Ilse Aigner mit Kopftuch im Iran

 Foto: red

Ilse Aigner ist mit einer großen Delegation in den Iran gereist. Die bayerische Wirtschaftsministerin erklärt, welche Chancen heimische Firmen dort haben und wie es sich anfühlt, als selbstbewusste Frau Kopftuch zu tragen:

 
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Frau Aigner, Sie trugen zuletzt ein besonders fesches rot-schwarzes Kopftuch. Wie hat sich das für eine katholische Frau aus Oberbayern angefühlt?

Ilse Aigner: Da musste ich mich umstellen, auch ganz praktisch. Am Anfang ist mir das Kopftuch schon mal verrutscht. Ich habe mich jedoch daran gewöhnt. Natürlich hätte ich lieber kein Kopftuch getragen. Aber ich erwarte ja auch, dass Menschen, die in unser Land kommen, sich an unsere Gebräuche halten. Deshalb akzeptiere ich es, dass das Tragen eines Kopftuchs im Iran vorausgesetzt wird.

Haben Sie sich das erste Mal bei einem Termin auf diese Weise ein Kopftuch umgelegt?

Aigner (lacht): Nein. Beim Papst hatte ich schon mal eines auf. Auch da gibt es Regularien, dass man eine Kopfbedeckung bei einer Audienz tragen sollte. Bei Papst Benedikt war ich mit einer Trachten-Delegation. Da hatte ich einen Trachtenhut auf. Bei Franziskus habe ich dann ein Kopftuch gewählt.

Sie haben Iraner zu einem bayerischen Abend in Teheran eingeladen. Es gab Brezn, aber keine Blasmusik, kein Bier und keinen Leberkäse. Ist das überhaupt noch ein bayerischer Abend?

Aigner: Natürlich war das ein bayerischer Abend. Da ich schon kein Dirndl anziehen durfte, habe ich darauf Wert gelegt, zum Kopftuch wenigstens einen Trachten-Janker, Haferlschuhe und den Bayerischen Verdienstorden zu tragen. Das ist auch eine Frage der Identifikation mit dem eigenen Land. Und die Musiker der persischen Kapelle, die gespielt haben, sehen zwar anders als bayerische Musikanten aus, ihre Instrumente wie das Hackbrett gleichen aber technisch unseren. Es ist faszinierend, dass über Tausende Kilometer Instrumente so ähnlich sind.

Wie sehen Sie die Rolle der Frau im Iran?

Aigner: Viele sind sehr gut ausgebildet. Im Iran machen mehr Frauen einen Universitätsabschluss als in Deutschland. Und es gibt dort auch viele Unternehmerinnen. Aber man darf sich nichts vormachen: Das ist doch eine andere Kultur.

Wie haben sich die Minister und Offiziellen Ihnen gegenüber verhalten?

Aigner: Sie sind mir respektvoll begegnet. Ich konnte nicht feststellen, dass die männlichen iranischen Repräsentanten Vorbehalte gegenüber mir haben. Das hat natürlich etwas mit meinen Ämtern zu tun. Aber auch Unternehmerinnen, die in meiner Delegation mitgereist sind, wurde Respekt entgegen gebracht.

Haben Ihnen iranische Männer von sich aus die Hand gegeben? Das ist in dem Land ja eigentlich verpönt.

Aigner: Auch von sich aus haben mir Männer die Hand gegeben, aber nicht in der Öffentlichkeit. Letzteres habe ich nicht als Missachtung empfunden, weil sich diese Männer mir gegenüber auf andere Weise besonders höflich gezeigt haben. Sie haben sich sogar vor mir verbeugt. Und ich weiß um den kulturellen Hintergrund: Männer sollen im Iran nicht die Hände von Frauen anfassen, die nicht ihre eigenen sind.

Viele Iraner dürsten nach Jahren der durch Wirtschaftssanktionen bedingten Entbehrungen nach Produkten aus Deutschland. Wie stark kann Bayern davon profitieren?

Aigner: Im Iran gibt es regelrecht eine Sehnsucht nach Produkten, die made in Germany und vor allem auch made in Bavaria sind. Die Menschen legen großen Wert auf Qualität und High-Tech. Bayern ist hier ein positiv besetzter Begriff. In meiner Delegation ist auch Paul Breitner als Marken-Botschafter des FC Bayern mitgereist. Der stellvertretende iranische Gesundheitsminister kannte ihn sofort und hat Breitner berichtet, dass er mit den Deutschen bei der Weltmeisterschaft 1974 im Endspiel gegen die Niederlande mitgefiebert hat. Aber auch bayerische Konzerne wie Audi, MAN und Siemens, die mit Vertretern in der Delegation dabei waren, genießen hohes Ansehen im Iran. Aber ich habe hier auch für unsere vielen Mittelständler geworben. Gerade für sie wollte ich im Iran Türen öffnen. Wir Bayern kommen in den Iran, um dort zu bleiben.

Die Iraner sähen es gerne, wenn Firmen aus Bayern ein Mega-Krankenhaus mit gut 1000 Betten in ihrem Land bauen würden. Sind die Politiker des Landes nicht zu euphorisch?

Aigner: Dieses Land hat nach den Entbehrungen der Sanktionen einen enormen Nachholbedarf. Das geht aber nur Schritt für Schritt. Es muss vor allem geklärt werden, wie die Iraner all diese Riesenprojekte finanzieren wollen. Noch ist der Iran von wichtigen Instrumenten des internationalen Zahlungsverkehrs abgehängt. Sie können hier nicht mal mit Kreditkarte bezahlen. Aber das könnte sich im nächsten Jahr ändern. Viele unserer bayerischen Firmen stehen in den Startlöchern. Es locken interessante Aufträge in dem Land mit 79 Millionen Menschen und einer starken Mittelschicht.

Haben Sie auch die außerordentlich problematische Menschenrechtslage im Iran angesprochen?

Aigner: Der Iran ist ein relativ stabiles Land in dieser Region. Wir können an den Iran nicht die gleichen Maßstäbe anlegen wie an Deutschland. Dennoch habe ich mir bei dem ein oder anderen Gespräch den Hinweis erlaubt, dass natürlich rechtsstaatliche Verfahren unverzichtbar sind, wenn unsere Firmen hier investieren sollen. Ich bin hier allerdings nicht als Außenpolitikerin, sondern als bayerische Wirtschaftsministerin unterwegs gewesen.

Wie wirkt aus der Teheraner Distanz die aufgewühlte Flüchtlings-Diskussion in Deutschland?

Aigner: Wir müssen nüchtern betrachten, welche Menschen jetzt zu uns kommen. Da sind sicher gut ausgebildete dabei, aber auch Analphabeten. Das wird ein langer, langer Weg. Wir brauchen da mehr Realitätssinn. Wichtig ist vor allem, dass die Flüchtlinge Deutsch können. Da befindet sich der Staat in der Bringschuld. Und es besteht die Gefahr, dass die Menschen, die zu uns kommen, irgendwann enttäuscht sind. Deutschland ist kein Schlaraffenland. Hier müssen viele Menschen hart arbeiten, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten.

Das Gespräch führte Stefan Stahl

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