Heißer Sommer in den Alpen Warum Deutschlands Gletscher in bedauerlichem Zustand sind

Markus Brauer/Sabine Dobel ()

Wieder ein heißer Sommer. Die letzten Gletscher Deutschlands schmelzen immer schneller. Experten geben ihnen nur noch einige Jahre. An der Zugspitze könnte es auch Folgen für die Skisaison geben.

 
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Schnee liegt auf dem Gletscherrest des Blaueisgletschers bei Raumsau. Der Blaueisgletscher ist der nördlichste Gletscher in Deutschland. Foto: dpa/Matthias Balk

Heiß, heißer,superheiß: Einmal mehr war der Sommer weltweit extrem. Einmal mehr schauen Wissenschaftler mit großer Sorge auf die dahinschmelzenden Gletscher. In den nächsten Jahren werden die vier letzten deutschen Gletscher nacheinander ihren offiziellen Status als Gletscher verlieren, so lautet die düstere Prognose. In zehn Jahren dürfte Deutschland endgültig gletscherfrei sein.

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Schnee liegt auf dem Gletscherrest vom Höllentalferner bei Grainau. Der Höllentalferner ist ein Gletscher im Westen des Wettersteingebirges.  Foto: dpa/Matthias Balk

Noch gibt es keine aktuellen Messungen des Eises. Gegen Ende September wollen Forscher mit Drohnen die Gletscher überfliegen und Fläche sowie Volumen neu bestimmen. Zwar gab es im vergangenen Winter viel Schnee in der Höhe, der das Eis teils bis weit in den Sommer etwas schützte. Dem gegenüber stand aber insbesondere ein sehr heißer August. Schon jetzt ist klar: Das ehemals „ewige Eis“ hat einmal mehr schwer gelitten.

Geröll und Schneereste liegen auf dem Höllentalferner unterhalb der Zugspitze. Foto: dpa/Angelika Warmuth

Klimawandel zeigt sich in den Bergen besonders deutlich

  • Der Klimawandel zeigt sich gerade in den Bergen ganz besonders deutlich. Das Abschmelzen der Gletscher gilt als Indikator für die globale Erwärmung. Für Bergsteiger bedeutet das: Der Steinschlag nimmt zu, die Randspalten zwischen Eis und Fels werden größer – so etwa am Höllentalferner als einer der beliebten Aufstiege zur Zugspitze.
  • Der Nördliche Schneeferner an der Zugspitze etwa sei „in einem bedauerlichen Zustand“, mahnt der Glaziologe und Geograf der Hochschule München, Wilfried Hagg. „Die Oberfläche ist weiter stark eingesunken und ein Felsriegel in der Mitte ist stark angewachsen, er droht, den Gletscher in den nächsten Jahren von oben her in zwei Eisflecken zu zerteilen.“ Bis Ende des Jahrzehnts, so die Einschätzung der Forscher, wird der Nördliche Schneeferner kein Gletscher mehr sein.
  • Früher wird es demnach den Watzmann- und Blaueisgletscher bei Berchtesgaden in Bayern treffen. Die Prognose hier sind noch zwei oder drei Jahre. Nur der Höllentalferner dürfte etwas länger überleben – ungefähr bis zum Jahr 2035.
  • Vor zwei Jahren hatten Wissenschaftler dem Südlichen Schneeferner den Status als bis dahin fünftem deutschem Gletscher aberkannt. Unter anderem floss er nicht mehr – ein Kriterium für die Einordnung als Gletscher.
Die Reste des Gletschers Blaueisgletschers, der zwischen den Wänden der Blaueisspitze (li.) und dem Hochkalter eingebettet ist: am 13. August 2021 (o. li.), 1. August 2022 (o. re.), 12. August 2023 (u. li.) und 28. August 2024 (u. re.). Foto: dpa/Angelika Warmuth

Heißester August seit Messbeginn an der Zugspitze

An der 2962 Meter hohen Zugspitze, Deutschlands höchstem Gipfel, verzeichneten die Wissenschaftler Hagg zufolge den zweitwärmsten Sommer seit Beginn der Aufzeichnungen im Jahr 1901. Nur 2003 sei es 0,2 Grad wärmer gewesen.

Schnee liegt auf dem Gletscherrest des Nördlichen Schneeferners auf dem Zugspitzplatt bei Grainau. Der Nördliche Schneeferner ist der zweitgrößte deutsche Gletscher. Foto: dpa/Matthias Balk

„Es war mit Abstand der heißeste August seit Messbeginn an der Zugspitze und der erste Monat, an dem es auf dem höchsten Berg Deutschlands keine negativen Temperaturen gab. Das heißt, der Nördliche Schneeferner schmolz einen Monat lang komplett durch, Tag und Nacht“, berichtet Hagg.

