Kolumne „Familiensache“ Vatertag – muss das so?

Theresa Schäfer

Väter ziehen an Vatertag durch den Wald – mit Bierkasten im Bollerwagen, aber ohne Frauen und Kinder. Zumindest in nicht-pandemischen Zeiten. Ist das so? Und muss das so sein?

 
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So stellt man sich in Deutschland den klassischen Vatertagsausflug vor: Männer, die durch die Lande ziehen. Foto: imago stock&people/Peter Steffen

Stuttgart - Sollte es nur ein Klischee sein, ist es ein äußerst hartnäckiges: An Vatertag geht Vattern – zumindest in normalen, nicht pandemischen Zeiten – mit anderen Vertretern seiner Spezies einen heben. Gibt man das Wort „Vatertag“ in unser Bildarchiv ein, kommen die dazu passenden Fotos: Männer, die durch die frühlingshaft grünen Wälder ziehen, den Bierkasten fürsorglich in einen Bollerwagen gebettet. Manchmal trottet noch ein Hund hinterher. Nur, etwas fehlt auf diesen Bildern: Kinder. Und Mütter.

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Es ist schon irgendwie bemerkenswert: An Muttertag ist es für Mütter landläufig nicht üblich, mit ihren Freundinnen abzudüsen und irgendwann in den späten Abendstunden sanft bedüdelt wieder nach Hause zu wanken. Sicher, in den meisten Familien dürfen sie ausschlafen. „Ausschlafen“ bedeutet in diesem Fall, ab 6 Uhr hellwach im Bett zu liegen, während aus der Küche bedenkliche Geräusche von zerberstendem Porzellan und überkochender Milch zu ihnen herübertönen. Anschließend sollen Mütter selig zwischen betonharten Eiern, Selbstgebasteltem und Blumen sitzen und die Kinder den Tag über am besten gar nicht mehr vom Schoß herunterlassen.

Einfach mal einen Tag Ruhe

Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich lebe für Selbstgebasteltes! Und 35-Minuten-Eier! Und leicht brenzlig schmeckenden Toast! Weil meine Kinder gebastelt, gekocht und gekokelt haben! Aber als Molly Kimmel, die Ehefrau von Talkshow-Host Jimmy Kimmel, kürzlich bekannte, Mütter wünschten sich zu Muttertag vor allem, für einen Tag einfach mal ihre Ruhe zu haben – ich gebe es zu, sie sprach mir aus der Seele.

Während Mütter das aber nur ganz leise und beschämt bekennen dürfen, ist es für Väter seit jeher gesellschaftlich offenbar vollkommen akzeptiert, dass sie an Vatertag einfach die Tür hinter sich zumachen und Familie Familie sein lassen. Und es ist ja ganz gleich, ob man Vater- und Muttertag nun en famille, im Alpenspa, angeschickert auf einem Waldgrillplatz oder wie auch immer andersgeartet verbringen möchte – es wäre nur schön, wenn gleiches Recht für alle gelten würde.

Wir sind weiter, als die Symbolbilder suggerieren

Ich habe aber berechtigten Grund zur Hoffnung! Denn wenn ich mich umschaue, sehe ich, dass wir oft viel weiter sind, als die dpa-Symbolbilder zum Vatertag uns suggerieren wollen: Ich sehe Väter, die während Zoom-Konferenzen zerbrochene Lego-Flugmobile retten. Väter, die Arbeitsblätter zur Neuner-Reihe ausdrucken, obwohl in der Arbeit die Deadline drängt. Väter, die mit ihren Kindern zu unchristlicher Zeit auf dem Markt stehen, um den Wochenendeinkauf zu erledigen. Die die Schicht beim Corona-Selbsttest in der Schule übernehmen, damit die Frau mit ihrem Artikel zum Vatertag fertig wird. Und das Beste ist: Die das überhaupt nicht für extra erwähnenswert halten.

In diesem Sinne: Einen schönen Vatertag, Männer – das Wetter ist eh nix zum durch die Wälder ziehen! Und wenn Ihr trotzdem geht: Nehmt die Kinder mit!