Der Katastrophenfall Bayern mobilisiert alle Kräfte gegen Corona

, aktualisiert am 16.03.2020 - 12:42 Uhr
Markus Söder (CSU) spricht auf einer Pressekonferenz in der bayerischen Staatskanzlei zu den Auswirkungen der Coronavirus-Infektionen in Bayern. Foto: Matthias Balk/dpa Quelle: Unbekannt

MÜNCHEN. Im Kampf gegen das Coronavirus gilt in ganz Bayern seit Montag der Katastrophenfall. „Es geht um Zeit, schlicht und einfach Zeit“, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in München. Um schnelle Entscheidungen treffen zu können, müssten Diskussionsabstimmungen verkürzt werden. Der Katastrophenfall gebe der Staatsregierung umfangreiche Steuerungs-, Eingriffs- und Durchgriffsmöglichkeiten.

 
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Als Grund für die Ausrufung nannte Söder die Tatsache, dass im Land die Infektionsketten nicht mehr nachvollzogen werden könnten. „Das heißt, es beginnt eine exponentielle Entwicklung.“ Um die Ausbreitung des Virus Sars-CoV-2 wieder zu verlangsamen, müssten soziale Kontakte weitmöglichst gemieden und das öffentliche Leben verlangsamt werden. „Klar ist, es werden Menschen sterben.“

Zum Schutz der Wirtschaft vor den nicht ansatzweise absehbaren Folgen der Corona-Krise stellt Bayern ab sofort auch ein Hilfspaket in Höhe von zehn Milliarden Euro bereit. „Die Lage ist sehr ernst und verändert sich täglich, leider nicht zum Guten“, betonte Söder. Um die Geldmittel bereitstellen zu können, soll die in der Verfassung verankerte Schuldenbremse für zunächst ein Jahr außer Kraft gesetzt werden.

Schon am Donnerstag wird sich der Landtag mit dem Thema befassen. Längst sei klar, dass die Folgen der Corona-Pandemie größer seien, als bei der Finanzkrise. Unternehmen drohten massivste Umsatzeinbußen, dem Staat gingen Steuereinnahmen verloren.

Der Zehn-Milliarden-Euro-Schutzschirm soll der Wirtschaft unter anderem spezielle Bürgschaftsrahmen und finanzielle Soforthilfen von 5000 bis 30.000 Euro ermöglichen. „Wir werden keinen hängen lassen“, sagte Söder. Priorität habe der Erhalt der Liquidität von Unternehmen und auch von Kulturschaffenden. Um Unternehmen mehr Spielräume zu geben, seien auch Steuerstundungen möglich.

Unabhängig vom Katastrophenfall sind seit diesem Montag schon alle Schulen und Kindergärten im Freistaat geschlossen. Darüber hinaus weitet der Freistaat in dieser Woche die Beschränkungen weiter aus. Ab Dienstag werden Bars, Kinos, Gaststätten und Schwimmbäder geschlossen, auch Sportplätze und Spielplätze sollen gesperrt werden. Ab Mittwoch gilt das auch für ausgewählte Geschäfte, die nicht zur Grundversorgung notwendig sind. Speiselokale und Betriebskantinen sollen nur noch von 6 bis 15 Uhr und mit größeren Sitzabständen öffnen. Anschließend seien aber durchaus noch Auslieferungen möglich.

Innenminister Joachim Herrmann (CSU) betonte, dass nach dem Infektionsschutzgesetz bei Verstößen gegen die Ladenöffnungszeiten „Geldbußen, Geldstrafen und auch Freiheitsstrafen“ möglich seien.

Um die Grundversorgung mit Lebensmitteln und anderen wichtigen Produkten sicherzustellen, weitet Bayern aber die Ladenöffnungszeiten für bestimmte Geschäfte aus: Supermärkte, Lebensmittelgeschäfte, Drogerien, Apotheken, Tankstellen, Banken und einige weitere Geschäfte dürfen unter der Woche nun bis 22 Uhr öffnen und auch sonntags geöffnet haben, dann bis 18 Uhr.

Anders als in anderen Ländern soll es wegen des Coronavirus in Bayern zunächst keine Ausgangssperren geben. Söder appellierte aber an alle Bürger, sich genau zu überlegen, welche Orte man besuchen wolle. „Ich kann nicht versprechen, dass es die letzten Maßnahmen sind“, so der Ministerpräsident. Zugleich betonte er, dass niemand sagen könne, ob die Maßnahmen am Ende den gewünschten Erfolg bringen würden. „Es gibt keine Blaupause, wie es funktionieren kann. (...) Es kann auch noch sehr schlimm werden, aber wir geben uns Mühe.“

Die Zahl der Coronavirus-Infizierten in Bayern hat derweil schon am Montagmorgen die 1000er-Marke überschritten. Am Sonntag waren es 886 Menschen, allein bis Montag um 9 Uhr kamen noch einmal knapp 150 Neuinfektionen hinzu, wie Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) sagte. Damit habe man derzeit 1034 bestätigte Infektionen in Bayern. Wenn es in diesem Tempo weitergehe, könne es sein, dass man am Wochenende bei mehreren Tausend Infizierten angelangt sei. Bis Sonntagabend starben landesweit vier ältere Menschen an Covid-19.

Huml betonte, dass es rund 4000 Intensivbetten in Bayern gebe. In der Regel seien diese zu 80 Prozent ausgelastet. Die Krankenhäuser seien nun aufgerufen, alle Kapazitäten - aber auch ihre technische Ausstattung etwa mit Beatmungsgeräten - zu melden. Ältere Ärzte sollen rekrutiert werden. Im Bedarfsfall sei auch denkbar, dass etwa in Messehallen Sonderkliniken errichtet würden. Um die Kapazitäten zu steigern, könnten auch Abteilungen von Kliniken für Corona-Patienten zusammengelegt werden.

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