Herzogmühle löste das Barackenproblem

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Undatiert ist dieses Foto, das wohl aus den sechziger Jahren stammt und den Spielplatz der Herzogmühle zeigt. Foto: Stadtarchiv Foto: red

Glücklich schätzen durfte sich, wer in den Nachkriegsjahren in einer nicht durch Bomben zerstörten Wohnung leben konnte. Die Situation auf dem Bayreuther Wohnungsmarkt war verheerend: Bis weit in die 1960er Jahre wohnten viele Hundert Menschen in Barackenlagern. Erst 1959 begann der Stadtrat, der zunehmenden Verelendung der Barackenbewohner ein Konzept entgegenzusetzen. Einstimmig wurde dort im April 1959 der Bau von „Schlichtwohnungen“ beschlossen. Der Name des neuen Wohngebietes: Herzogmühle.

 
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Im Verwaltungs- und Tätigkeitsbericht für das Jahr 1959 der Stadt Bayreuth heißt es bezüglich der Wohnungssituation: „Am 22. April 59 beschloss der Stadtrat, die erste gezielte Maßnahme zur Beseitigung der Baracken- und Behelfs-Wohngebiete in Angriff zu nehmen. Noch nie zuvor gab es in der Stadt so viele Behelfsunterkünfte, die wegen der beschränkten Nutzungsdauer, aus Gründen der Volkshygiene und nicht zuletzt auch in städtebaulicher Hinsicht die Stadt belasten.“

Rund 1700 Menschen, darunter 600 Kinder unter 14 Jahren, wohnten in Baracken und Behelfsräumen, die über die gesamte Stadt verteilt waren: Allein in der Hammerstatt standen 15 Baracken und 17 Behelfsheime. Am Flößanger waren es elf Baracken und 13 Behelfsheime. Im Gebiet Herzogmühle waren Menschen in zwölf Behelfsheimen untergebracht. Auf dem Sportfeld standen 104 Behelfsheime, auf dem ehemaligen Flugplatz Laineck zwei Baracken und 21 Behelfsheime und entlang der Hindenburgstraße acht Baracken. Eine Zählung im Oktober 1959 erbrachte 37 Baracken und 208 Behelfsheime.

Von Wohnungsnot gezeichnet

Sich Hoffnung auf eine Wohnung in der Stadt zu machen war sinnlos. Bayreuth verzeichnete im Jahre 1959 ein Wohnungsdefizit von 11,5 Prozent und nahm damit in Oberfranken unter den von der Wohnungsnot am schwersten betroffenen Städten den zweiten Platz ein. Zum 31. Dezember 1958 lag der Wohnungsbedarf bei 3350 Wohneinheiten.

Im Verwaltungsbericht für das Jahr 1959 wird darauf hingewiesen, dass auch in diesem Jahr die Wohnungsnot anhalte. Die Bevölkerung sei des Wartens überdrüssig, die Nachfrage nach Wohnraum nehme stetig zu. Als häufigsten Grund nennen Antragsteller beengte und unzureichende Unterbringung. Besonders oft betroffen seien Familien, die sich mit einem Zimmer zur Untermiete zufrieden geben müssen.

Dem Tätigkeitsbericht für 1960 ist zu entnehmen, dass sich die Situation noch verschärft hat: Ende Dezember verzeichnet die Stadtverwaltung „5241 Fälle von Wohnungsangelegenheiten, die auf gesunden und mietpreisangemessenen Wohnraum warten“. 1987 Fälle waren als vordringlich eingestuft.

Schwierigstes Problem

Unter der Überschrift „Die Stadt rückt dem Baracken-Elend zu Leibe“ berichtet die "Fränkische Presse" am 23. April 1959, dass der Stadtrat den Bau von vier Blocks mit 112 Schlichtwohnungen bis zum Jahresende an der Herzogmühle beschlossen hat. Als Grund wird die Beseitigung „der Barackenquartiere am Flugplatzgelände Laineck und an der Hindenburgstraße so rasch wie möglich“ genannt.

Insgesamt leben zu diesem Zeitpunkt noch 2046 Personen beziehungsweise 537 Familien in 231 Baracken. Oberbürgermeister Hans Walter Wild wird mit den Worten zitiert: „Das Barackenproblem ist wohl zur Zeit unser schwierigstes überhaupt.“

Bereits drei Monate später wird Richtfest gefeiert. Das Bayreuther Tagblatt titelt: „112 Wohnräume in 39 Arbeitstagen“. Die Kosten für den Bau der vier städtischen Neubauten mit Verfügungswohnungen belaufen sich auf 510.000 DM.

Die Häuser sollen in erster die Bewohner der Baracken an der Hindenburgstraße, die der Stadtverwaltung schon lange ein Dorn im Auge sind, aufnehmen. Die Gebäude haben zwar weder Keller noch Dachboden, dafür aber auf jedem Gang eine sanitäre Anlage. Später sollen noch Holzlegen und Sammelduschen errichtet werden.

Oberbürgermeister Wild ist sich sicher: „Diese Wohnungen sind einfach, aber es lässt sich auch hier leben.“

Im Juni 1960 wird Richtfest gefeiert für den zweiten Bauabschnitt: Zwei Wohnblöcke mit insgesamt 109 Räumen. Zusätzlich wurde ein Nebengebäude für ein „Lebensmittelgeschäft mit Milchkammerwäsche“, zwei Waschküchen und zwei „Brauseräume mit je zwei Zellen“ errichtet. Außerdem verfügen die Wohnblocks über 24 Wasserklosetts.

Siedlung sollte Stadtbild nicht stören

Bei der Suche nach einem geeigneten Gelände für die Siedlung sollte vor allem eine Voraussetzung erfüllt werden, schreibt die "Fränkische Presse" am 29. April 1959: Durch die Schlichtwohnungen sollte das Gesamtbild der Stadt Bayreuth nicht beeinträchtigt werden, das Bauvorhaben möglichst allein stehen und die Erschließungskosten nicht allzu hoch ausfallen.

Nach längerer Suche wurde man in der Nähe der Herzogmühle fündig. Weil aber LVA, Kleingärtner und der Pächter der Herzogmühle Einwände erhoben hätten, seien die Bauten noch weiter stadtauswärts gerückt worden.

Im August 1966 werden die letzten Baracken in der Hammerstatt, darunter die legendäre Kneipe Schwarzer Peter, abgerissen. 21 Jahre nach Kriegsende ist die Stadtverwaltung am Ziel: Die Festspielstadt Bayreuth ist barackenfrei.

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