Im neuen Parsifal wird Haut gezeigt Nackte! In Bayreuth!

Von Florian Zinnecker
Nein, das ist nicht Bayreuth. Unser Foto zeigt die Installation "Nackte" vor dem Opernhaus in Sydney. Foto: dpa Foto: red

In mehreren Bayreuther Fitnessstudios hängt seit einigen Tagen ein Zettel. Die Statisterie des Festspielhauses suche „insbesondere schlanke Frauen zwischen 20 und 40 Jahren“ für die Neuinszenierung des „Parsifal“. Sie sollten „körper- und selbstbewusst sein und gegebenenfalls auch bereit sein, nackt aufzutreten“.

 
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Je weniger, desto mehr

Nackt – da zuckt man als Bayreuther Festspielbeobachter natürlich immer erstmal zusammen. Mögen die Sänger und Statisten auf der Bühne sonst auch Röcke aus einzeln aufgenähten Schwanenfedern tragen (wie im Hans-Neuenfels-„Lohengrin), übermannshohe Kunststoffplatten auf die Schultern geschnallt bekommen (wie die Riesen im Rosalie-“Ring“) oder edle und teure Couture des japanischen Designers Yoji Yamamoto auf den Leib geschneidert kriegen (wie im Heiner-Müller-„Tristan“) – der Aufwand, der für ein Kostüm betrieben wird, ist grundsätzlich gegengleich zur allgemeinen Aufmerksamkeit dafür: je weniger, desto mehr. Und am meisten bei gar nichts. Das Opernpublikum, das generell ja nicht gerade wegen seines geringen Durchschnittsalters von sich reden macht, ist in diesem Punkt dann doch sehr zwölfjährig.

Wachmacher

Es gibt einen kurzen Moment im aktuellen „Fliegenden Holländer“, der das sehr schön illustriert: Gegen Ende seines Begrüßungsmonologs muss der Holländer, ein Geschäftsmann, sich einer Escort-Dame erwehren, er tut dies, indem er ihr den Pelzmantel vom Leib reißt und sie mit einem Bündel Geldscheine bewirft, die sie dann – vermutlich in Spitzenunterwäsche, man erkennt es im Halbdunkel nicht gut, jedenfalls: in extrem wenig Restkleidung – vom Boden aufsammelt. Eine schlagartige Wachheit durchzuckt in diesem Moment immer das Publikum. Was da passiert, ist ja auch ein paradoxes Kunststückchen: Obwohl ja nachweislich etwas aus dem Bild entfernt wurde, sieht man nun nicht weniger als vorher; und es fehlt nicht nur nichts, es ist sogar, als wäre etwas hinzugefügt, Sichtbares und Unsichtbares. Oder besser: Unerhörtes.

Das funktioniert immer.

Und es gibt da im traditionsbeladenen Bayreuth selbst schon eine gewisse Tradition. Götz Friedrich ließ 1972 im „Tannhäuser“ die Venus und die Damen und Herren des Balletts in grobmaschige Netze und mal transparente, mal fleischfarbene Stoffe einnähen. Peter Hofmanns trainierter Oberkörper als Siegmund im Jahrhundert-„Ring“ ist auch heute noch Pausen-Thema, 1983 ließ Peter Hall die Rheintöchter splitternackt schwimmen. 2007 schließlich stieg in Katharina Wagners „Meistersinger“-Inszenierung ein entblößter Adam aus einer mit Luftballons gefüllten Kiste und bewarf dann den Chor mit Gummibällen; in den folgenden Jahren buk ihn Sixtus Beckmesser aus Lehm (die Mädels auf der Festwiese hatten unterhalb ihrer enormen Pappköpfe auch nicht so viel an). Mal gab es inhaltlich plausible Gründe für die Nacktheit, manchmal eher nicht.

Jetzt ist es wieder soweit.

Viel mehr als die Tatsache, dass offenbar mehrere weibliche Fitnessstudio-Mitglieder nackt auftreten sollen, ist noch nicht bekannt über den neuen „Parsifal“. Es hat schon Inszenierungen gegeben, bei denen die Nacktheit eines Darstellers danach das einzige war, was der Rede wert gewesen ist.

Aber anders ist es schon schöner.

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