Hilfsaktion Safaris Rückkehr ins Leben

Peter Rauscher

In einer beispiellosen Hilfsaktion wurde der schwerst verletzte tansanische Junge Safari vor zwei Jahren nach Bayreuth geholt und gerettet. Nun geht es darum, dass er auf Dauer bleiben kann.

 
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Bayreuth - Corona hat das Leben vieler Menschen verändert, auch das von Safari. Der schwer verletzte Massai-Junge, den der Arzt Dr. Jürgen Dolderer zur Behandlung nach Bayreuth gebracht hatte, ist nicht wie ursprünglich einmal geplant nach Tansania zurückgekehrt. Er ist mit seinem Bruder hiergeblieben. Und beide wollen auch länger bleiben.

Keine Überlebenschance

In diesen Tagen werden es zwei Jahre, dass der damals zwölfjährige Safari dank einer breit angelegten Hilfsaktion, an de sich unter anderem auch der Kurier beteiligt hatte, nach Bayreuth kam. Beim Spielen hatte sich der Junge in Tansania lebensbedrohlich an einem Stromkabel verletzt. Er verlor den rechten Arm, beide Unterschenkel und zog sich schwere Brustverbrennungen zu. Dr. Jürgen Dolderer, heute Direktor der Klinik für Plastische, Rekonstruktive, Ästhetische und Handchirurgie am Klinikum Bayreuth, hatte den Jungen bei einem Hilfseinsatz kennengelernt und eine für Bayreuth beispiellose Rettungsaktion initiiert. „In Tansania hätte der Junge keine Überlebenschance gehabt, sagt er.

Sieben Monate Behandlung im Klinikum mit schwierigen Operationen und einige Wochen Reha in der Mediclin-Rehaklinik Roter Hügel brachten Safari im Wortsinne wieder auf die Beine. Auf den neuen Prothesen konnte er ins Leben zurückkehren. „Möglich war das nur dank der vielen Unterstützer in Bayreuth“, sagt Dolderer. Doch dieses Leben Safaris verläuft nun anders, als ursprünglich geplant.

Grenzen waren zu

Als Safari im Juni 2020 die Reha verließ, hielt die Corona-Pandemie die Welt längst in Atem. Eine Rückkehr nach Tansania war nicht möglich, sagt Dolderer dem Kurier. Der damalige tansanische Präsident John Magufuli unternahm nichts gegen die Infektionswelle, hielt Gebete für ausreichend im Kampf gegen das Virus. Die Grenzen waren erst mal zu, also blieben Safari und sein Bruder. Man regelte die Rechtsfragen: Safaris Bruder Mbekwa Mughenga wurde zum Vormund, Dolderer übernahm die Betreuung, beide Tansanier erhielten eine Duldung.

„Ich habe keine Schmerzen“

Unterstützt von Physiotherapie sei es mit Safari weiter aufwärts gegangen: Mittlerweile läuft er auf seinen Prothesen so rund, dass ihm sein Handicap nicht anzusehen ist. „Das Laufen geht gut, ich habe keine Schmerzen“, sagt er dem Kurier. „Er kann sich selbstständig, waschen, duschen, vom Boden aufstehen, auch essen, wenn es vorgeschnitten ist“, berichtet Dolderer. Safari macht alles mit links, eine Prothese für den verlorenen rechten Arm trägt er nicht. „Sie ist zu schwer, weil er einen Teil seiner Schulter verloren hat, sagt Dolderer.

Seit einem Jahr in der Schule

Mehr und mehr fänden sich Safari und sein Bruder in der fremden Umgebung zurecht. Deutschlernen begannen sie schon, als Safari noch im Krankenhaus war, seit einem Jahr geht er zur Schule. Weil das Treppensteigen mit den Prothesen noch nicht so gut funktioniert, muss er dorthin gefahren werden. „Es musste auf jeden Fall vermieden werden, dass sich Safari im Schulbus verletzt und etwas bricht, das hätte schlimme Folgen gehabt“, sagt Dolderer.

Ein gewaltiger Schritt

Der Massai-Junge, der in Tansania nie Unterricht besucht hatte, kam gleich in die fünfte Klasse der Albert-Schweitzer-Schule. Ein gewaltiger Schritt, bei dem ihn die Schule sehr unterstützt habe, sagt Dolderer. Seine Ehefrau Annette, die selbst Lehrerin ist, kochte für ihn mit und erteilte jeden Tag Nachhilfeunterricht, das wolle sie auch weiter tun. „Wenn ich etwas nicht verstehe, frage ich sie“, sagt Safari. Im Lockdown unterrichtete Annette Dolderer ihn zusätzlich zu ihren eigenen drei Kindern. So schaffte der Junge die fünfte Klasse auf Anhieb. „Sogar mit Einsen in einigen Fächern und einer zwei in Englisch“, sagt Dolderer stolz. Englisch sei eines seiner Lieblingsfächer, sagt Safari, „aber eigentlich mag ich alles“. Der Junge sei sehr neugierig, wissbegierig und ehrgeizig, sagt Dolderer. „Er weiß, dass er besonders viel Schulbildung braucht, um einmal selbstbestimmt leben zu können, denn mit nur einem Arm kommt eine handwerkliche Tätigkeit nicht infrage.“

Bruder arbeitet als Bufdi

Viel Zeit verbrachte und verbringt Safari bei der Familie Dolderer mit deren Kindern – der älteste mit 14 so alt wie Safari. Abends ging er immer zu seinem Bruder, mit dem zusammen er im Rot-Kreuz-Hostel lebt. Mbekwa Mughenga arbeitet mittlerweile als Bundesfreiwilliger im BRK-Ruhesitz und verdient sein eigenes Geld. Er strebe eine Krankenpflegeausbildung in dem Klinikum an, in dem sein Bruder gerettet wurde, sagt er. Mittlerweile hat Safari über seinen Bruder auch wieder lockeren Kontakt zu seiner Familie in Tansania, die ihn im Krankenhaus zurückgelassen hatte. Die Familie sei dankbar und wisse, dass beide in Deutschland ein besseres Leben zu erwarten hätten als in Tansania, sagt Dolderer.

Safari braucht Familie

Safari und sein Bruder wollen auch nicht zurück, sondern bleiben, sagen beide. Medizinisch sei der Fall zwar praktisch abgeschlossen, aber in Tansania wäre es extrem schwierig zu helfen, wenn an Safaris Prothesen etwas repariert oder ausgetauscht werden müsste oder wenn die Stümpfe behandelt werden müssten. Aber das ist nicht der einzige Grund dafür, dass für beide mittlerweile eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis beantragt wurde. Sie seien mittlerweile gut integriert und Safari brauche eine familiäre Anbindung. Dolderer sagt: „Ich spüre eine komplette Verantwortung für Safari und dafür, dass er auch weiterhin seine Motivation nicht verliert.“ Für kommendes Jahr hat der Arzt übrigens bereits seinen nächsten Hilfseinsatz mit der Organisation Interplast in Tansania geplant.

Info: Für die Hilfsaktionen von Interplast sowie für Materialien, Prothesen und Physiotherapie für Safari hat das BRK nach wie vor folgendes Spendenkonto eingerichtet: Bayerisches Rotes Kreuz, Sparkasse Bayreuth, DE 28773501100009019407, Stichwort: Hilfe für Tansania.

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