Für beide Seiten schlimm
Große Sorge hat Birgit Süß, wenn im März tatsächlich die Impfpflicht kommt. Dann entscheide das Gesundheitsamt, wie mit den ungeimpften Mitarbeitern weiter verfahren werde. „Das gibt einen Pflegenotstand“, ist sie sich sicher, „das wird für beide Seiten – Patienten und Mitarbeiter – schlimm.“ Wenn sie keine ungeimpften Mitarbeiter mehr beschäftigen darf, müsse sie Patienten den Vertrag kündigen. „Die Pflegedienste kommen langsam an ihr Limit“.
Wie oft müssen sie sich für die Arbeit testen? „Wir machen das dreimal die Woche und auf Wunsch auch extra, haben einen separaten Raum dafür“, sagt Süß. Die beiden ungeimpften Kollegen müssen sich alle 24 Stunden testen lassen.
Patienten haben Zukunftsängste
Geändert seit Corona hat sich auch, dass die Patienten jetzt nach Gesprächspartnern suchen, ihre persönlichen, sozialen Schicksale jemandem mitteilen wollen. Oft hätten die Patienten zum Beispiel Zukunftsängste bei anstehenden Operationen. Aber auch bei ihren Mitarbeitern habe die psychische Belastung zugenommen, der Krankenstand sei höher, es müssten öfter Krankheitsfälle aufgefangen werden. Oft setzt sie sich mit ihren Mitarbeitern zusammen, spricht mit ihnen, damit sie sich „entladen“ können. Der Job sei schon ohne Corona anstrengend. Um 6 Uhr ist der erste Patient dran, rund 30 bis 45 Minuten sind bei der Grundpflege mit waschen, anziehen, Medikamentengabe und hauswirtschaftlichen Leistungen eingeplant. Etwa zehn Patienten betreut jeder auf seiner Tour. Besonders wichtig ist Birgit Süß die Palliativpflege. „Das kann nicht jeder“, sagt sie. Aber ihr liegt diese Tätigkeit besonders am Herzen, der würdige Abschied von den Betreffenden dann. „Das ist keine Routine“, sagt sie, „und das muss man sich manchmal von der Seele reden.“
Privatleben stark eingeschränkt
Birgit Süß ist 24/7 erreichbar, wird oft auch nachts rausgeklingelt, wenn zum Beispiel ein Demenzpatient etwas nicht findet. „Die haben oft das Gefühl für die Tageszeit verloren.“ Und auch wenn ihr Privatleben stark eingeschränkt ist, kann sie sich keine andere Tätigkeit vorstellen, macht es immer wieder gerne. Aber oft wünscht sie mehr Anerkennung, sowohl von den Menschen, vor allem aber von der Politik. „Und die angedachte Impfpflicht ist eine Geringschätzung der Pflege.“