„Der Nördliche Schneeferner hat auch in diesem Sommer enorm an Volumen eingebüßt“, teilt Laura Schmidt, Sprecherin der Umweltforschungsstation Schneefernerhaus, mit. Es gehe ein Landschaftsbild verloren. „Vor allem ist uns aufgefallen, dass sich der obere Bereich an den Liftstützen löst und inzwischen viel Fels zum Vorschein kommt. Die dunkle Fläche aus Gestein und Schutt trägt weiter zum Schmelzen durch Absorption bei.“

Die Reste des Gletschers Nördlicher Schneeferner auf dem Zugspitzplatt, in einigen Jahren teilweise bedeckt mit Altschnee: am 11. August 2021 (o. li.), am 8. August 2022 (o. re.), am 16. August 2023 (u. li.), und am 25. Juli 2024 (u. re.). Foto: dpa/Angelika Warmuth

Höllentalferner und Nördlicher Schneeferner werden dünner

Schon 2018 waren Höllentalferner und Nördlicher Schneeferner als größte deutsche Gletscher mit 16,7 und 16,1 Hektar nur noch knapp halb so groß wie das Oktoberfestgelände. Der Nördliche Schneeferner schrumpfte seitdem laut den bisher letzten Messungen durch Forscher der Bayerischen Akademie der Wissenschaften (BAdW) und der Hochschule München auf etwa 13 Hektar. An der dicksten Stelle hatte er noch etwa 20 Meter.

Er verlor binnen fünf Jahren rund sieben Meter im Mittel an Dicke. Der höchste Wert der Beobachtungsreihe seit 1892, wie der Hagg berichtet. „2030 könnte er so klein und so dünn sein, dass es keine Eisbewegung mehr gibt.“ Und er damit nicht mehr als Gletscher gilt.

Die Reste des Gletschers Watzmann auf 2060 Meter im oberen Watzmannkar, in einigen Jahren teilweise bedeckt mit Altschnee: am 10. September 2021 (o. li.), 5. September 2022 (o. re.), 11. August 2023 (. li.) und 14. August 2024 (u. re.). Foto: dpa/Angelika Warmuth

„So langsam geht es dem Ende zu“

Der Watzmanngletscher hält sich relativ gut. Er hatte zuletzt noch 4,7 Hektar, nach 4,8 Hektar im Jahr 2018. Er ist zu fast 50 Prozent von Schutt bedeckt, der ihn vor der Sonneneinstrahlung schützt. Der Blaueisgletscher hingegen, obwohl eher schattig gelegen, schrumpfte von 5,2 Hektar auf 4,2 Hektar.

Der Höllentalferner liegt in einer Mulde und wird im oberen Teil durch Lawinen gespeist. Er ist laut Hagg der einzige deutsche Gletscher, der wenigstens oben noch Zuwachs verzeichnet, auch wenn das die Verluste nicht ausgleicht.

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass er am längsten bestehen wird. Vielleicht noch zehn, elf Jahre - so lautet die vorsichtige Prognose des Glaziologen Christoph Mayer von der BAdW, der mit Hagg für die Staatsregierung die bisherigen Gletscherberichte erstellte. Übrigbleiben wird eine Weile noch Toteis. „Es ist absehbar, so langsam geht es dem Ende zu“, so Mayer.

Die Reste des Gletschers Foto: dpa/Angelika Warmuth

Sonne und Temperatur wesentliche Faktoren

Haupttreiber der Schmelze sind Sonne und Temperatur, auch warmer Regen und Luftfeuchtigkeit spielen eine Rolle. In Frankreich, Italien, Österreich und der Schweiz steht es ebenfalls nicht gut um die Gletscher. Auch dort wird laut Hagg erst Ende September Bilanz gezogen. Mitte August habe es auch hier Rekordwerte bei den Schmelzraten gegeben.

Weitreichende Konsequenzen etwa für den Wasserhaushalt hat der Verlust der deutschen Gletscher nicht, sie sind zu klein. Anders bei den großen Gletschern in den anderen Alpenländern. Dort drohen Folgen für die Wasserversorgung, erläutert Hagg. Bisher speiste Schmelzwasser aus dem Eis die Flüsse, wenn es heiß und trocken war und Regen fehlte.

„Mit dem Eis haben sie einen zweiten ‚Wasserhahn‘, die Gletscher wirken regulierend.“ Die Schwankung der Wassermenge in den Flüssen nähme zu, wenn Pegelstände nur vom Regen abhängen. Die Folgen werden auch die Deutschland zu spüren sein, am Rhein etwa, oder am Inn bis hin zur Donau.