Klinikum stellt zwei Ärzte frei

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Dicke Luft am Klinikum, genauer: in der Neurologie, auf der Epilepsie-Station. Am Montag hat sich das Klinikum von zwei Ärzten getrennt, nachdem ein interner Streit eskaliert ist. Es ging um die Einrichtung eines Epilepsie-Zentrums, das beide vehement gefordert hatten. Und um angeblich mangelnde Qualität in der Behandlung von Epileptikern. Ein Gutachter widerspricht diesen Vorwürfen.

 
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Die Klinikum Bayreuth GmbH bestätigt die Trennung von den beiden Ärzten. Man habe „das Dienstverhältnis mit einer Oberärztin der Kinderklinik und einem Oberarzt der Klinik für Neurologie“ am Montag mit sofortiger Wirkung beendet. „Das Handeln der beiden Mediziner über einen längeren Zeitraum hinweg führte zu schwerwiegenden arbeitsrechtlichen Verstößen, die ein Fortsetzen des Arbeitsverhältnisses unmöglich gemacht haben“, heißt es in einer Pressemitteilung des Klinikums.

Massive Vorwürfe

Die Vorwürfe sind massiv. Einer der beiden Ärzte spricht von „massenhaft falschen EEGs“, von technischen Fehlern, die schon bei der Vorbereitung der EEGs gemacht wurden, von Epilepsie-Kranken, die gar keine seien, und umgekehrt von solchen, die nicht erkannt worden seien. Außerdem habe die Klinik nicht ihr Versprechen eingehalten, ein Epilepsie-Zentrum einzurichten, sich also um eine besonders intensive Behandlung der Kranken zu kümmern.

Höhepunkt der Auseinandersetzung war eine interne Gefährdungs-Anzeige eines der Ärzte bei Geschäftsführer. Das ist eines der schärfsten Schwerter von Klinik-Ärzten. Immerhin behauptete der Mediziner, am Klinikum sei das Leben von Patienten gefährdet gewesen. Das bayerische Gesundheitsministerium hat die Klinik beauftragt, „den Vorwürfen nachzugehen“.

Klinik widerspricht

Den Behauptungen der beiden Mediziner widerspricht die Klinik und hat sich einen Gutachter genommen. Er sollte die Abläufe und die Einhaltung von Qualitätsstandards bei Diagnose und Behandlung zu überprüfen, auf Deutsch: ob es gravierende Fehler gegeben habe. Dabei handelt es sich nach Informationen des Kuriers um einen renommierten Neurologen aus Erlangen im Ruhestand, der mit dem Bayreuther Vertreter der bayerischen Ärztekammer abgesprochen war, Ulrich Megerle.

Kritiker sagen, es handle sich um ein „Gefälligkeits-Gutachten“. Der Gutachter war zweimal in der Klinik. Er habe „alles gekriegt, was auf dem Tisch liegt“, sagt Klinik-Chef Joachim Haun. „Wir haben nicht selektiert.“ Allerdings musste der Gutachter ein zweites Mal ran. Die Fragen waren nicht restlos geklärt. „Die im Raum stehenden Vorwürfe werden in dem Gutachten nicht bestätigt“, so die Pressemitteilung des Klinikums. Einige Ärzte aus dem Klinikum hingegen sagen, die Vorwürfe seien beweisbar. Doch ein Beweis liegt bis jetzt nicht vor. Die Vorwürfe sind bis jetzt nicht konkretisiert: Wie viele Diagnosen sind falsch? Wie viele EEGs sind falsch? Gab es schlimme Fälle, gar Todesfälle?

