst? Ein DVD-Nachmittag in der Redaktion schafft Klarheit. Zu Gast: drei Bayreuther Rollstuhlsportler.

 
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Die meisten kennen ihn aus dem Fernsehen: Komiker Chris Tall ist derzeit das Gesicht der jungen deutschsprachigen Comedy-Generation. Mit seinem Programm „Und jetzt ist Papa dran“ kommt er am Samstag, 29. Juni, in die Bayreuther Oberfrankenhalle. Chris Tall macht seine Scherze über alles und jeden – auch über Behinderte. Das Seltsame: Die Shows des Komikers werden von Rollstuhlfahrern regelrecht „überrollt“. Wie kann das sein?

Eine Horrorvorstellung, aber genau so war es

Man stelle sich vor: Schwerer Verkehrsunfall – Operation – und als man aus der Narkose aufwacht, steht ein Arzt vor einem und sagt: „Herr Mayer, Sie werden für den Rest Ihres Lebens im Rollstuhl sitzen.“ Eine Horrorvorstellung, aber genau so war es bei Günther Mayer (49).

Ein schwerer Motorradunfall beförderte den damals 28-Jährigen für immer in den Rollstuhl. „Wenn ich fünf Minuten vor meinem Unfall gefragt worden wäre: kannst du dir ein Leben im Rollstuhl vorstellen? Ich hätte Nein gesagt. Ich wäre wohl lieber gestorben“, sagt Mayer.

Und jetzt kommt ein Komiker daher, der gehen kann, und sagt in seiner Show: „Haben wir heute Rollstuhlfahrer hier? Wenn ja, bitte einmal aufstehen.“ Ist das nicht unerträglich?

Im Leben habe man an genau dieser Stelle eine wichtige Entscheidung zu treffen, sagt Mayer: „Willst du dahinsiechen oder weiterleben? Ich habe mich fürs Weiterleben entschieden.“ Heute ist der Mistelgauer Manager der deutschen Herren-U-22-Nationalmannschaft im Rollstuhlbasketball und bereist die Welt. Über Chris Talls Gags kann er herzlich lachen.

Genauso sieht es Werner Burkhardt: „Wenn du deine Situation akzeptieren kannst, hast du es geschafft. Ich kenne Leute mit Behinderung und einem ausgeprägten Galgenhumor.“ Wem das gelinge, der könne auch über Komiker wie Chris Tall lachen.

Doch Vorsicht: „Mit den Menschen, die sich in ihrer Situation nicht oder noch nicht arrangiert haben, muss man vorsichtig sein. Das ist der Knackpunkt“, sagt Burkhardt. Humor auf (Achtung Gag) „Augenhöhe“ und in einem respektvollen Ton sei aber genau das Richtige.

Werner Burkhardt hatte mit Anfang 20 ebenfalls einen Motorradunfall. „Die Ärzte konnten es zunächst nicht mit Sicherheit sagen. Ich wusste es aber eigentlich insgeheim sehr schnell, dass ich querschnittsgelähmt bin.“

Umso beeindruckender die Karriere, die Burkhardt nach seinem Unfall hingelegt hat. Bei drei Paralympics geht er im Rollstuhl-Tischtennis an den Start: Im Jahr 2000 in Sydney, 2004 in Athen und 2012 in London. Bei zwei Weltmeisterschaften und sieben Europameisterschaften war er ebenfalls dabei.

„Bei allen Europameisterschaften konnte ich jeweils Silber oder Bronze im Team gewinnen“, sagt er. Sein größter Erfolg jedoch war die Vizeweltmeisterschaft im Team 2010 in Korea. „Ich wäre als normaler Sportler niemals so weit gekommen. Mein jetziges Leben möchte ich nicht missen.“ Seit 23 Jahren ist Burkhardt zudem Vorsitzender das Rollstuhl-Sportvereins (RSV) Bayreuth.

Humor ja, aber nicht unter der Gürtellinie

Heiko Hohner stürzte vor sechs Jahren mit einem Gleitschirm ab, sitzt seitdem ebenfalls mit Querschnittslähmung im Rollstuhl. Seit vier Jahren spielt er Tischtennis in der höchsten Rollstuhl-Klasse. Für ihn ist die Sache mit dem Humor und seiner Behinderung klar: „Ich habe damit überhaupt kein Problem. Es ist wie überall im Leben: Alles okay, es darf nur nicht unter die Gürtellinie gehen.“

Das sieht Günther Mayer genauso: „Wir Behinderten schreien immer danach, dass wir einbezogen werden. Ich bin deshalb sogar der Meinung, wer keine Witze über Menschen mit Behinderung macht, der grenzt sie aus.“

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