Aushilfe im örtlichen Tonstudio
1978 ist Henning Schmitz gerade noch damit beschäftigt, in Düsseldorf seine zehn vorgeschriebenen Semester am Musikkonservatorium zu absolvieren. Damit der Kühlschrank auch einigermaßen gefüllt ist, arbeitet er nebenbei als Aushilfe in einem der örtlichen Tonstudios. Durch die LP „Die Mensch-Maschine“ wird auch Schmitz auf die Band Kraftwerk aufmerksam, die aus seiner neuen Wahl-Heimatstadt stammen. Eines Tages arbeitet Schmitz wieder im Archiv des Tonstudios als er im Aufnahmeraum vertraute Klänge hört: Es läuft „Das Model“ von Kraftwerk. Ralf Hütter und Florian Schneider stellen gerade die englische Version des Hits fertig. Einer der bekanntesten Kraftwerk-Songs von einem Album, das auch den Sound der Band über Jahrzehnte hinweg definiert: Einfache Melodien im Wechsel mit emotionslosem Sprechgesang, unterlegt von einem monotonen Rhythmus.
Mitarbeit im Bandstudio "Kling Klang"
„Ich war fasziniert von dieser ultimativen Huldigung des elektronischen Klangs“, erinnert sich Henning Schmitz heute. Umso begeisterter ist er, als Kraftwerk ihn zunächst zum Besuch ins bandeigene „Kling Klang“-Studio einladen. Und ihm kurz darauf gar einen Job anbieten. „Ein- bis zweimal pro Woche war ich in den kommenden Jahren im Kraftwerk-Studio“, erklärt Schmitz. Eine Festanstellung findet er jedoch in einem Kölner Tonstudio, das hauptsächlich für den WDR arbeitet. Die Pendelei zwischen Köln und Düsseldorf wird Henning Schmitz irgendwann zu viel: „Ich habe noch einige Vorarbeiten für das Album ,Techno Pop‘ erledigt und den Kraftwerk-Job dann 1985 erst einmal aufgegeben.“ Doch wird er bei der Arbeit in Köln auch nicht glücklich und schon 1986 macht sich Schmitz selbstständig. In der Folge erweitert er zum Beispiel durch die Produktion von Hörspielen seine beruflichen Fähigkeiten.
Der Ritterschlag zum elektronischen Musiker
Die wichtigste Frage des Vortrags stellt sich Henning Schmitz dann selbst: Wie kommt es zur Aufnahme in die Band? Kraftwerk machen nach der „Computer World“-Tournee 1981 eine langjährige Konzertpause. In diese Zeit fallen auch einige Besetzungswechsel: Wolfgang Flür und Karl Bartos verlassen die Band – Fritz Hilpert, ein Freund von Henning Schmitz, und Fernando Abrantes steigen ein. In dieser Besetzung spielen Kraftwerk 1991 auch einige Shows in England, doch offenbar stimmt die Chemie mit Abrantes nicht. „Fritz Hilpert rief mich an und fragte, ob ich nicht mit Ralf, Florian und ihm auf Tournee gehen will“, erinnert sich Henning Schmitz. Und weiter: „Diese Einladung habe ich natürlich angenommen. Das war der Ritterschlag zum elektronischen Musiker.“
Feuertaufe in Helsinki
Seine Feuertaufe besteht Henning Schmitz am 18. Oktober 1991 beim Auftritt in Helsinki. Die folgende Tour führt die Band durch 15 Länder. „Dieser Spagat zwischen dem Thrill auf der Bühne und der Verpflichtung zur absoluten Zuverlässigkeit war neu für mich“, erzählt Henning Schmitz. Der für sich selbst dann auch gleich eine neue Berufsbezeichnung erfunden hat: „Performance-Engineer“.
Arbeit mit Klang-Bausteinen
Gleichzeitig räumt der GMG-Absolvent mit dem – nicht ganz ernst gemeinten – Vorurteil auf, die Kraftwerker würden bei den Liveauftritten auf den Laptops nur ihre Mails checken. „Auf der Bühne arbeiten wir hauptsächlich mit Klang-Bausteinen. Es ist viel Handarbeit und Modulation erforderlich, um den Kraftwerk-Klang lebendig wirken zu lassen.“ Bandboss Ralf Hütter ist dabei hauptsächlich für die Keyboards und den Gesang zuständig, Henning Schmitz macht sehr viele Sequenzen und Bass, Fritz Hilpert perkussive Sounds und Falk Grieffenhagen arrangiert die Videos synchron zur Musik.
Wann kommt das nächste Album?
Mit „Tour de France Soundtracks“ erscheint 2003 das bislang letzte Kraftwerk-Studioalbum. Nur logisch also, dass zum Ende des äußerst kurzweiligen Vortrags aus dem Zuschauerraum die Frage nach neuen Songs kommt. „Wir haben bereits nicht veröffentlichte Musik live gespielt“, gibt sich Henning Schmitz diplomatisch. Und weiter: „Wer weiß schon, was die Zukunft bringt?“