Immer mehr obdachlose junge Menschen

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Fachleute schlagen Alarm: Die Zahl junger Menschen, die keine Unterkunft haben, nimmt stetig zu. Auf dem Wohnungsmarkt konkurrieren sie mit Studenten, die bei Vermietern bessere Karten haben. Die Situation in Bayreuth sei mittlerweile mit der in Ballungsgebieten vergleichbar.

 
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Die Tage der Herzogmühle sind gezählt: In den kommenden Monaten werden auch die beiden letzten Wohnblocks abgerissen. Bis dahin müssen die Bewohner, darunter mehrere Obdachlose, in andere Unterkünfte umziehen. Foto: Vitali Kindsvater Foto: red

Sie wohnen bei Freunden, schlüpfen bei Bekannten unter, müssen immer wieder die Unterkunft wechseln: Eine große Zahl vorwiegend junger Menschen in Bayreuth verfügt über keine eigene Wohnung. Die genaue Zahl kenne man nicht, sagt Karina Kretschmann, die das Projekt Chance 18 der Diakonie leitet. Aber sie ist überzeugt: "Das Problem ist bei uns genauso groß wie in Ballungszentren."

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Dach über dem Kopf

Das Wohnprojekt Chance 18 plus gibt Menschen zwischen 18 und 25 Jahren ein Dach über den Kopf. Der Andrang auf die vier Plätze ist groß, sagt Kretschmann, der Bedarf aber deutlich größer, als ihn die  von der Diakonie betreute Einrichtung abdecken kann. Obachdachlosigkeit gerade unter jungen Menschen ist ein großes Problem, sagt Kretschmann, die Dunkelziffer immens. Ein Problem jedoch, das in der Öffentlichkeit nicht wahrgenommen werde, weil man es nicht sieht, nicht bemerkt. "Verlieren sie ihre Wohnung, werden sie aus ihrer Unterkunft geworfen, schlüpfen sie zumeist bei Freunden oder Bekannten unter", weiß Kretschmann. Weil die Couch aber nicht unbefristet zur Verfügung stehe, müssten sie immer wieder die Unterkunft wechseln. Mittlerweile scheint es sich herumgesprochen zu haben, dass man für geraume Zeit in der Einrichtung der Diakonie unterschlüpfen kann, wie die Nachfrage beweist. "Wir sind eigentlich immer voll belegt", sagt Kretschmann. Erweitern kann das Projekt seine Kapazitäten nicht. Deshalb fordert Kretschmann, dass mehr Wohnraum für obdachlose junge Menschen bereitgestellt werden muss. "Am sinnvollsten wären Wohngruppen, in denen die jungen Menschen lernen, wieder oder überhaupt wohnfähig zu werden. Davon gibt es in Bayreuth jedoch zu wenige." Dann wäre sie nicht mehr gezwungen,  Menschen wegen Vollbelegung abweisen oder in die Obdachlosenunterkunft Herzogmühle vermitteln zu müssen.

Obdachlosenunterkunft zieht um

Die Zahl der obdachlosen Menschen steigt von Jahr zu Jahr, hat auch Werner Köstner beobachtet. Dem Leiter des Sozialamtes der Stadt Bayeuth stehen nur die Wohnungen in den beiden letzten Wohnblocks der Herzogmühle - im Herbst wurde nach einem Wasserrohrbruch der drittletzte Block abgerissen - zur Verfügung, um Menschen, die dringend eine Wohnung benötigen, auf die Schnelle unterzubringen. Derzeit wohnen sechs obdachlos gewordene Menschen in der Herzogmühle. Die Zahl variiere ständig, sagt Köstner. Bis auf einen harten Kern von vier Personen, die er als "nicht mehr wohnfähig" bezeichne, gelinge es den meisten, wieder zurück in die Stadt in eine Wohnung zu ziehen. Doch bis zum Sommer müssen alle Bewohner der Herzogmühle in neue Unterkünfte umziehen. Dann wird die Obdachlosenunterkunft geschlossen, die letzten beiden Wohnblocks abgerissen, um Neubauten Platz zu machen. Die Alternative ist bereits ausgeguckt: In einem großen Haus der Gewog an der Cosima-Wagner-Straße soll eine neue Unterkunft für Obdachlose entstehen, sagt Köstner. Der Sozialausschuss hat dem Projekt bereits zugestimmt. Wenn der Stadtrat im Zuge seiner Haushaltsberatungen die anfallenden Kosten akzeptiert, kann die Renovierung des Gebäudes und dessen Umbau beginnen.

Neues Konzept

Denn bevor das Haus bezogen werden kann, muss es dem neuen Konzept entsprechend umgebaut werden. So soll es verschiedene Bereiche für Familien, Frauen und Männer geben. Und es wird eine Wärmestube geben, in der sich die Bewohner am Tag aufhalten können. "Ein dauerhafter Aufenthalt in den Zimmern wird nicht mehr möglich sein. Sie stehen nur nachts zur Verfügung", erklärt Köstner. Das sei ebenso Teil des neuen Konzepts wie die Betreuung der Bewohner durch Fachkräfte der Diakonie. "Wir wollen den Menschen helfen, möglichst schnell wieder in eigene Wohnungen zu ziehen", laute das Ziel.

Schlechte Chancen auf dem Wohnungsmarkt

Einfach wird es nicht für die Mitarbeiter der Diakonie. Menschen, die lange ohne Obdach gewesen  seien, wieder wohnfähig zu machen, sei nicht imer einfach, sagt Kretschmann. Außerdem sei es gerade für junge Menschen schwierig, Wohnungen oder Zimmer zu finden. "Sie konkurrieren auf dem Wohnungsmarkt mit Studenten und die werden von Vermietern eindeutig bevorzugt."