Infoveranstaltung zur Sterbehilfe Wenn schwer kranke Menschen sterben wollen

Peter Engelbrecht
Das Thema Sterbehilfe stand im Mittelpunkt einer Infoveranstaltung in Kulmbach. Symbolfoto: Foto: Patrick Pleul/dpa

Um das Thema „Selbstbestimmtes Leben bis zum Ende“ ging es bei einer Infoveranstaltung in Kulmbach. Für viele Menschen ist Sterbehilfe noch immer ein Tabu.

 
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Ein Paukenschlag zum Thema Sterbehilfe war das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes vom 26. Februar 2020. Es hat das Recht auf selbstbestimmtes Sterben betont. Dieses Recht schließe auch die Freiheit ein, sich das Leben zu nehmen und hierbei auf freiwillige Hilfe Dritter zurückzugreifen.

Die Interessengemeinschaft „Selbstbestimmtes Leben bis zum Ende“ aus Kulmbach hatte zu einer Infoveranstaltung eingeladen, die mit 100 Gästen sehr gut besucht war. Unter bestimmten Voraussetzungen ist es laut dem Gerichtsurteil erlaubt, sich bei einem selbstbestimmten Lebensende ärztlich begleiten zu lassen, betonte der frühere Kulmbacher Hals-, Nasen- und Ohrenarzt Alexander Philipp, einer der Initiatoren der Interessengemeinschaft. Mit den Rahmenbedingungen hierfür beschäftige sich derzeit der Bundestag. Dieses Thema sei bei Bevölkerung und Ärzteschaft wenig bekannt, sagte Philipp. Seit dem Urteil vor gut zweieinhalb Jahren hätten in Deutschland 600 bis 700 Schwerkranke diesen Weg gewählt, es habe keine Häufung der Fälle gegeben.

Als Referentin trat unter anderem Sonja Schmid, eine Juristin der Deutschen Gesellschaft für Humanes Leben und Sterben (DGHS), auf. Sie bezeichnete es nach dem Urteil als Grundrecht, sein Leben selbst zu beenden und dafür ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Die Beihilfe zum Freitod sei bis zu dem Urteil unter Strafe gestellt gewesen. Das Bundesverfassungsgericht habe nun Regeln für die legale Freitodhilfe aufgestellt. „Erstaunlich ist, dass das Urteil wenig bekannt ist“, betonte Schmid. Viele glaubten, dass diese Art der Sterbebegleitung in Deutschland nicht erlaubt sei und man dazu in die Schweiz gehen müsse.

Als Voraussetzung für die legale Freitodhilfe habe das Gericht genannt, dass der Sterbewillige die Möglichkeit besitzen muss, seinen freien Willen zu äußern. Der Entschluss müsse in Kenntnis sämtlicher Optionen dazu getroffen werden. Man müsse auch wissen, was Palliativmedizin leisten könne. Der Entschluss, aus dem Leben zu scheiden, müsse von Dauerhaftigkeit geprägt sein.

Das Erstgespräch führe ein Jurist der DGHS, das Zweitgespräch ein Arzt. „Die Autonomie der Entscheidung ist ein wichtiger Punkt“, erläuterte Schmid. Es sei gut, wenn beim Erstgespräch Angehörige dabei seien. Der Sterbewillige sei Herr des Verfahrens, er könne es jederzeit unterbrechen. Der Arzt, der die Freitodbegleitung vornehme, fertige ein Protokoll, das dann nach dem Tod des Betroffenen, an die Kriminalpolizei weitergegeben werde.

Am Tag des Sterbens seien ein Jurist, ein Arzt aber auch Angehörige anwesend. Der Arzt lege eine Infusion, durch die zunächst eine Kochsalzlösung fließe. Dann folge ein Narkosemittel, das stark überdosiert sei. Den Infusionsschieber öffne der Sterbewillige selbst. Nach einer halben Minute bis zu einer Minute schlafe der Schwerkranke ein, nach drei Minuten sei kein Atem und kein Herzschlag mehr spürbar. Die Rolle des Arztes sei Beihilfe zu einer straflosen Tat, „alles läuft ganz transparent ab.“ Nach dem Versterben werde immer die Polizei informiert.

Die meisten Menschen hätten keine Angst vor dem Tod, sie hätten Angst vor dem Sterben, sagte der Fürther Palliativ- und Hospizmediziner Dr. Roland Hanke. Wichtig sei, nicht Hilfe zum Sterben, sondern Hilfe zum Leben anzubieten. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes besage, dass Sterbewillige sich aktiv zu den angebotenen Hilfsmaßnahmen geäußert haben müssen. Dieser Prozess brauche Zeit und fachkundige Menschen. Die Palliativmedizin könne Linderung bringen, könne aber auch durch unterschiedliche Medikamentenanwendung das Sterben fördern.

Bernd Schimmer aus Schlömen bei Neuenmarkt musste das Geschilderte im Frühjahr selbst erleben. Seine Frau war schwer krank. Ein Bein war bereits abgenommen worden, das zweite Bein stand vor der Amputation. Sie wollte sich nicht mehr behandeln lassen, schilderte er. Seine Frau entschloss sich schließlich zu einem Freitod, der von der Kulmbacher Hausärztin Sabine Heucke-Gareis begleitet wurde. Am 23. Mai 2022 schlief sie friedlich ein. Die Kripo untersuchte routinemäßig den Sterbefall, und legte ihn zu den Akten. Schimmer appellierte an den Bundestag, das Grundrecht auf ein selbstbestimmtes Leben bis zum Ende zu belassen. Denn dort werden aktuell verschiedene Gesetzentwürfe diskutiert. Der begleitete Suizid schwer kranker Menschen sei in keinem Fall hart, er sei würdig, berichtete Allgemeinärztin Heucke-Gareis. Sie habe inzwischen 40 Menschen begutachtet, die sich mit diesem Gedanken befassen. Die Kulmbacher Medizinerin sah keinen Widerspruch zum Hippokratischen Eid, denn im ersten Satz heiße es, der Arzt solle niemanden schaden.

Eine Freitodbegleitung koste 4000 Euro, erläuterte Referentin Sonja Schmid auf eine Frage aus dem Publikum, das nachdenklich zuhörte. Die Ausführungen wurden immer wieder von Applaus unterbrochen.

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