Klimawandel und Korallenbleiche Sind Korallenriffe noch zu retten?

Markus Brauer/

Nur noch 20 Prozent der weltweiten Korallenriffe sind in einem guten Zustand. Wegen hoher Wassertemperaturen verlieren immer mehr Korallen etwa im Great Barrier Reef in Australien  oder Mesoamerican Barrier Reef n der Karibik ihre Farbe. Der unterseeische Gespensterwald in Australien erstreckt sich mittlerweile über 1100 Kilometer. Sind die Korallen noch zu retten?

 
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Ein Taucher bewegt sich im südlichen Bereich des Great Barrier Reefs. Wegen deutlich erhöhter Wassertemperaturen ist bei dem Naturwunder die fünfte Massenbleiche von Korallen innerhalb von nur acht Jahren bestätigt worden. Foto: Theundertow Ocean & Divers for Climate/AAP/dpa

Für die Situation der weltweiten Korallenriffe findet Christian Wild, Leiter der Arbeitsgruppe Marine Ökologie der Universität Bremen, deutliche Worte: „Der Zustand ist verheerend. Und die neuesten Studien deuten darauf hin, dass er noch schlechter wird.“ 30 Prozent aller Korallenriffe seien bereits verloren, 40 Prozent massiv bedroht. Nur noch 20 Prozent der weltweiten Korallenriffe sind in einem guten Zustand.

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Überfischung, Verschmutzung, Klimawandel

Ursachen für die Zerstörung der Korallenriffe sind vor allem Überfischung, Verschmutzung der Meere, Überdüngung sowie der Klimawandel. Die Erderwärmung Klimawandel lässt die Meerestemperaturen steigen, was wiederum zur berüchtigten Korallenbleiche führt.

Eine Schildkröte schwimmt im südlichen Bereich des Great Barrier Reef. Foto: Theundertow Ocean & Divers for Climate/AAP/dpa
Auch im Indischen Ozan - wie hier bei den Malediven -sterben die Korallen. Foto: Imago/Ocean Photo

Meeresforscher sind vor allem wegen der verheerenden Korallenbleiche am Great Barrier Reef im australischen Bundesstaat Queensland besorgt. Neue Unterwasseraufnahmen zeigen nach Angaben der örtlichen Klimaschutzorganisation Climate Council das ganze Ausmaß des Desasters.

Von Lizard Island bis zu den Keppel Islands ist demnach bereits ein 1100 Kilometer langes Gebiet betroffen. Auslöser ist laut Experten eine kürzliche marine Hitzewelle in der Region.

Bis zu 80 Prozent der Korallen gebleicht

„Heron Island war in den letzten Jahren von mehreren Bleichereignissen verschont geblieben, aber wie es jetzt dort aussieht, ist einfach verheerend“, erläutert Diana Kleine, Projektmanagerin der örtlichen Organisation Coral Watch. Die Forscherin besucht die Insel, die etwa 460 Kilometer nördlich von Brisbane in dem betroffenen Gebiet liegt, regelmäßig seit 25 Jahren.

Bei Wassertemperaturen von bis zu 30 Grad seien an manchen Stellen bis zu 80 Prozent der Korallen gebleicht. Sie habe eine vier Meter breite Koralle gesehen, die Tausende von Jahren gewachsen sei und nun völlig fahl und weiß dastehe. Angesichts der Lage könnten die Behörden schon bald die nächste Massenbleiche ausrufen, warnt das Climate Council.

Das Great Barrier Reef ist ein Naturwunder, das sogar aus dem Weltraum zu sehen ist. Wegen der Meereserwärmung ist es zunehmend in Gefahr. Denn die Korallen stoßen bei schwierigen Bedingungen die für die Färbung sorgenden Algen ab, mit denen sie sonst in einer Gemeinschaft zu gegenseitigem Nutzen zusammenleben.

Gebleichte Nesseltiere sterben langsam ab

Auch vor der Küste Mexikos sterben Korallen nach Angaben von Forschern derzeit in großem Ausmaß ab. Anhaltend hohe Wassertemperaturen, die noch weiter andauern können, haben zu einer ernsthaften Korallenbleiche in der Karibik und im mexikanischen Pazifik geführt.  Foto: Lorenzo Álvarez-Filip/dpa
Auf diesem Bild schwimmt ein Fisch in der Nähe von Korallen, die Anzeichen von Bleiche zeigen, bei Cheeca Rocks vor der Küste von Islamorada bei Florida. Foto: Lorenzo Álvarez-Filip/dpa
Korallenbleiche in der Karibik. Foto: Lorenzo Álvarez-Filip/dpa

Gebleichte Korallen sind extrem gestresst, aber sie leben noch und können sich wieder erholen. Durch das warme Meerwasser sind sie aber anfällig für Krankheiten, die sie abtöten können. Wenn das Wasser sich nicht abkühle, dann sei es nur eine Frage der Zeit, bis die gebleichten Nesseltiere absterben würden, betont Kleine.

Auch vor der mexikanischen Küste sterben Korallen derzeit in einem beispiellosen Ausmaß ab. Anhaltend sehr hohe Wassertemperaturen, die noch Wochen bis Monate andauern können, hätten zu einer schweren Korallenbleiche in der Karibik und auch im mexikanischen Pazifik geführt, berichtet Lorenzo Álvarez-Filip von der Akademischen Einheit für Riffsysteme an der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko.

