Das Nationalarchiv bräuchte eher Geld als Nachlässe
Die Familie scheint sich in verschiedenen Punkten einig zu sein. Auch damit, dass nicht alles, wo Wagner drauf steht, nach Bayreuth müsste. Das Nationalarchiv dort hat jüngst zwar ebenfalls Bedeutendes erhalten, das Presse- und Bildarchiv des Festspielhauses von 1951 bis 1986 als Zustiftung Wolfgang Wagner. „Ein wahrer Schatz“, sagen Kenner wie der langjährige Wolfgang-Wagner-Vertraute Oswald Georg Bauer. „Das muss allerdings noch erschlossen werden“, sagt Archivchef Sven Friedrich. Das klingt nach ferner Zukunft. Immer wieder weist Friedrich darauf hin. dass für die Weiterentwicklung vom Museum und vor allem vom Archiv Geld vonnöten sei.
Daran hängt es immer. Ziemlich genau ein Jahr ist es her, dass Haus Wahnfried wiedereröffnet wurde. Die Politiker sollten den Rahmen schaffen, dass alle Wagner-Archive in Bayreuth zusammengefasst werden könnten, sagte Bayreuths Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe bei dieser Gelegenheit. Und ein Jahr später? Scheint der Appell verhallt zu sein. „Selbstverständlich werden auch während der Festspielzeit weiterhin Gespräche zum Thema Zusammenführung der Wagner-Archive in Bayreuth geführt“, stellt Kulturreferent Fabian Kern fest. Über seine Erfolgaussichten sagt er damit nichts, vermutlich aus gutem Grund.
Neubayreuth liegt in München
Die Angelegenheit ist und bleibt kompliziert. Da gibt es - nur als ein Beispiel - den Nachlass von Wagners rebellischer Enkelin Friedelind Wagner. Dessen Verwalter Neill Thornborrow hat klar zu verstehen gegeben, diesen Bestand nach dem Ablauf der Schutzfrist im Jahre 2021 ans Schweizer Nationalarchiv übergeben zu wollen. Bayreuth wird leer ausgehen.
Und möglicherweise auch bei Münchens Neubayreuth. Krauss hat nun erstmal ein Gutachten erstellt. Sie beschreibt darin, was denn in den Papierstapeln geschäftlich ist, und was privat ist und damit auf jeden Fall für München bestimmt. Doch die Unterscheidung ist schwierig. Denn oft finden sich private Zeilen auf Papier mit Festspiele-Briefkopf. Oder eine dienstliche Anfrage ist mit privaten Anmerkungen vermischt. Ob ihr Gutachten angenommen wird? Krauss wird die Sitzung des Stiftungsrats im August noch abwarten müssen.
Adolf Hitler privat und in Bayreuth
Eindeutig privat sind die Streifen, die Wolfgang Wagner als begeisterter Hobbyfilmer hinterließ. Mit Aufnahmen von Wahnfried im „Dritten Reich“. Die Filme seien nicht neu, verkündeten an sich nichts wichtiges, sagt Krauss. "Das, was interessant ist und auch faszinieren kann, sind die authentischen Bilder, die Großaufnahmen, die Mimik der Personen und die Stimmung, die vermittelt wird." Die Musikwissenschaftlerin Eva Rieger etwa konnte für ihr neues Buch über Frida Leider den Ausdruck und Haltung der großen Wagner-Sängerin studieren.
Krauss zeigt Ausschnitte aus einem anderen Film. Traute Familienszenen aus Haus Wahnfried zur NS-Zeit. Den allmächtigen Intendanten Heinz Tietjen, wie er scherzt und Grimassen schneidet, was Rückschlüsse darauf zulässt, wie eng sein Anschluss an die Familie im allgemeinen und Winifred im speziellen wirklich war. Aber auch Hitler, wie er auf dem Flugplatz in Bindlach landet; Hitler, wie er auf dem gebeugten Rücken von Wieland schreibt oder zeichnet. Und schließlich sieht Hitler schweigend, einfach lauschend. Winifred spricht beim Spaziergang im Garten mit Elan und gestenreich auf ihn ein, Hitler schmunzelt, es geht wahrscheinlich um Wagner, genaueres wissen wir mangels Tons nicht.
Der Monologomane Hitler als Lehrbub im Garten Richard Wagners: Das lässt darauf schließen, wie wichtig des Meisters Patchwork-Familie für Onkel Wolf war.