Kleine Frühaufsteherinnen Ein bisschen Pfingstmontag erleben

Rosi Thiem
Einige Stunden Freizeit gingen drauf, um das Gesamtkunstwerk zu gestalten. Doch die Mädels waren mit Feuereifer dabei.In 35 Behältern aller Größen wurden die gesammelten Blumenköpfe gesammelt – strikt getrennt nach Farbe und Art. Foto:  

Fleißige Mädchen zauberten erstmals einen Blumenteppich am Altar – Der Flurumgang hat im Ort eine lange Tradition

 
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Kühlenfels - Während zu dieser Zeit die meisten Menschen noch tief schlummern, war am Pfingstmontag um 5.30 Uhr auf dem Parkplatz hinter der Filialkirche Sankt Matthäus schon einiges los. Annika Bager, Milena Bothe, Sophie Hanisch, Mila Ulbrich, Sanja Pischel und Hannah Bager überlegten da bereits, wie sie ihren Blumenteppich am geschicktesten anlegen.

Ausgezogene Meterstäbe zäunten das Areal rund um den Altar ein und sogar ein selbst gebastelter Zirkel kam zum Einsatz. „Den Zirkel haben wir aus einem Stock und einer Schnur gebastelt“, erzählte Mila Ulbrich (12). „Wir brauchten einen großen Kreis, denn der Kelch muss ja rund werden.“ Unterdessen wurde schon fleißig weitergeplant. Das Motiv stand fest. „Bereits im Vorfeld suchten wir nach Ideen im Internet und stellten ein Bild zusammen“, erklärte die 15-jährige Sophie Hanisch. Ein Kreis mit Kelch und Hostie sollte es sein. 35 große, mittlere und kleine Behälter standen gefüllt mit Blüten schon griffbereit.

Wegen der Kälte noch geschlossen

Die geeigneten Blumen zu finden war heuer etwas schwierig, denn viele Blumen wie Pfingstrosen waren wegen der Kälte noch geschlossen. „Wir haben etwas am Strauch von der Oma abgezwickt“, zeigte Hannah Bager auf die kupferbraunen Blätter mit der interessanten Färbung. Der 15 Jahre alte Noah Bager, der Zwillingsbruder von Hannah, brachte frisches Gras als Unterlage für den Blumenteppich. „Ich bin heute früh aufgestanden und habe Rasen gemäht. Das mache ich ja sonst auch“, sagte er gut gelaunt. „Heuer hat wirklich wenig geblüht“, bedauerte Hannah. „Da haben uns die Ortsbewohner aus ihren Gärten einiges gespendet und wir haben es mit der Schubkarre abgeholt.“

Vier Stunden zupften die Mädchen am Vortag die Blüten und trennten sie fein säuberlich. Dreimal trafen sie sich vorher und gründeten eigens eine Whatsapp-Gruppe. „Wir haben ja in den Ferien nichts zu tun“, sagte Sanja Pischel (15) und legte geschickt die blauen Veilchenköpfe als Fischsymbol auf das frische Gras. „Ich bin heute um 4.30 Uhr aufgestanden, aber das ist ja nicht so schlimm. Ich bin sowieso Frühaufsteher“, sagte sie lachend. Dem stimmte auch die Freundin Milena Bothe (15) zu: „Wenn schon mal im Dorf was ist und man gefragt wird, kann man auch mal mitmachen. Es macht ja zudem noch Spaß.“ Die Neuntklässlerin hatte sich gerade eine Handvoll Flieder geholt, den sie – farblich passend – kunstvoll in den bereits als Kelch zu erkennenden Rahmen legte.

Der Eifer der sechs Mädels war deutlich zu spüren. Gerade schob sich die Morgensonne aus den Wolken, aber es war kalt – zu kalt für Mai. „Es ist nur an den Händen kalt“, beschwichtigte die Jüngste, Annika Bager. „Blumen legen macht Spaß“, sagte die Elfjährige. Filigran reihte sie Blüte für Blüte aneinander. Künstlerisch malten die schaffenslustigen Mädchen aus ihren Blüten einen duftenden Teppich. Dieser reichte vom Altar auf der Bühne und führte bis zum Prozessionsaltar an der Seite.

