Groko-Streitpunkt SPD-Spitze einigt sich auf Konzept zur Grundrente

Finanzminister Olaf Scholz (l) und Sozialminister Hubertus Heil in Berlin. Foto: Bernd von Jutrczenka Foto: dpa

Die Finanzierung der geplanten Grundrente gehört zu den größten Streitpunkten der Koalition. Die SPD geht nun bei ihrem Prestigeprojekt in die Offensive. Ein von Anfang an umstrittenes Steuerprivileg soll zur Finanzierung abgeschafft werden.

 
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Berlin - Kurz vor der Europawahl hat sich die SPD-Spitze auf ein Finanzierungskonzept für die Grundrente geeinigt. Es verzichtet auf den umstrittenen Griff in die Rücklage der Rentenkasse und auf die von der CDU/CSU verlangte Bedürftigkeitsprüfung.

Zur Finanzierung der Milliardenkosten sollen höhere Steuereinnahmen durch das Streichen des Mehrwertsteuer-Privilegs für Hotel-Übernachtungen und durch die Einführung einer Finanztransaktionssteuer herangezogen werden. Beitragen sollen nach dem am Dienstagabend veröffentlichten Konzept auch eine Anpassung in den Sozialversicherungen und Mittel, die durch die Grundrente an anderer Stelle eingespart werden.

"Wir haben dafür gesorgt, dass das ordentlich gerechnet ist, und dass man das alles bezahlen kann - und zwar in guten und auch in schlechten Zeiten", sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) in der ARD-"Tagesschau". Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) betonte in der Sendung: "Am Ende des Tages geht es darum, dass die, die gearbeitet haben, tatsächlich in dieser Gesellschaft mehr Anerkennung bekommen und auch mehr verfügbares Einkommen." Zunächst hatten die ARD und das Redaktionsnetzwerk Deutschland über das Konzept für Menschen mit niedrigen Renten berichtet.

Von der Grundrente sollen demnach rund drei Millionen Menschen profitieren - zu 80 Prozent Frauen. Sie soll Anfang 2021 in Kraft treten. Die Kosten beziffern Heil und Scholz auf rund 3,8 Milliarden Euro im ersten Jahr. Bis 2025 sollen sie auf 4,8 Milliarden Euro steigen. Für Menschen mit geringen Einkommen wird die Rente ab 35 Jahren Arbeit, Kindererziehung und Pflege von Angehörigen um einen Zuschlag erhöht. Das Konzept rechnet vor, dass eine Friseurin, die 40 Jahre auf dem Niveau von 40 Prozent des Durchschnittslohns voll gearbeitet hat, derzeit auf eine monatliche Rente von 512,48 Euro komme - mit der Grundrente würden es 960,90 Euro.

Allerdings ist unklar, ob die SPD ihr Konzept durchsetzen kann. Die große Koalition streitet seit längerem darüber, ob es eine Grundrente mit oder ohne Bedürftigkeitsprüfung geben soll.

Die Union fordert im Gegensatz zur SPD, die Grundrente nur an Menschen auszuzahlen, die auch tatsächlich bedürftig sind. Sie hält eine Prüfung für notwendig und verweist auf den Koalitionsvertrag, der eine solche Regelung vorsieht. Zuletzt hatte etwa Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus gesagt, ohne eine solche Prüfung werde nicht gezielt denen geholfen, die es nötig hätten. "Das ist nur das Prinzip Gießkanne." Die CDU hatte sich zudem vehement dagegen gewandt, zur Finanzierung auf die Rücklagen der gesetzlichen Rentenversicherung zuzugreifen.

Zur Finanzierung sollen nun Einnahmen aus der erst noch einzuführenden europäischen Finanztransaktionssteuer mit 500 Millionen Euro beitragen. Weitere 700 Millionen Euro soll die Rückabwicklung der sogenannten Mövenpick-Steuer bringen.

Darunter versteht man das von der schwarz-gelben Bundesregierung 2009 beschlossene Steuerprivileg für Hoteliers. Der Mehrwertsteuersatz für Hotelübernachtungen wurde damals auf Druck der FDP von 19 auf 7 Prozent gesenkt. Ihren Namen verdankt diese Steuererleichterung dem Umstand, dass die FDP zuvor eine Millionen-Wahlkampfspende von einem Miteigentümer der Mövenpick-Hotelkette erhalten hatte.

Heil und Scholz hatten ein Konzept zur Finanzierung der Grundrente für den Mai angekündigt. Die SPD muss laut Umfragen bei der Europawahl mit herben Verlusten rechnen.

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