Eggers war damals noch Geschäftsführer der Handwerkskammer (HWK) für Oberfranken. Anfang Oktober war er zusammen mit seinem Vorgänger als Hauptgeschäftsführer, Veit Holzschuher, in Prag gewesen. Sie hatten die Stimmung in der Stadt gespürt nach der berühmten Rede von Außenminister Hans-Dietrich Genscher auf dem Balkon der deutschen Botschaft. Die ersten Züge mit DDR-Flüchtlingen waren bei Hof in die Bundesrepublik gekommen. „Da wussten wir: Bald kommt die Öffnung der DDR. Nur, wie lange es noch dauern würde, wussten wir natürlich nicht“, erzählt Eggers.

Aber sie wollten vorbereitet sein bei der HWK. „Wir setzten gleich nach unserer Rückkehr aus Prag einen Brief auf, den wir an die Handwerkskammern in Gera und Karl-Marx-Stadt schicken wollten, wenn es so weit war – mit einem Angebot zur Hilfe. Anrufen konnte man damals in der DDR ja niemanden.“ Am 11. November ging der Brief raus, nur ein paar Tage später meldeten sich die Kollegen aus Gera, und am 4. Dezember nahmen sie an der Vollversammlung der HWK teil.

Das ging schnell, aber lange nicht so schnell wie alles andere. Eggers schüttelt noch heute den Kopf, wenn er erzählt: „Wir wurden bereits im November regelrecht überrollt. Jeden Tag standen Hunderte Handwerker aus der DDR bei uns vor der Tür, wollten sich informieren, wollten wissen, wie das so ist mit einem Unternehmen im fremden Kapitalismus. Wir waren halt einfach die erste Handwerkskammer an der A9.“

Bis zu 20 Mitarbeiter stellte die HWK in den folgenden Wochen und Monaten ab, um des Ansturms Herr zu werden. „Eine unglaubliche Belastung, aber auch eine tolle Zeit“, sagt Eggers. Noch heute gibt es viele Kontakte, und immer noch Dankbarkeit.

Schließlich kümmert sich die HWK hochoffiziell um den Aufbau neuer Handwerksstrukturen in den drei Bezirken Halle, Karl-Marx-Stadt und Gera. 500 000 D-Mark macht Eggers zunächst in der damaligen Bundeshauptstadt Bonn locker, unter anderem für Kurse. „Das war ein großes Problem“, erzählt Eggers: „Die DDR war ja noch Ausland, da durften die Mittel nicht hinfließen. Also haben wir als Treuhänder fungiert. Und dann hieß das auch schnell das Bayreuther Modell.“ Dreitägige Kompaktkurse wurden entwickelt und drei große Handwerkerforen mit mehr als 2500 Teilnehmern in der DDR abgehalten. Mit teils kuriosem Ablauf. „Die Handwerker in der DDR hatten ja überhaupt keine Ahnung, wie das so läuft bei uns. Da kamen Fragen wie: Wer setzt denn die Preise fest? Wie hoch dürfen die sein? Wieso darf es in einer Straße zwei gleiche Handwerksbetriebe geben? Die nehmen sich doch die Kunden weg.“

Probleme, die gelöst wurden. Genauso wie der Neuaufbau. 240 Millionen D-Mark wurden unter Federführung der HWK Oberfranken in Halle, Gera und Karl-Marx-Stadt investiert. Apropos Karl-Marx-Stadt. „Als ich dort im Januar 1990 erstmals von Chemnitz gesprochen habe, brandete im Saal ungeheurer Jubel auf. Da hat man Gänsehaut bekommen“, erzählt Eggers.

Und doch war das noch gar nichts gegen die sogenannte Wiedervereinigung des Handwerks in Zwickau am 21. Juni 1990, also lange vor dem 3. Oktober. Auch dieser Festakt mit 5000 Teilnehmern wurde von der HWK Oberfranken organisiert – mit ungeahnten Schwierigkeiten. „Immer wieder mussten wir nach Hof zurück, weil man nur von dort aus ordentlich telefonieren oder kopieren konnte“, so Eggers. „Plötzlich merkten wir, dass wir in der ganzen Hektik den Text der Nationalhymne für die vielen DDR-Handwerker vergessen haben. Also noch mal einer nach Hof, den Text tausendfach kopiert. Und als es dann so weit war, hat keiner von denen das Blatt gebraucht.“ Und Eggers selber? „Ich habe mich so auf diesen Moment gefreut, und dann habe ich vor lauter Tränen keinen Ton rausgebracht.“