Ruckzuck war es acht Uhr. Die Blumenfeen waren zufrieden. „Wir kommen um 9 Uhr wieder“, waren sie sich einig. Zu dieser Zeit hielt Pfarrvikar Dominik Urban den Freiluftgottesdienst zum Flurumgang, von den Einheimischen auch Pfingstprozession genannt.

„Die Mädels waren im Vorfeld schon überzeugt, dass sie das hinkriegen“, erzählte Stadträtin Maria Dreßel, die das Projekt begleitete. Da war dann noch die Sorge um das unbeständige Wetter. Aber das sah Dreßel nicht so dramatisch: „Ich kann mich an fast keinen Pfingstmontag erinnern, an dem der Flurumgang wegen schlechten Wetters abgesagt wurde.“ Die Jugend sei für alles offen, freute sich die Jugendbeauftragte. „Es ist unser ältestes Fest im Dorf. Am Pfingstmontag, 20. Mai 1772, war der erste Flurumgang. Im Normalfall schmücken wir vier Altäre. Wegen der Pandemie kann der diesjährige, wie auch schon der letztjährige Flurumgang am Pfingstmontag in Kühlenfels leider nicht stattfinden“, bedauerte sie. „Da kam uns die Idee einen Altar unmittelbar an der Kirche aufzubauen, um die Gottesdienstbesucher zumindest ein bisschen Pfingstmontag erleben zu lassen“, erklärte sie.

Die Mädels machten es möglich. Aus der Geschichte erzählte die engagierte Stadträtin: „Da in jeder Pfarrei einmal im Jahr eine Flur- und eine Fronleichnamsprozession stattfinden soll, wurde schon vor sehr langer Zeit festgelegt, dass in Kirchenbirkig die Fronleichnamsprozession und in Kühlenfels die Flurprozession sein soll. Die Pfarrei ist Kirchenbirkig und Kühlenfels ist eine Filialkirche.

Flurprozession für gute Ernte

„Die Flurprozession am Pfingstmontag war lange Zeit das einzige Fest, das im Jahreskreis gefeiert wurde – noch lange vor der Kirchweih“, ergänzte sie. Im Jahre 1771 wurde vom Ordinariat Bamberg ein Interdikt über die Filialkirche ausgesprochen. Die Kirche musste verschlossen gehalten werden. „Im darauffolgenden Jahr war infolge des lang anhaltenden Winters eine große Missernte zu befürchten. Auf inständiges Bitten wurde den Kühlenfelsern erlaubt, am zweiten Pfingstfeiertag einen Flurumgang abzuhalten. Danach wurde die Fortdauer des Interdikts wiederum verkündet“, erzählte Maria Dreßel aus der Geschichte. Im Jahre 1783 wandte sich die Gemeinde Waidach an den Fürstbischof mit der Bitte, das Interdikt aufzuheben. 1795 wurde es dann endlich aufgehoben und an Weihnachten wieder Gottesdienst gehalten.

„Bei einer Flurprozession steht eigentlich immer nur ein Altar in der Flur, zu dem gewallfahrtet wird“, bemerkte sie. „In Kühlenfels wurde das aber, soweit man sich erinnern kann, schon immer mit vier Altären gefeiert“, erzählte sie aus der Geschichte. Dazu passe auch das jetzige, lobenswerte Engagement der Mädchen, denen Dreßel im Nachgang ein Eis spendieren wird.

„Ja, man sieht doch, welche Bedeutung dieses Fest für die Kühlenfelser und Waidacher über Jahrhunderte hinweg hatte und auch heute noch hat“, stellte Maria Dreßel abschließend fest. „Es ist unsere Aufgabe, den Jugendlichen immer wieder Impulse zu geben und die Bedeutung der Tradition und des Kulturgutes näherzubringen. Dabei ist auch die Wichtigkeit zu unterstreichen, was das Leben in einem Dorf ausmacht. Ich bin auch überzeugt, dass dank unserer Jugend die Fest- und Feiertage in Kühlenfels und Waidach nicht so schnell an Bedeutung verlieren werden.“

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