Großer Preis von Italien Ferrari sieht rot: Triumph für Leclerc, Fiasko für Vettel

Bei der großen Ferrari-Party in Monza schiebt Sebastian Vettel Frust. Wieder patzt der Hesse unter Druck. Sein Stallrivale Charles Leclerc indes gewinnt zum zweiten Mal nacheinander.

 
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Monza - Sebastian Vettel versuchte voller Frust und Enttäuschung, sein Fiasko beim Ferrari-Heimspiel zu erklären, während die Tifosi im roten Tollhaus von Monza den neuen König der Scuderia am liebsten auf Händen über die gesamte Strecke getragen hätten.

"Es geht über alles hinaus, was ich mir als Kind erträumt habe. Diese vielen Menschen, die singen und jubeln", schwärmte Charles Leclerc nach seiner Triumphfahrt zum ersten Formel-1-Sieg von Ferrari beim Großen Preis von Italien seit neun Jahren vor Valtteri Bottas und Lewis Hamilton von Mercedes.

In der Box der Roten küssten und herzten sich alle. Die Fans stürmten nach dem zweiten Leclerc-Sieg nacheinander zum Podium und verwandelten die Start- und Zielgerade auf dem Autodromo Nazionale in ein rotes Menschenmeer. Von Vettel war nichts zu sehen. Der viermalige Weltmeister lieferte ein Rennen zum Vergessen ab und wurde nach einem Dreher und einer Zeitstrafe 13. "Ich bin nicht zufrieden mit meiner Leistung", sagte Vettel kurz angebunden. "Was die andere Seite des Teams angeht, ist dann eigentlich egal."

Vettel muss trotz aller Beteuerungen gehörig um seinen Status im Team bangen. Zu viele Fehler, keine Siege. "Nein, das wird nichts ändern", versicherte zwar Ferrari-Teamchef Mattia Binotto mit Blick auf eine möglicherweise veränderte Hackordnung nach der nächsten persönlichen Monza-Pleite von Vettel. Der Rennstallboss hielt die denkwürdige Momente nach dem Sieg von Vettels Teamkollege selbst mit dem Handy vom Zaun aus fest.

In den Herzen der Fans hat sich Leclerc mit seiner ebenso rasanten wie auch diskussionswürdigen Fahrt zum Triumph in der Ferrari-Heimat bereits in seinem ersten Jahr verewigt. Vettel gelang auch im fünften Anlauf kein Sieg in Monza mit der Scuderia. Und er wird die Bilder der Tifosi, die Leclerc und nicht ihn auf dem Podium zelebrierten, nicht ignorieren können.

Ebenso wie die Art und Weise, wie Leclerc eine Woche nach seinem ersten Formel-1-Sieg (Großer Preis von Belgien) seinen zweiten Sieg im 35. Grand Prix seiner jungen Karriere perfekt machte. Beim Start verteidigte der Monegasse seine vierte Pole gegen den Zweitplatzierten Hamilton. Der mögliche Champion der Zukunft gegen den fünfmaligen Weltmeister, so wie schon in Spa-Francorchamps.

Nach der Peinlich-Qualifikation am Samstag in Italien mit einer unfassbaren Bummelrunde, die die finale Bestzeitenjagd verhindert hatte, bekamen die Fans diesmal reichlich Action geboten. Als Hamilton nach dem Reifenwechsel einen vielversprechenden Angriff auf Leclerc startete, wurde es eng auf dem Hochgeschwindigkeitskurs. Der Brite musste durch das Kiesbett ausweichen. "Er hat mir keinen Platz gelassen, er hat mich abgedrängt", wetterte der Champion.

Die Rennrichter verwarnten Leclerc, sahen aber von einer Strafe ab. Mit Verwunderung reagierte manch einer, als Leclerc nach einem grenzwertigen Verteidigungsmanöver ungestraft davon kam. Es zeugte aber auch davon, dass der 21-Jährige schnell lernt: In Österreich Ende Juni hatte er sich in der letzten Runde den Sieg von Red-Bull-Pilot Max Verstappen noch wegschnappen lassen.

Mit seinen beiden Grand-Prix-Erfolgen von Pole aus binnen acht Tagen hat Leclerc Vettel in der Gesamtwertung auf jeden Fall überholt, er ist auf Platz vier vorgerückt, hat nun 182 Punkte. Vettel - seit mehr als über einem Jahr schon ohne Sieg - bleibt als Fünfter bei 169 Zählern. Er hat 115 Punkte Rückstand auf Hamilton. Unter normalen Umständen ist dem 34 Jahre alten Superstar der sechste Titel nicht mehr zu nehmen ist, Bottas hat als Zweiter 63 Punkte weniger.

Für Vettel nahm das Unheil in Monza nach der verkorksten Qualifikation mit Platz vier schnell seinen Lauf. Zunächst wurde er vom später starken Italien-Fünften Nico Hülkenberg im Renault überholt, konnte aber kontern. Wenig später leistete sich Vettel den folgenschweren Fehler: In der Ascari-Kurve drehte sich der gebürtige Heppenheimer und rutschte ins Gras.

Quer zur Fahrbahn rollte er auf den Asphalt zurück, Lance Stroll im Racing Point konnte nicht mehr ausweichen und rumpelte über den Frontflügel von Vettels Ferrari. "Er kam auf die Strecke zurück wie ein Idiot", schimpfte der Kanadier am Funk. Umgehend verdonnerten die Rennkommissare Vettel zu einer Zehn-Sekunden-Strafe, die er vor der Garage abbrummen musste. Das war's. Schon im Vorjahr hatte sich Vettel in Monza einen unnötigen Dreher geleistet.

Dass die Ferraristi nicht wieder sieglos aus Monza abreisen mussten, verdankten sie Leclerc - und einem Patzer von Bottas, der nach einem Fahrfehler von Hamilton zunächst an seinem Teamkollegen vorbeigerast war und gegen Ende immer näher an Leclerc rankam, ehe er beim Überrunden patzte und der Weg für den neuen Hoffnungsträger der Scuderia frei war. "Was für ein Rennen, ich war noch nie so erschöpft", sagte der Triumphator anschließend.

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