Gruppe strebt Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft an Bayreuther wollen mit solidarischer Landwirtschaft den Genuss retten

Von Norbert Heimbeck
Gehören nicht in die Mülltonne: Auch krumme Gurken schmecken gut. Eine Gruppe Bayreuther Bürger will Verantwortung für Lebensmittel übernehmen und gründet eine solidarische Landwirtschaft. Foto: Kay Nietfeld, dpa Foto: red

Sie kämpfen für krumme Gurken. Die schmecken nämlich auch. Sie lehnen industriell erzeugte Lebensmittel ab und setzen sich dafür ein, dass Landwirte für ihre Arbeit fair bezahlt werden. Sie träumen von einer gerechten Welt, in der es allen gut geht. "Alle" sind die Bauern als Nahrungsmittelproduzenten, die Konsumenten, die Nutztiere und die Natur. Eine kleine Gruppe von Bayreuthern träumt von einer solidarischen Landwirtschaft.

 
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Der etwas sperrige Begriff bezeichnet eine Erzeuger-Verbraucher-Gemeinschaft. Beide Gruppen schließen sich zusammen und tragen gemeinsam die Verantwortung für die Produktion der Lebensmittel. Die Mitglieder finanzieren mit einem monatlichen Beitrag alle Kosten, die für einen gesunden landwirtschaftlichen Betrieb anfallen und erhalten im Gegenzug dafür einen Anteil an der Ernte. Daniel Hornstein (32) hatte zusammen mit Jonathan Schultz die Idee entwickelt und Mitstreiter aktiviert. Zum harten Kern der Gruppe gehören derzeit etwa 15 Studenten, Berufstätige und Renter. Mehr als 70 Interessenten werden von ihnen per e-Mail mit Informationen zum Projektstand versorgt.

Vor wenigen Tagen haben sie eine Satzung formuliert und sind jetzt bereit, einen Verein zu gründen. Nur eine Frage ist noch nicht geklärt: "Wir suchen einen Landwirt, der mitmacht." Am liebsten wäre der Gruppe ein Bio-Bauer in unmittelbarer Stadtnähe, der Betrieb sollte per Fahrrad erreichbar sein.

In fünf Thesen erklären die Initiatoren, warum die solidarische Landwirtschaft (Solawi) die Wirtschaftsform der Zukunft ist:

1. Solawi ist Enkel-tauglich.

Das Bedürfnis nach Nahrung ist ein Grundlegendes. Immer mehr Konsumenten wünschen sich gesunde Lebensmittel, die nach ökologischen Kriterien erzeugt werden. Die industrielle Produktion hingegen nimmt keine Rücksicht auf das natürliche Gleichgewicht. Wer den Bio-Anbau fördert, sorgt dafür, dass auch seine Enkel und deren Folgegenerationen noch fruchtbaren Boden und trinkbares Wasser vorfinden. Denn auch mit natürlichen Methoden - wie etwa dem Anbau in Permakultur - ist eine Steigerung der Erträge möglich, so dass der steigende Bedarf gestillt werden kann.

2. Solawi stärkt die regionale Versorgung.

Wie ökologisch ist eine Bio-Mango, die um die halbe Welt transportiert wurde, ehe sie in Bayreuth auf dem Markt landet? Immer mehr Menschen wollen wissen, wer ihre Nahrung erzeugt hat und woher die Lebensmittel kommen. Wenn immer mehr Bauern Nutzpflanzen anbauen, die statt auf dem Teller in Bio-Kraftwerken landen, verödet die Landschaft, Stichwort Mais-Wüste. Weil die Vereinsmitglieder mit ihrem Geld unmittelbar den bäuerlichen Betrieb finanzieren, werden Zwischenhändler ausgeschaltet. Es entsteht ein geschlossener regionaler Wirtschaftskreislauf.

3. Solawi ist eine gerechte Wirtschaftsform.

Gerechtigkeit ist ein hohes Ideal. In der solidarischen Landwirtschaft klären Bauer und Konsument jeweils für ein Jahr im Voraus, welche Preise für die Produkte zu bezahlen sind. Alle Bewirtschafter erhalten ein sicheres Einkommen. Risiken wie Ernteausfälle oder Krankheit werden von der Gemeinschaft getragen. Finanzkräftigere Konsumenten entlasten die ärmeren Mitglieder.

4. Solawi stärkt die Unabhängigkeit.

Auch Biolandwirte sind dem Diktat der Wirtschaft unterworfen. Sie sind abhängig von Subventionen, schwankenden Marktpreisen, dem Verhalten der Banken, den Launen der Verbraucher und nicht zuletzt vom Wetter. Als Konsument steht man bei jedem Einkauf vor einem Wald an Zertifikaten und Bio-Siegeln, die ihre individuelle Nachhaltigkeit anpreisen und dann doch aus Übersee stammen oder in Plastik verpackt sind. Die direkte Beziehung zwischen Landwirt und Konsument stärkt das Vertrauen - auch ohne Ökosiegel. Weil die Finanzierung der Arbeit aufgrund von Preisabsprachen geklärt ist, hat der Bauer ein sicheres Einkommen. Deswegen kann er auch auf Wünsche seiner Kunden eingehen und zum Beispiel alte Pflanzensorten anbauen.

5. Solawi fördert Solidarität zwischen Erzeuger und Verbraucher.

Vom Konzept der solidarischen Landwirtschaft profitieren alle Seiten. Eine Gruppe von Menschen schließt sich mit einem landwirtschaftlichen Betrieb zusammen und garantiert ihm verbindlich für ein Jahr, seine Produkte abzunehmen. Die Ernte findet so ihren Weg vom Feld direkt auf den Teller. Es wird kein Überschuss produziert, Gemüse, das den optischen Standards der Industrie nicht entspricht, wird zusätzlich geliefert, Risiken werden gemeinschaftlich getragen. Erzeuger und Verbaucher kennen sich und lernen sich im Laufe ihrer Zusammenarbeit auch schätzen.

Info: Auf www.solidarische-landwirtschaft.org wird das Projekt bundesweit und international vorgestellt. Die Bayreuther Gruppe informiert auf https://solawibayreuth.wordpress.com/ über ihre Arbeit.

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