Klinikpartnerschaft Kulmbach hilft Klinik in Äthiopien

In Kulmbach wurde die Partnerschaft zwischen dem Klinikum und dem Bichena Primary Hospital in der Amhara Region begründet. Das kleine Hospital wird künftig auch aus Kulmbach unterstützt. Foto (von lins): Dr. Baye Degalem, Professor Dr. Thomas Bohrer, Dr. Tefaye Salsawit und Geschäftsführerin Brigitte Angermann. Foto: /Privat

Ein kleines Hospital in Äthiopien ist für Hunderttausende Menschen zuständig. Das Klinikum Kulmbach wird das Haus und seine Ärzte künftig unterstützen.

 
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Kulmbach - Jetzt wird es konkret mit der Zusammenarbeit zwischen dem Klinikum Kulmbach und der äthiopischen Klinik in Bichena in der Amhara Region. Die Ärzte Dr. Baye Degalem (Chirurg) und Dr. Tefaye Salsawit (Internistin) haben bei einem mehrtägigen Besuch im Kulmbacher Klinikum mit dem Leitenden Arzt der Thoraxchirurgie, Professor Dr. Thomas Bohrer, und Geschäftsführerin Brigitte Angermann eine Klinikpartnerschaft begründet, bei der es um Helfen auf Augenhöhe geht. Material, das in Kulmbach nicht mehr benötigt ist, aber voll funktioniert, wird an das kleine Hospital geschickt. Und auch mit Ratschlägen via Telemedizin soll geholfen werden. „Wir freuen uns, wenn wir unserem neuen Klinik-Partner künftig mit Wissen und Sachspenden unter die Arme greifen können“, betont Klinikumsgeschäftsführerin Brigitte Angermann.

Dr. Bohrer hat sich die Klinik in Bichena schon selbst angeschaut. Was er darüber berichtet, ist unter deutschen Verhältnissen kaum vorstellbar. Für 450 .000 Menschen ist das Krankenhaus, etwa 300 Meilen nördlich von Addis Abeba gelegen, zuständig. Nur 32 Betten gibt es. „Rudimentär“ nennt Dr. Bohrer die Ausstattung des Hospitals. Ganz im Gegensatz dazu stehe die hoch motivierte Belegschaft. Als leitende Ärzte haben Dr. Baye Degalem und Dr. Tefaye Salsawit schon viel bewegt. „Wir versuchen jetzt, zu helfen, diese Klinikum systematisch aufzubauen.“

Dr. Bohrer beschreibt die Situation: „Ein Beatmungsgerät gibt es im OP, das war es. Nicht einmal auf der Intensivstation gibt es ein solches Gerät. Alles, was wir in der Medizin als selbstverständlich ansehen, das gibt es dort nicht.“ Mit der Partnerschaft soll sich die Lage verbessern. Ein ganzer Container war Anfang Oktober gepackt. Matratzen, die die Bundeswehr beigesteuert hat, sind ebenso dabei wie Sterilisatoren, Gerätschaften zur Magen-, Darm- oder Lungenspiegelung. Chirurgisches Equipment und Laborgeräte sind ebenfalls gepackt.

Einen Krankenwagen haben die Helfer schon organisiert. Vor zwei Jahren bereits wurde er in Dienst genommen. „Das ist der erste Krankenwagen für diese riesengroße Region.“ Dr. Bohrer erinnert an den Schauspieler Karl-Heinz Böhm. Er war ein unermüdlicher Unterstützer der Amhara Region. Der Krankenwagen habe sich als Erfolg erwiesen. „Das rettet Leben“, freut sich Bohrer.

Die Notaufnahme des kleinen Hospitals kommt als erstes dran. Auch die Intensivstation und den OP haben sich die Helfer auf die Liste geschrieben. Strukturiert und vor allem nachhaltig wolle man vorgehen, betont Dr. Bohrer. Dabei muss sehr bedacht gearbeitet werden. „Es nutzt nichts, ein Beatmungsgerät nach Äthiopien zubringen, das alle sechs Monate ein Update braucht, weil die Software veraltet ist. Damit kann dort keiner was anfangen. Das würde sechs Monate funktionieren und dann in der Ecke stehen.“ Gutes Material, wenn auch nicht auf neuestem Standard, werde gebraucht. Etwas, das stabil funktioniert unter den gegebenen Umständen und auch vor Ort repariert werden kann. Hightech-Geräte, wie sie hierzulande in Krankenhäusern üblich sind, würden in Äthiopien nicht viel helfen.

