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Jahresthema Architektur Warum Bayreuth aussieht, wie es aussieht

Von Gordian Beck

Gebäude, Plätze, Parkanlagen, Straßen: Sie geben der Stadt ihr unverwechselbares Gesicht. In Bayreuth sind es - nur um ein paar zu nennen - der Marktplatz, das Rotmain-Center und das Markgräfliche Opernhaus. Eine Analyse über die Stadt und ihre architektonischen Reize.

 
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Bayreuth und die Architektur. Ein Thema, über das sich trefflich diskutieren lässt. Weil wahre Architektur hier nicht stattfände. Weil Architektur hier sehr wohl stattfände, aber als solche nicht anerkannt und wertgeschätzt sei. Weil hier jeder bauen könne, wie ihm der Sinn stehe. Weil hier größere Bauvorhaben oft so lange zerredet würden, bis die ursprüngliche Identität des Bauobjekts sich zur Gänze im Kompromiss auflöse. Weil, weil, weil. Alles richtig, und auch wieder nicht. So banal es ist, will man verstehen, warum Bayreuth so aussieht, wie es aussieht, muss man den Blick zurückwenden.

Auch Wilhelmine musste Kompromisse eingehen

Und da stellt man rasch fest: Selbst eine im Größenwahn des Absolutismus handelnde und planende Markgräfin Wilhelmine musste in ihren Bauvorhaben Kompromisse eingehen. Nicht immer, im Übrigen, zum Schlechteren. Denn auch sie hatte mit dem Problem zu kämpfen, von dem nahezu alle Bauherrn betroffen sind: Ein begrenztes und zugleich begrenzendes Budget. Oft genug hat sie dieses, ihren Anspruch absolut setzend, einfach ignoriert. Bayreuth blieben daher nicht nur imposante Bauwerke, sondern eben auch horrende Schulden. Und auch die haben architektonisch Spuren hinterlassen.

So stellt sich die Stadt einem unbekannten Besucher in einer Reisebeschreibung aus dem Jahr 1842 – sie ist in der vier Bände umfassenden Edition des „kleinen Universums“ von Johann Scheible abgedruckt – wie folgt dar: „Wer Bayreuth kennt, das freundliche Städtchen nahe dem Fichtelgebirge, ehedem, als der Sitz eines prunkenden Hofes und der Zentralpunkt einer kleinen Monarchie, belebt und wohlhabend, jetzt zur Provinzialstadt herabgesunken, und in Ermangelung eines kommerziellen Verkehrs seinen Haupterwerb in den spärlichen Quellen suchend, die den Bedürfnissen einer kleinen Garnison und des Personals etlicher Diktaterien entspringen; wer es kennt, dieses Städtchen, dessen prächtige Schlösser in Kanzleien, Zucht-, Kranken- und Irrenhäuser umgewandelt wurden, in dessen herrlichen Schauspielhause, einem der großartigsten Deutschlands, sich nur während der Sommermonate noch hin und wieder einmal eine Truppe Komödianten herumtummelt; wer es kennt, dieses verkümmernde Städtchen, der hat sich auch schon unter den Laubgängen der herrlichen Kastanien- und Lindenalleen ergangen, welche dasselbe immer noch durchkreuzen und nach außen mit den schönsten Promenaden begränzen.“

Es mangelt nicht an Ideen

Eine eher traurige Einschätzung, die allerdings auch heute noch Gültigkeit hat. In einigen Punkten zumindest. Andererseits offenbart sie auch Positives. Wie etwa die pragmatische Einstellung hierzulande. Leerstand etwa, wird genutzt. Unabhängig davon, was dieser einst darstellte. Belege für diese Praxis finden sich im Übrigen auch in jüngerer Vergangenheit. Etwa, als man 1913 in Regie von Oberbürgermeister Leopold von Casselmann auf dem von der Stadt erworbenen Gelände der Mainkaserne ein schmuckes Rathaus in historisierendem Stil mit Rathausturm errichten wollte. Der Ausbruch des ersten Weltkrieges eliminierte diesen Plan. Doch als im März 1915 das Reitzenstein-Palais in den Besitz der Stadt überging, fackelte man nicht lange und funktionierte es – der Umbau verschlang trotzdem noch rund 100.000 Goldmark – zum Rathaus um.

Auch heute ist der Wille, die Stadt mit Leben zu erfüllen, die Stadt weiterzuentwickeln, durchaus vorhanden – an Ideen mangelt es wahrlich nicht. Auch ganze Konzepte hat man erarbeitet, nicht nur in jüngster Zeit, doch umgesetzt hat man sie nicht. Zum Teil, weil die Zeit dagegen sprach, zum Teil, weil sie keinen Konsens fanden, zum Teil auch, weil dafür schlicht das Geld fehlte. Denn auch das prägt diese Stadt: der feste Glaube, in der Provinz Großes schaffen zu können. Siehe Richard Wagner. Doch der hatte damals, im Gegensatz zur Stadt Bayreuth heute, den Mäzen schlechthin im Rücken: den bayerischen König. Von solch einem Rückhalt aus München kann man im Bayreuth heute nur träumen.

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