Kleine Parteien: Zwischen Freude und Frust

Von , , Peter Rauscher und
 Foto: red

Die kleinen Parteien sind gar nicht mehr so klein. Der Abstand zu den beiden Volksparteien, vor allem zur SPD, schrumpft. FDP, AfD, Linke, Grüne, Freie Wähler und Die PARTEI - wie sie den Wahlabend erlebten.

 
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Zweistellig: Jubel bei der FDP

Die erste Flasche Champagner wird kurz nach 18 Uhr geköpft im Miamiam Glouglou: Die Bayreuther FDP um ihren Spitzenkandidaten Thomas Hacker jubelt bei der Wahlparty. Die bundesweite Prognose sagt zehn Prozent voraus, um 18.13 Uhr die erste Hochrechnung: 10,1 Prozent. „Wenn es so bleibt, wie es jetzt ist, dann ist meine Stimmung heute Abend fränkisch exaltiert“, sagt Thomas Hacker. „Ich koche innerlich. Könnte was werden mit Berlin.“ Das Ergebnis für die FDP: „Gigantisch. Ein Spitzenergebnis. Wer hätte das gedacht vor vier Jahren?“ Die ersten Glückwunsch-Nachrichten treffen ein. „Da antworte ich erst morgen drauf, wenn es wirklich sicher ist“, sagt Hacker.

Dass Tobias Peterka (AfD) im Wahlkreis rund 3000 Erststimmen mehr gesammelt hat als er, nennt Hacker „schwierig, wenn einer, der nur auf Ausgrenzung setzt, mehr Stimmen bekommt“. Einer, der das „Rauf und Runter bei der FDP“ seit gut 50 Jahren mitmacht, ist Dieter Schweingel. „Das ist ein Erfolg der konstant fortgesetzten Arbeit“, sagt Schweingel. „Die Zeit der außerparlamentarischen Opposition hat die Kraft der Partei gestärkt. Auch mich, selbst nach so vielen Jahren eisern dazu zu stehen.“ Hacker, sagt Schweingel, habe den Job als Fraktionsvorsitzender im Landtag schon gut gemacht. Eine Warnung kommt von Kreisrat Hermann Hiery per Mail: Er schreibt, er rate der FDP davon ab, in eine Bundesregierung unter Angela Merkel einzutreten.

Die AfD feiert nicht öffentlich

Sie feierten nichtöffentlich, obwohl ihnen die wohl größte Öffentlichkeit sicher gewesen sein dürfte: Mitglieder und Freunde der AfD trafen sich auf einem Privatgrundstück im Landkreis. Es war die Angst vor Protest, aber auch die vor „Gewalt“, denen die Wahlkämpfer ausgesetzt gewesen seien, sagte Sven Kachelmann, Landesdelegierter der AfD und stellvertretender Vorsitzender der Jungen Alternative Bayern. Es seien nicht nur die Protestwähler, die ihr Kreuz bei der AfD gemacht hätten, vielmehr habe die Partei auch eine Million Nichtwähler mobilisiert. Direktkandidat Tobias Peterka, der als Einziger aus Oberfranken den Einzug in den Bundestag geschafft hatte, kam erst um 22 Uhr. Ein erleichterter Peterka, der direkt aus dem TVO-Fernsehstudio kam. „Wir sind glücklich und positiv erfreut.“

Montag wird er in Berlin sein für erste Vorgespräche. Wird er mehr als ein „normaler“ Abgeordneter? Seine Aufgabe sieht er bei der Koordination zwischen den Landesgruppen. Was er als Erstes „anpacken“ will? Eintreten für Generationengerechtigkeit, für ein einfacheres Steuersystem. Schnell prüfen will er die „Verstöße gegen das Asylrecht“, sich weiter einsetzen für „konsequentes Prüfen der Abschiebungen“, aber auch das Familiensplitting durchsetzen. Das Polizeirecht soll auf das „Nulltoleranzprinzip bei der täglichen Polizeiarbeit“ durchleuchtet werden. „Und die Fraktion wird auf die FDP zugehen, wegen eines möglichen Untersuchungsausschusses in Sachen Merkel.“

Die Grünen: Susanne Bauer ist zufrieden

Entspannter könne eigentlich kaum jemand in so einen Wahlsonntag gehen, sagte Susanne Bauer noch am Freitagabend im Kurier-Gespräch. Denn: „Ich habe ja nun wirklich nicht das Geringste zu verlieren“, so die Pegnitzerin, Direktkandidatin von Bündnis 90/Die Grünen. Doch diese Gelassenheit sei schon gepaart mit einer gewissen Unruhe, mit einer Portion Aufgeregtheit. Weil es ja schließlich um viel gehe bei dieser Wahl – um nichts weniger als die Zukunft von Deutschland. Und da sei es eben schon von Bedeutung, wer die drittstärkste Kraft nach CDU/CSU und SPD werde. Da müssten die Grünen zittern – und damit zittere auch sie mit. Schließlich dürfte es eng werden für die oberfränkische Spitzenkandidatin Lisa Badum.

Gestern Abend gegen 21.30 Uhr hielt dieses Zittern noch an, die Tendenz lag eher auf „nicht“. Susanne Bauer ist dennoch zufrieden mit ihren knapp elf Prozent, in ihrem Heimatort Reisach bei Pegnitz sind es sogar mehr als 20 Prozent. Die politische Zukunft im Bund? Die sieht Bauer gespalten. Am liebsten wäre ihr „natürlich Rot-Rot-Grün“ gewesen. Das funktioniere jetzt nicht, nun müsse man aufpassen, dass die AfD nicht in der Opposition eine führende Rolle spiele und letztlich eine für sie „undenkbare“ Regierungsbeteiligung anstrebe. Sie selber werde jetzt nach anstrengenden Wochen erst einmal kürzertreten, sich aber nicht aus der politischen Szene verabschieden, so Susanne Bauer.