Mit Dr. Degalem und Dr. Salsawit will sich Dr. Bohrer bald wieder treffen. Dann soll es Einweisungen in die Geräte geben. Doch damit soll es nicht zu Ende sein. Auch ärztliche Zusammenarbeit ist angedacht. Telemedizin ist das Stichwort. Ein Kulmbacher IT-Spezialist habe kostenlos bereits eine APP für dieses Projekt programmiert. In einem ersten Schritt gehe es um Unfallverletzte und Erste Hilfe. Alles natürlich auf Englisch, aber auch auf Amhara. Telemedizin, davon ist Bohrer überzeugt, wird gerade für Afrika die Zukunft sein.

Während des ersten Besuchs der beiden afrikanischen Mediziner in Kulmbach gab es ein dicht gedrängtes Programm. Die Gäste haben das Rettungswesen kennengelernt. „Das Kulmbacher BRK ist sehr offen“, freut sich Dr. Bohrer. Wertvolle Tipps in der Notfallmedizin werden in Äthiopien dringend gebraucht. Das System der Notfallmedizin und -rettung sei dort noch in den Kinderschuhen.

Auch Kontakte zu Intensivmedizinern am Klinikum wurden geknüpft. Dr. Rübsam habe den beiden Kollegen wertvolle Tipps für die Behandlung von Covid-Patienten gegeben, etwa wenn es um Lungenversagen geht. Natürlich war auch die Notaufnahme eine wichtige Anlaufstation für die Besucher. Dr. Sabine Leins habe ebenfalls eine Zusammenarbeit in Aussicht gestellt.

„Ausstattung, aber auch Fort- und Weiterbildung sind in dieser Sache sehr wichtig“, machte Dr. Bohrer deutlich. Was für ihn an erster Stelle steht: „Das muss alles auf Augenhöhe geschehen.“ In der Entwicklungshilfe sei das oft anders gelaufen. „Es darf nicht so sein, dass man diese Menschen als Bittsteller sieht.“

Dr. Bohrer würdigt das große Engagement des gesamten Klinikteams in Bichena und den kleinen Gesundheitsstationen, die in der Gegend installiert sind. Der Kulmbacher Mediziner schwärmt von der Region und ihrer großen Kultur. Er würde gerne seinen Beitrag dazu leisten, das Leben dort ein bisschen angenehmer und sicherer zu machen.

Die Klinikpartnerschaft soll, wenn möglich, offiziell bestätigt werden. Mit dem Gesundheitsministerium habe er sich bereits in Verbindung gesetzt, berichtet Dr. Bohrer. Das sei aber nicht Bedingung, damit es weitergeht mit dieser frisch geknüpften Freundschaft. Dass Geschäftsführerin Brigitte Angermann diese Kooperation ausdrücklich begrüßt, freut den Thoraxchirurgen. Auch die positiven Rückmeldungen seiner ärztlichen Kollegen und aus der Pflege weiß er zu würdigen.

Dr. Salsawit berichtet von ihrem ersten Eindruck beim Besuch des Kulmbacher Klinikums. Beeindruckt sei sie, wie sauber hier alles ist. Davon wolle sie sich leiten lassen und mindestens einiges, was sie in Kulmbach kennengelernt hat, übernehmen. Alle Menschen, die sie in Kulmbach kennengelernt hat, seien sehr hilfsbereit, großzügig und auch freundlich gewesen. Medizin ist für die Ärztin nicht nur ein Job. Das gehe tiefer, betont sie. Und so habe sie das auch im Klinikum in Kulmbach erlebt. Dr. Bohrer pflichtet ihr bei. „Im Mittelpunkt der Mensch ist unser Motto. Beide Kollegen haben mir versichert, das sie empfinden, dass dieses Motto bei uns wirklich stimmt. Das ist ein tolles Kompliment für uns.“

Dr. Degalem wünscht sich eine lang andauernde Partnerschaft. Dabei gehe es keineswegs nur um materielle Hilfe. Vor allem der Kontakt zu ärztlichen Kollegen und die Möglichkeit, von ihnen zu lernen, sei ihm wichtig. Weiterbildung steht ganz oben auf der Wunschliste des äthiopischen Mediziners. Bei Operationen zuschauen zu können sei da schon sehr hilfreich. Dr. Bohrer stimmt dem zu: „Die Nachhaltigkeit zählt. Wir wollen keine Eintagsfliege sein. Wir sind bereits seit zwei Jahren in engem Austausch. „Leider hat uns die Pandemie zurückgeworfen. Aber das holen wir jetzt alles wieder auf.“

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