Großes Finanzloch befürchtet Rentenversicherung: Corona-Krise lässt Reserve sinken

BERLIN. Was bedeutet die Wirtschaftskrise infolge der Corona-Pandemie für die Rentenkasse? Nach Schätzungen der Rentenversicherung sinkt die Rücklage bis Jahresende um ein Zehntel. Weiter in die Zukunft zu blicken, sei derzeit nicht möglich.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Infolge der Corona-Krise sinkt nach einer Schätzung der Rentenversicherung die Rücklage der Rentenkasse. Die Versicherung sieht aber begrenzte Auswirkungen durch die Krise, da auch während des Bezugs von Kurzarbeitergeld und Arbeitslosengeld I Beiträge zur Rentenversicherung gezahlt würden.

Wie die Deutsche Rentenversicherung mitteilte, geht die Rücklage nach ersten Schätzungen bis Ende des Jahres um rund ein Zehntel auf dann rund 36 Milliarden Euro zurück.

Diese Werte seien aber angesichts der aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen noch mit großen Unsicherheiten behaftet und könnten sich noch verändern. Belastbare Vorausberechnungen über das Jahr 2020 hinaus seien zurzeit noch nicht möglich.

Basis der aktuellen Schätzung sind Eckwerte der Frühjahrsprojektion der Bundesregierung. Darin wird mit einem Rückgang des Bruttoinlandsprodukts von mehr als sechs Prozent in diesem Jahr gerechnet - und damit der bisher schwersten Rezession der Nachkriegszeit.

Ende 2019 lag die sogenannte Nachhaltigkeitsrücklage noch bei rund 40,5 Milliarden Euro. Sie soll während des Jahres auftretende Schwankungen bei den Beitragseinnahmen ausgleichen.

Nach Einschätzung von Ökonomen steuert die Rentenkasse auf ein großes Finanzloch zu. Ursachen sind der rasante Anstieg der Kurzarbeit und die wachsende Arbeitslosigkeit, die die Beitragseinnahmen sinken lassen werden. Da die Renten nicht gekürzt werden dürfen und die Bundesregierung die Höhe des Beitrags auf maximal 20 Prozent deckeln will, wird nach Einschätzung des Rentenexperten Axel Börsch-Supan der Bund die Lücke füllen müssen.

"Die Bundeszuschüsse müssen wahrscheinlich schon 2022/23 in zweistelliger Milliardenhöhe steigen", hatte der Direktor des Munich Center for the Economics of Aging (MEA) am Max-Planck-Institut für Sozialrecht und Sozialpolitik vor kurzem gesagt.

Aus der Steuerkasse fließt jetzt schon sehr viel Geld: Insgesamt 72 Milliarden musste der Bund 2019 zuschießen, damit alle Rentner ihr Geld bekamen. Die Ausgaben der Rentenversicherung summierten sich 2019 auf insgesamt 319 Milliarden Euro.

Derzeit liegt der Rentenbeitrag bei 18,6 Prozent, die große Koalition will diesen bis 2024 stabil halten. Weil 2019 mit Ausnahme der Industrie große Teile der deutschen Wirtschaft noch gut liefen und die Löhne stiegen, steigt zum 1. Juli trotz Krise die Rente für die rund 21 Millionen Rentner in Deutschland: im Westen um 3,45 Prozent, im Osten um 4,20 Prozent. Umgekehrt gilt diese Kopplung nicht: Wegen der Rentengarantie können nach schweren Rezessionen die Renten nicht sinken - wie es sonst der Fall wäre.

Die Rente steht mittel- und langfristig vor Problemen, weil immer weniger Beitragszahler auf immer mehr Rentner kommen. Wenn die heutigen Mittfünfziger bis Mittsechziger der "Baby-Boomer"-Jahrgänge in Rente gehen, entstehen große Lücken in der Kasse. Für die Zeit bis 2025 hat der Bundestag ein Rentenpaket beschlossen. Es schreibt das Rentenniveau - also das Verhältnis einer Standardrente nach 45 Beitragsjahren zu den Löhnen - bei mindestens 48 Prozent fest. Der Beitragssatz soll bis dahin die 20-Prozent-Marke nicht überschreiten. Er liegt nun bei 18,6 Prozent.

Für die Zeit nach 2025 hat eine Kommission der Bundesregierung Vorschläge vorgelegt. Sie empfiehlt ein Reformpaket, aber keinen grundlegenden Umbau etwa mit einem höheren Renteneintrittsalter. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kündigte bis Herbst eigene Vorschläge an.

Autor