Hate-Slam: Leserpost aus der Hölle

Hate Slam: Manfred Scherer und Christina Knorz beim vierten "Best of Kurier-Leser", Foto: Andreas Harbach Foto: red

Offener Hass, freundliche gemeinte Stylingtipps, WhatsApp-Irrläufer und Stilblüten aus Pressemitteilungen: Beim vierten Hate-Slam des Nordbayerischen Kuriers gab es Einblicke in die Abgründe des Schriftverkehrs aus einem Jahr Redaktionsalltag. Manchmal konnten die Redakteure auf der Bühne selbst kaum an sich halten, manchmal blieb ihnen wie auch dem Publikum das Lachen im Halse stecken.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Ein Hate-Slam - Moment, da ist er schon, der erste Grund für Leser-Beschwerden: immer diese Anglizismen. Womit wir gleich beim nächsten Thema wären: die Fremdwörter. Aber Kurier-Leser halten sich auch nicht zurück, wenn es um Kritik geht. Egal, ob wegen der Rechtschreibung, Politik oder Frisuren der Kollegen. Mehr als 400 Gäste lachten, kicherten, staunten und empörten sich am Donnerstagabend über die Abgründe des Schriftverkehrs aus dem Redaktionsalltag.

 

 

Was wäre ein Hate-Slam ohne Hass? "Schmierpresse. Hoffentlich wird dir der Kopf vom Rumpf getrennt", wünscht dem Kurier einer. Der nächste nennt ihn "ein Blättchen mit einem stupiden Inhalt, von irgendwelchen dummen und degenerierten Jugendlichen zusammengestellt". Oder: "Ihr Kurier seid ja wohl die ekelhaftesten Drecksäcke, die mir im Netz begegnet sind. An jedem Artikel sollt ihr fünfmal ersticken!"

Tipps für Haarschnitte

Auch ganz persönlich werden Redakteure angegriffen. Eine Dame ist unzufrieden mit Frisur und Kleidung unserer Kinderseiten-Chefin Ulrike Sommerer. "Die Halspartie wird dadurch auch nicht aufgelockert", kritisiert die Dame. Auch Chefreporter Otto Lapp bekommt die dringende Empfehlung, "sich einen Haarschnitt verpassen zu lassen, der für Männer in Mitteleuropa üblich ist". Für Susanne Will ist sowieso alles verloren: Die Gerichtsreporterin sei so hässlich, dass sie nicht mal vergewaltigt werde, teilt ihr eine Dame mit, über deren Zeugenaussage sie berichtet hatte. Andere hoffen, dass "der Gütling" nicht wieder im Stadtrat einschläft.

Im Singsang, der eines katholischen Priesters würdig wäre, liest Chefredakteurin Christina Knorz Spam-Mails und flüstert Drohbriefe ins Mikro, dass es den Zuschauern kalt den Rücken herunterläuft. 

Restblut im Alkohol und Überraschungseier in der Hose

Die schönsten Stilblüten aus der Post an die Redaktion sprechen für sich: "Das Veterinäramt teilte auf Nachfrage mit, dass der Betreiber die Erlaubnis hat, neue Schweine einzustellen" - "Stau vor der Nacktbaustelle" - "Mit dem Restblut im Alkohol hatte er den direkten Weg gen Heimat nicht mehr so recht im Kopf."- "Bei der anschließenden Durchsuchung entdeckten die Fahnder in der Hose eines Dealers ein großes Überraschungsei." - "Ihr Bericht schlägt dem Fass die Krone ins Gesicht." - "Der Sozialdienst katholischer Frauen hat sein Angebot im Bereich häusliche Gewalt erweitert." - "Aus gesundheitlichen Gründen musste er sein Ehrenamt aufgeben, wofür ihm ein großer Dank ausgesprochen wurde." - "Lichterfest wirft seine Schatten voraus."

"Neger sind nicht die Hellsten"

Nicht ganz so fröhlich war der Themenblock "Flüchtlinge und Rassismus". Bei den Kommentaren und Leserbriefen blieb Zuschauern und Redakteuren das Lachen im Halse stecken. Da ist hemmungslos die Sprache von "Negern", die nicht die Hellsten seien - "das ist wahr, nicht rassistisch", steht auf dem Rezeptblatt für Apfelkuchen französischer Art, auf dem der Brief verfasst ist. Muslimen sei die Integration verboten, schreibt einer; ein anderer, dass die muslimische Seele zum Töten vorbestimmt sei.

Nachrichten für andere

Fast 3000 Menschen haben den WhatsApp-Service abonniert und bekommen täglich Links zu den wichtigsten Kurier-Nachrichten aufs Handy. Manche von ihnen antworten darauf - wenn auch oft nicht absichtlich. Die Irrläufer, die eigentlich für andere Empfänger gedacht waren, reichen von sehnsüchtigen mütterlichen Urlaubsgrüßen über ein freundliches "Guten Morgen Eierkopf" - gedacht für den Schwager - bis hin zu einem kommentarlosen "69?".

Asche auf unsere Häupter

Ohne eine gehörige Portion Selbstironie ist ein Hate-Slam nicht möglich. Und so spickte Moderator und Sportchef Torsten Ernstberger das Programm mit den schönsten Berichtigungen aus der Rubrik "So stimmt's", die manches Mal so lustig waren, dass die Fehler nicht mehr ganz so schlimm erschienen.

Gastpoet: Micha Ebeling

Den größten Applaus bekamen aber nicht die Kurier-Redakteure, sondern ihr Gast: Micha Ebeling aus Berlin, Deutscher Meister im Poetry Slam, der kluge, böse, wahre und witzige Texte über eine Liebe, aus der glücklicherweise nichts wurde, Sex mit Beate Zschäpe und Choleriker vortrug.

Kundgebung vor dem Zentrum

Als die Besucher des Hate-Slams das Zentrum verließen, empfingen sie Mitarbeiter des "Nordbayerischen Kuriers", die mit einer stillen Kundgebung unter dem Motto "Jobverlust ist Qualitätsverlust" gegen den geplanten Abbau von Arbeitsplätzen protestierten. Sie verteilten Flyer und heiße Getränke und kamen mit Besuchern ins Gespräch.

Autor

Bilder