Meerestemperaturen von bis zu 33 Grad Celsius

„Was unsere Tests und Analysen zeigen, habe ich noch nie gesehen“, erläutert der Experte nach seinen Tauchgängen in Puerto Morelos nahe dem Urlaubsort Cancún. Als Folge des Klimawandels seien dort zuletzt Meerestemperaturen von bis zu 33 Grad Celsius gemessen worden - drei Grad über dem historischen Durchschnitt.

Die Korallen seien den hohen Temperaturen bis zu 20 Wochen ausgesetzt gewesen. Dieser Stress erschwere ihre Erholung. Viele seien bereits abgestorben.

So verläuft die Korallenbleiche. Foto: National Ocean Service/NOAA

Steinkorallen muten eher wie Pflanzen an, sind aber sogenannte Nesseltiere. Als Bleiche wird laut der US-Klimabehörde National Oceanic and Atmospheric Administration (NOAA) ein Verblassen der oft farbenprächtigen Korallen bezeichnet. Sie leben mit verschiedenfarbigen Algen in einer Gemeinschaft zum gegenseitigen Nutzen.

Korallensterben im Südchinesischen Meer vor Malaysia. Foto: Imago/Ocean Photo

Bei hohen Temperaturen stoßen die Korallen die Algen jedoch ab und verlieren so ihre Farbe. Sie wachsen nicht mehr und können sich schlechter gegen Feinde und Konkurrenten wehren. Kehren die Mikroalgen innerhalb einer bestimmten Zeit zurück, weil die Wassertemperaturen wieder sinken, kann sich die Koralle erholen, andernfalls stirbt sie.

Korallenbleiche hat drastisch zugenommen

Auch an anderen Korallenriffen im Atlantik sowie etwa vor Huatulco an der südmexikanischen Pazifikküste bleichen die Nesseltiere vermehrt aus. Korallenbleichen wurden bereits vor Florida, Kuba, Belize, Panama, den Bahamas, Antigua, den US-Jungferninseln, Kolumbien und Puerto Rico gemeldet, wie das wissenschaftliche Netzwerk Global Coral Reef Monitoring Network (GCRMN) mitgeteilt ht.

„In den letzten Jahrzehnten hat die Häufigkeit von Korallenbleichen drastisch zugenommen, so dass den Korallen immer weniger Erholungszeit bleibt, erklärt Christian Wild. 2023 seien die Bedingungen besonders schlimm gewesen.

Am Great Barrier Reef sind nur noch wenige Korallen so intakt wie diese. Foto: Imago/Imagebroker
Für die meisten Korallenarten beginnt die Bleiche bei circa 32 Grad. Foto: Imago/Imagebroker
Korallen haben eine außergewöhnliche Fähigkeit der Regeneration. Foto: Imago/Pond5 Images

Bleiche setzt bei bei circa 32 Grad ein

Die extremen Wassertemperaturen hatten schwerwiegende Folgen: Im Golf von Mexiko und in der Karibik habe die Korallenbleiche dieses Jahr zwei Monate früher als sonst begonnen. „Die Bleiche breitet sich aktuell aus und wird sicherlich noch einige Wochen bis Monate weitergehen, bis die Temperaturen sich wieder ausreichend abgekühlt haben“, betont Wild.

Typischerweise dauere es nur ein paar Tage, bis die Korallen bei langsam ansteigenden Wassertemperaturen über ihren artspezifischen Wohlfühlbereich zu bleichen beginnen. „Für die meisten Korallenarten beginnt die Bleiche bei circa 32 Grad.“

Zur Unterstützung der Nesseltiere seien bestimmte Maßnahmen entscheidend, so Wild: „Den Klimawandel stoppen oder zumindest stark einschränken und die Riffe stärken, indem andere Stressfaktoren wie die Überfischung und die Überdüngung stark reduziert werden“. Zudem seien wissenschaftliche Ansätze wie das gezielte Ausbringen hitzetoleranterer Steinkorallen und moderne Wiederaufforstungsmethoden hilfreich.

Restauration soll zerstörte Korallenriffe retten

Hoffnung setzen die Forscher auf neue Ansätze bei der Restauration von zerstörten Korallenriffen, die von Nesseltieren gebildet werden. Bisher wurden für die Aufforstung vor allem Teile von intakten Korallenriffen abgeschlagen, um sie an zerstörten Riffen neu anzubringen.

„Korallen haben eine außergewöhnliche Fähigkeit der Regeneration“, erklärt Christian Wild. In Versuchsprojekten würden nun auch Spermien und Eizellen der Nesseltiere eingesammelt, entstandene Larven würden dann auf künstliche Strukturen aufgebracht. „Der Vorteil ist, dass man neue Korallenriffe erhält, ohne etwas zu zerstören.“

Um die farbenfrohen Unterwasser-Ökosysteme in einer Größenordnung von Tausenden Quadratkilometern zu restaurieren, seien jedoch weitere Investitionen in die Forschung notwendig, betont Sebastian Ferse vom Leibniz-Zentrum für Marine Tropenforschung in Bremen. „Dazu sind wir im Moment nicht in der Lage.“