Herzogmühle: Zwei Bewohner harren noch aus

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Die letzten Mohikaner der Herzogmühle: Thorsten Steinlein und seine Lebensgefährtin wohnen noch immer in einem Zimmer von Block 14. Seit dem 7. Dezember ohne Strom und anfangs auch ohne Wasser, das jedoch nach wenigen Tagen wieder angestellt wurde.Foto: Gunter Becker Foto: red

Die Wohnsiedlung Herzogmühle ist schon bald Geschichte: Nur noch zwei der zahlreichen Wohnblocks stehen noch. Im Februar sollen auch sie weichen und dem neuen Baugebiet Untere Rotmainaue Platz machen. Doch nicht alle Bewohner sind ausgezogen: Thorsten Steinlein und seine Lebensgefährtin harren noch immer in einem Zimmer und ohne Strom aus. Sie haben das offizielle Ende der Herzogmühle schlicht ignoriert.

 
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Auf dem Fensterbrett steht ein einzelner Schuh, am Boden liegen zerstreut Kleider und Bücher. Das Jahr auf dem Kalender an der Wand ist nicht mehr lesbar. Auf dem Tisch zwei Brötchen in einer Tüte, neben der Spüle steht eine Thermoskanne. Über allem liegt eine dicke Staubschicht. Die Bewohner des Zimmers im Block 14 der ehemaligen Siedlung Herzogmühle müssen schon vor längerer Zeit ausgezogen sein. Vieles haben sie zurückgelassen. Kurz vor dem Abriss der beiden letzten Gebäude mit den Hausnummern 13 und 14 ist es still in der Herzogmühle.

Seit 7. Dezember keinen Strom mehr

Im ersten Stock der Nummer 14, hinter der morschen Balustrade, öffnet sich eine Tür. Der Blick fällt auf einen dunklen Gang, auf verschlossene Zimmertüren. Nirgends brennt Licht. Es ist kalt. Rechts steht eine Tür steht offen. Sie führt in das Zimmer von Thorsten Steinlein. Er entschuldigt sich für die Dunkelheit. Seit dem 7. Dezember habe er keinen Strom mehr. Der 45-Jährige lebt zusammen mit seiner Lebensgefährtin Margitta – ihren Nachnamen will sie nicht nennen – noch immer in der Herzogmühle. Vor 16 Jahren habe ihn das Schicksal hierher verschlagen. Wenige Jahre später seine Freundin. Warum sie aus ihrem Heimat-Stadtteil Burg weg- und hierher gezogen sind? Mietschulden, gescheiterte Ehe – das Schicksal eben, antworten die beiden. Details wollen sie keine nennen. Im Moment drängt sie ein größeres Problem: Sie benötigen dringend eine Wohnung oder eine wie auch immer geartete Unterkunft. Ihre Galgenfrist endet am 9. Februar, dann müssen sie ihr Zimmer, das als Küche, Wohn- und Schlafraum dient, geräumt haben. Ihre beiden Katzen haben sie im Dezember ins Tierheim gebracht. Deren Unterbringung hat ein tiefes Loch in ihr Hartz-IV-Einkommen gerissen: 200 Euro mussten sie zahlen.

Die Schuld dafür, dass sie noch immer in der Herzogmühle liegen, schieben sie der Gewog zu, der Gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft der Stadt. Dort stünden sie, wegen der Mietschulden, auf einer roten Liste. Sie hätte mehrmals Anträge gestellt, seien aber nie berücksichtigt worden. Und wenn, hätte es sich um Angebote in der Altstadt gehandelt. Dort wollten sie jedoch nicht hin, wegen der hohen Kriminalität, die dort herrscht, sagt Steinlein. Wo sie nun unterkommen werden? Steinlein zuckt mit den Schultern.

Letzte Möglichkeit: Cosima

Wenn sich bis zum 9. November keine Möglichkeit auftut, werden die beiden letzten Bewohner der Herzogmühle in die städtische Obdachlosenunterkunft Cosima umziehen müssen, sagt Werner Köstner, der Leiter des Sozialamtes der Stadt. Ihre Möbel werden sie, solange sie dort wohnen, unterstellen müssen. Die Lagerung in einer Spedition kostet drei Euro am Tag. Für die Kosten kommt das Jobcenter auf. Köstner sieht die Schuld nicht bei der Gewog. Steinlein und Margitta hätten sich in ihr Schneckenhaus zurückgezogen und alle Hilfsangebote wie das vom Projekt Chance ausgeschlagen. „Sie haben gewusst, dass am 4. Dezember die offizielle Schließung der Herzogmühle ansteht. Und wir haben sie mit den Kontaktdaten von Ansprechpartnern auf dem Wohnungsmarkt versorgt. Und trotzdem haben sie nicht reagiert oder Angebote ausgeschlagen“, sagt Köstner. Dass die Gewog dann eben keine Angebote werden unterbreitet, hätten sie selbst zu verantworten. Allerdings gibt es nun noch ein weiteres Problem, sagt Köstner. In der Cosima sind derzeit keine Kapazitäten mehr frei. Soll heißen: Dort sind alle Zimmer besetzt.

Jetzt gibt es einen Hoffnungsschimmer: Köstner wird sich dieser Tage wieder mit Jürgen Kastner, dem Leiter des kaufmännischen Bestandsmanagements der Gewog, treffen. Dann will man ausloten, wie man Steinlein und Margitta helfen kann. Eine rote Liste, wie sie behaupten, würde die Gewog nicht führen, sagt Kastner. Wenn es eine für die beiden geeignete Wohnung gebe, werde man sie ihnen anbieten.

Diese kann, sagt Steinlein, auch in der Altstadt liegen. Egal. Hauptsache, sie haben Strom, damit sie mal wieder mit warmem Wasser duschen können.

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