Selbsthilfegruppe der Eltern

Seit etwa zwei Wochen gibt es eine Selbsthilfegruppe von Eltern epilepsiekranker Kinder. Auch aus diesen Reihen gibt es die Forderung nach einem Epilepsie-Zentrum, sogar eine Unterschriften-Aktion dafür. Frank Schmälzle, Sprecher des Klinikums Bayreuth sagt: „Die Versorgungssicherheit und -qualität für Epilepsie-Patienten ist gewährleistet.“

Seit kurzem gebe es im ambulanten Bereich auch einen niedergelassenen Neuropädiater in Bayreuth, mit dem die Klinikum Bayreuth GmbH bereits Kontakt aufgenommen habe. Ziel sei „eine enge Zusammenarbeit im Sinne der Patienten und deren Eltern und Angehörigen.“ Erwachsenen Epilepsie-Patienten stehe das Diagnostik- und Behandlungsspektrum der Klinik für Neurologie zur Verfügung.

Weiter arbeite das Klinikum mit dem Epilepsiezentrum Erlangen zusammen. Interne Quellen sagen, „das sei extrem wichtig“. Den ambulanten Bereich decken neurologische Praxen ab – eine davon ist eine Zweigpraxis an der Hohe Warte. „Dies zeigt die enge Zusammenarbeit zwischen niedergelassenen Neurologen und der Klinik“, so Schmälzle.

Keine schriftlichen Festlegungen

Hauptpunkt des Streites zwischen den geschassten Ärzten und dem Klinikum: Es sei ein Epilepsie-Zentrum geplant gewesen. Der Neurologie-Chef der Hohen Warte, Patrick Oschmann, schweigt aus arbeitsrechtlichen Gründen. Nach Informationen des Kuriers aber gibt es keine schriftlichen Festlegungen in Richtung eines solchen Zentrums, lediglich Überlegungen aus dem Jahr 2010, Jahre vor Dienstbeginn der beiden Mediziner. Das Klinikum hat vor kurzem sogar veröffentlicht, dass die Patientenzahlen nicht ausreichten, um ein solches zu installieren.

Mit einem der beiden Mediziner kam es, so Recherchen des Kuriers, seit Jahren immer wieder zum Streit. Ihr Bayreuther Anwalt Oliver Gerhards sagt: Eine Kündigung sei es nicht, sondern eine „unwiderrufliche Freistellung“. Gründe dafür seien von der Klinikleitung nicht genannt worden. Ein „eher ungewöhnlicher Vorgang“. Beide Ärzte möchten „ihre Arbeit am Klinikum im Sinne der Patienten so schnell wie möglich wieder aufnehmen“. Nach Informationen des Kuriers ist ihre Kündigung am Dienstag geplant.


 

Anwalt des Klinikums politisch umstritten

Der Fall hat auch politische Auswirkungen. Es gibt Vorwürfe gegen den Anwalt, der das Klinikum in diesem Fall vertritt: Karsten Schieseck. Ein Mitglied des Stadtrates sowie ein Parteifreund der Oberbürgermeisterin, die zurzeit Vorsitzende des Aufsichtsrates ist.

Thomas Bauske, SPD-Fraktionsvorsitzender im Stadtrat, sagt: „Ich wundere mich, dass die Oberbürgermeisterin als Aufsichtsratsvorsitzende am Aufsichtsrat vorbei Entscheidungen trifft und scheinbar selbstständig Anwälte für das Klinikum auswählt.“ Die Frage, die geklärt werden müsse: „Seit wann vertritt Karsten Schieseck, BG-Stadtrat, anwaltlich das Klinikum?“ Das Ganze bekomme „ein Geschmäckle“, weil Schieseck und die OB im gleichen Wahlverein seien, die BG nämlich. Bauske: „Und das ist nicht das erste Mal.“ Weitere Fälle würden sich im Laufe der politischen Aufklärung ergeben.

Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe sagt, dass Schieseck als auch ein weiterer Anwalt vom Geschäftsführer beauftragt seien. „Wegen ihrer Kompetenz“. Einen Anwalt zu beauftragen sei Aufgabe der Geschäftsführung, betont Merk-Erbe. Die betreffende Kanzlei habe auch schon in Zeiten von Oberbürgermeister Dieter Mronz und Michael Hohl für das Klinikum gearbeitet. „Nichts ungewöhnliches“ also, die Verbindung reiche schon lange in die Zeit vor Merk-Erbe zurück.

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