Hilfe für Glücksspiel-Süchtige Wege aus der Misere finden

Von Klaus Rössner
Kleine Gartenzwerge mit großen Botschaften am Kulmbacher Holzmarkt weisen auf die Aktion der Fachstelle für Glücksspielsucht hin. Diplom-Sozialpädagogin Gunhild Scheidler (hinten links) klärt am Kulmbacher Holzmarkt über die Gefahren des Glücksspiels auf und hilft Betroffenen weiter. Foto: /Klaus Rössner

Gunhild Scheidler hat sich für eine ungewöhnliche Aktion entschieden. Weil seit Corona kaum mehr jemand um Beratung wegen einer Glücksspielsucht nachfragt, hat die Suchtberaterin einen Tag lang in der Kulmbacher Innenstadt die Öffentlichkeit gesucht.

 
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Kulmbach - Die Situation der Familie war verheerend: Mitten im Winter wurde ihr das Gas abstellt. Die Wohnung war eiskalt. Und die beiden kleinen Kinder froren heftig. Zustände wie diese sind zwar eher die Ausnahme, doch bei ihrer Arbeit erlebt Gunhild Scheidler täglich, welche Probleme die Spielsucht mit sich bringt. Die Sozialpädagogin hilft den Menschen, die die Finger nicht lassen können vom Wetten, Zocken und Daddeln. Mit einer Aktion in der Kulmbacher Fußgängerzone hat sie sensibilisiert für diese Problematik.

Glücksspiele sind in Deutschland weit verbreitet. Nach einer Studie der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) aus dem Jahr 2019 haben sich 75 Prozent der 16- bis 17-Jährigen in Deutschland schon mindestens einmal an einem Glücksspiel beteiligt. Wissenschaftliche Studien zeigen, dass bereits Jugendliche – trotz des gesetzlichen Verbots – breiten Zugang zu Glücksspielen haben.

Rund 38 Prozent der deutschen Bevölkerung gibt jeden Monat Geld dafür aus. Etwa ein Zehntel aller Deutschen spielt regelmäßig um hohe Einsätze. Die Folge: Verschuldung mit allen daraus resultierenden Folgen.

Davon gibt es viele, wie Gunhild Scheidler zu verstehen gibt. Die zierliche Frau kennt genügend Beispiele, bei denen die Spielsucht viel Unheil gebracht hat: Verarmung, Stress und Streit in der Familie und dann noch: Kriminalität. Manche Spielsüchtige landen im Gefängnis, weil sie ihr teures Hobby mit illegalen Mitteln finanzieren, nicht selten mit Betrug.

Das Problem ist keine Eigenheit der urbanen Bevölkerung. Schon in ländlich geprägten Gebieten verfallen viele der Spielsucht. Spielhallen gibt es zur Genüge. Auch in Kulmbach. Hier betreute Gunhild Scheidler etwa 30 Spielsüchtige pro Jahr. Doch Corona hat auch hier für eine neue Situation gesorgt: Viele Spieler sind von der realen Spielhalle gewechselt zur digitalen Welt des Internets. „Ich sehe maximal die Spitze des Eisbergs. Ich hatte in Kulmbach gut zu tun. Doch seit Corona melden sich keine Betroffenen mehr bei mir.“

Deshalb hat die Sozialpädagogin in der Kulmbacher Fußgängerzone eine Aktion gestartet. Damit will sie wachrütteln – und Hilfe anbieten. Denn die Fachstelle für Glücksspielsucht der Diakonie Bayreuth kann Betroffenen und deren Angehörigen dabei begleiten, sich von dieser Krankheit zu befreien – oder sie zumindest merklich zu lindern.

Dazu führt die Sozialpädagogin Beratungsgespräche durch im Haus Waaggasse 5. Geboten werden diskrete Einzelgespräche, aber auch die Teilnahme an Selbsthilfegruppen. Auch Online-Beratungen (www.evangelische-beratung.info/gluecksspiel-bayreuth) sind möglich. Termine können telefonisch vereinbart werden (0921/78517730) oder per E-Mail (gunhild.scheidler@diakonie-bayreuth.de).

Hierbei geht es nicht darum, den moralischen Zeigefinger zu heben, sondern Wege aus der Miesere zu weisen. Durch Einstellung auf die persönliche Lebenssituation, durch Gespräche, aber auch durch weiterführende Maßnahmen wie den Besuch der Schuldner-Beratungsstelle. „Im Grunde will ich den Betroffenen bei der Erreichung ihrer Ziele helfen. Die meisten wollen aufhören, schaffen es nur nicht alleine“, sagt die Expertin.

Anfällig für die Spielsucht, die als Krankheit gilt, ist prinzipiell jeder. Doch es hat sich ein Archetypus von Menschen herauskristallisiert, der besonders gefährdet sind: Das sind überwiegend männliche Personen - auch mit Migrationshintergrund. Sie spalten sich auf in zwei Gruppen: Sehr Sensible und leicht Verletzliche, die sich bei Problemen in die Sucht flüchten. Oder der sogenannte „Sensation Seeker“. Das sind Menschen, die immer auf der Suche sind nach einem Kick oder dem ultimativen Nervenkitzel. Hier greift ein virulenter Mechanismus: “ Wenn ich gewinne, spiele ich weiter, um noch mehr zu gewinnen. Wenn ich verliere, spiele ich weiter, um das Geld zurückzugewinnen“, sagt ein Betroffener. Für solche Menschen und deren Angehörigen bietet die Suchtberatung konkrete Hilfen an – ehe es zu spät ist , und die Wohnung im Winter kalt bleiben muss.

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