Freie Wähler: Thomas Mainusch ist enttäuscht

Geschockt reagierte Thomas Mainusch auf die bundesweit gut 13 Prozent für die AfD: „Ich bin erschrocken“, sagte der Direktkandidat der Freien Wähler im Wahlkreis Bayreuth-Forchheim dem Kurier. Die anderen Zahlen seien ziemlich vorhersehbar gewesen, „aber das hohe AfD-Ergebnis habe ich nicht erwartet. Das bedeutet 13 Prozent Nazis in Deutschland.“ Wenn man AfD-Spitzenkandidat Alexander Gauland im Fernsehen gehört habe, wie er tönte „Wir holen unser Land zurück“, dann „klingt das ein bisschen wie bei Nazi-Chefpropagandist Joseph Goebbels“, sagte Mainusch.

Auch von seinem eigenen Abschneiden ist Mainusch enttäuscht. Knapp 3,5 Prozent bei der Erststimme – „ich hätte das Doppelte erwartet“. Allerdings habe Peterka vor vier Jahren sogar noch weniger Stimmen gehabt. Die Freien Wähler hätten bundesweit einen schweren Stand, sagte Mainusch. Er finde es aber wichtig und richtig, dass die Freien für den Bundestag antreten. „Keine andere Partei trägt wie wir die kommunalen Belange nach oben, die Kommunen fallen mit ihren Anliegen sonst hinten herunter.“ An Themen wie schnellem Internet und löchrigem Mobilfunknetz in der Fränkischen Schweiz sei das gut zu sehen. Bei der Landtagswahl 2018 hofft Mainusch, dass die Freien ihr Potenzial besser ausschöpfen. Das liege bei 20 Prozent, glaubt er.

Die Linke: Sommerer sieht gutes Signal

„Schade, dass wir im Bundestag nicht mehr größte Oppositionspartei sind“, sagte Sebastian Sommerer, Direktkandidat der Linken in Bayreuth. Die Ursachen müssten noch aufgearbeitet werden. Mit über sechs Prozent in Bayern hätten die Linken ihren Stimmenanteil im Freistaat nahezu verdoppelt. „Das ist ein Jahr vor der Landtagswahl ein gutes Signal für uns, dass wir hier den Sprung über die Fünf-Prozent-Hürde schaffen könnten“, sagte Sommerer. Das hohe AfD-Ergebnis habe ihn hingegen nicht überrascht. „Wenn man an die vielen Talkshows mit AfD-Politikern denkt, braucht man sich über dieses Ergebnis nicht zu wundern“, sagte Sommerer. Viele enttäuschte CSU-Wähler seien offenbar zur AfD abgewandert, die Kampagnen beider Parteien seien auch sehr ähnlich gewesen.

Über sein persönliches Abschneiden zeigte sich Sommerer erfreut. Gegenüber der Bundestagswahl 2013 machte er bei den Erststimmen rund eineinhalb Prozentpunkte gut. „Ich wäre schon zufrieden gewesen, wenn ich das Ergebnis gehalten hätte.“ Bei den Zweitstimmen liegt die Linke im Wahlkreis über fünf Prozent. „Trotz des Rechtsrucks konnte die Linke ihr Ergebnis verbessern“, sagte Sommerer. Das sei ein gutes Zeichen. Aber man müsse auch auf dem Boden bleiben. „Die AfD hat ja im Wahlkreis das Doppelte erzielt.“

Die PARTEI: Wolfgang Karl ist "mehr als glücklich"

Zum Abschneiden der AfD hatte Wolfgang Karl bloß ein lautes Lachen übrig. „Wir haben jetzt mit den 13 Prozent endlich mal eine belastbare Zahl darüber, wie viele Vollidioten es in Deutschland gibt“, sagte der Direktkandidat der Partei „Die Partei“. Ansonsten hoffe er, dass die SPD sich nach ihren schmerzhaften Einbußen nicht weiter selbst auflöse, indem sie in die Regierung gehe, sondern dass sie zu ihrem Wort stehe und in die Opposition gehe. Fast müsse einem die SPD leidtun, die erneut eine Watschn bekommen habe. Dabei seien fast alle Reformvorhaben in der vergangenen Wahlperiode von der SPD gekommen. Die Regierungsbildung in Berlin werde schwierig, sagte Karl. Er glaube nicht, dass es zu einer Jamaikakoalition aus Union, FDP und Grünen komme. „Wenn ich Özdemir wäre, würde ich kein Bündnis mit FDP-Chef Lindner schließen“, sagte Karl. Er rechnet eher mit baldigen Neuwahlen.

Über seine rund 1,5 Prozent Erststimmen sei er „mehr als glücklich“, sagte Karl. „Wahnsinn, damit habe ich nicht gerechnet.“ Seine Frau habe ihn zuvor gewarnt, er solle nicht enttäuscht sein, wenn er keine dreistellige Zahl von Stimmen bekomme. Nun waren es mehr als 1500 Erststimmen für ihn. „Ich bin froh, dass es so viele im positiven Sinn Verrückte gibt“, sagte Karl.

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