Tödliche Jagd in der Urzeit Urzeitliche Seekuh fiel erst Krokodil und dann Hai zum Opfer

Markus Brauer

Der seltene Fund einer prähistorischen Seekuh, die zuerst von einem Krokodil und dann von einem Hai angegriffen wurde, bietet neue spannende Einblicke in die Jagdstrategien sowie Nahrungskette vor Millionen von Jahren.

 
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Die urzeitliche Seekuh aus der Agua-Clara-Formation wird von einer unbekannten Krokodilart angegriffen. Aasfressende Haie bringen sich schon in Position, um ein Stück von der großen Beute zu erhaschen. Foto: Jaime Bran Sarmiento

Forscher der Universität Zürich, des Natural History Museum of Los Angeles County und des Museo Paleontológico de Urumaco in Venezuela haben einen seltenen Fall aufgedeckt, bei dem ein einzelnes Tier von mehreren Raubtieren angegriffen wurde.

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Die Studie zeigt, dass im heutigen Nordwesten Venezuelas vor etwa 23 bis 11,6 Millionen Jahren eine ausgestorbene Seekuhart zunächst von einem urzeitlichen Krokodil gejagt und der Kadaver später von einem Tigerhai gefressen wurde. Die Studie ist im Fachmagazin „Journal of Vertebrate Paleontology“ erschienen.

Wie die urzeitliche Nahrungskette funktionierte

Tiefe Bissspuren an der Schnauze der Seekuh deuten darauf hin, dass das Krokodil wahrscheinlich versucht hat, seine Beute zu ersticken, indem es sie an der Nase packte. Weitere große Einschnitte lassen vermuten, dass das Krokodil die Seekuh dann zerrte und riss, möglicherweise um eine „«Todesrolle“ auszuführen – ein Verhalten, das auch bei modernen Krokodilen noch zu beobachten ist.

Ein Zahn eines Tigerhais, der in der Nähe des Halses der Seekuh gefunden wurde, sowie Bissspuren am Skelett zeigen, dass die Überreste später vom Hai gefressen wurden. Die Funde stützen die Annahme, dass die Nahrungsketten in der Urzeit ähnlich funktionierten wie heute.

Foto: Der Abdruck eines Haibisses auf dem Skelett der urzeitlichen Seekuh, das in der Agua-Clara-Formation in Venezuela entdeckt wurde. Foto: Marcelo Sánchez-Villagra/Jorge Carrillo-Briceño

Raubtier-Beute-Beziehungen des Miozäns

„Heutzutage beobachten wir oft, dass Kadaver, die von Raubtieren erbeutet werden, von anderen Tieren gefressen werden. Aber fossile Beweise für dieses Verhalten sind selten“, sagt der Hauptautor Aldo Benites-Palomino vom Paläontologischen Institut der Universität Zürich. „Während wir bereits früher feststellten, dass Pottwale von mehreren Haiarten gefressen wurden, zeigt diese neue Entdeckung die Bedeutung der Seekühe in der prähistorischen Nahrungskette.“

Obwohl fossile Beweise für Wechselwirkungen in der Nahrungskette existieren, sind sie in der Regel lückenhaft und schwer zu interpretieren. „Unsere Ergebnisse bieten einen seltenen Einblick in die komplexen Raubtier-Beute-Beziehungen des Miozäns vor etwa 23 bis 11,6 Millionen Jahren und sind einer der wenigen Belege dafür, dass sich mehrere Raubtiere von derselben Beute ernährten“, erklärt der Paläontologe.

Tipp eines Bauern führte zum Fundort

Die Fossilien wurden in der Agua Clara-Formation aus dem frühen bis mittleren Miozän in der Nähe von Coro in Venezuela während einer Expedition entdeckt. Das Forscherteam legte ein Teilskelett frei, das einen Teil eines Schädels und achtzehn Wirbel umfasste, und zwar an einem Ort, der 100 Kilometer von früheren Fossilienfunden in der Region entfernt liegt.

„Wir erfuhren von dem Fundort durch einen dort ansässigen Bauern, der einige ungewöhnliche Felsen bemerkte“, sagt Marcelo R. Sanchez-Villagra, Direktor des Paläontologischen Instituts und Museums der UZH. „Die ersten Fossilien, die wir fanden, stellten sich als Teile von Seekuh-Schädeln heraus – eine überraschende Entdeckung.“