Großer Preis von Deutschland Fremdkörper Ferrari: Vettel sucht Ausweg in Hockenheim

Hat sich für den Heim-Grand-Prix viel vorgenommen: Ferrari-Pilot Sebastian Vettel. Foto: Ryan Remiorz/The Canadian Press/AP Foto: dpa

Für Sebastian Vettel ist Hockenheim etwas ganz Besonderes. Hier besuchte er vor 25 Jahren sein erstes Formel-1-Rennen. Hier hofft er noch immer auf seinen Premierensieg. Wird es Vettels letzte Chance beim Deutschland-Rennen?

 
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Hockenheim - Gefrustet von der Ferrari-Krise kann sich Sebastian Vettel den Traum von seinem Formel-1-Premierensieg in Hockenheim vielleicht nur noch in diesem Jahr erfüllen.

Dem Grand Prix von Deutschland droht die Streichung aus dem Rennkalender und der viermalige Weltmeister sieht sich seit Wochen immer wieder mit Abschiedsspekulationen konfrontiert. Zwölf Monate nach seinem Gefühlsabsturz auf dem Hockenheimring mit dem verschenkten Heimtriumph will Vettel sich und seine leidgeprüften Fans nun entschädigen. "Wir haben für letztes Jahr etwas wiedergutzumachen, vor allem ich", formulierte Vettel das unmissverständliche Ziel vor dem elften Saisonrennen am 28. Juli (15.10 Uhr/RTL und Sky).

Vettel war im vergangenen Jahr ganz dicht dran. 15 Runden vor dem Ende rutschte der Ferrari-Fahrer in Führung liegend auf nasser Strecke in der Sachskurve ins Kiesbett und krachte schließlich in die Streckenbegrenzung. Voller Frust hämmerte er nach seinem Fahrfehler wie wild auf sein Lenkrad. "Ich denke nicht die ganze Zeit daran, was im letzten Jahr passiert ist. Ich kehre nicht nach Hockenheim zurück und denke mir: 'Oh, hier habe ich es im letzten Jahr weggeschmissen'", meinte Vettel in der BBC.

Auf der Jagd nach Tausendstelsekunden halten sich Formel-1-Fahrer mit dem Blick in den Rückspiegel nicht lange auf. Sie müssen nach vorne schauen - Vettel muss nach vorne schauen. Schon 100 (!) Punkte Rückstand hat er in der WM-Wertung auf Spitzenreiter Lewis Hamilton im Mercedes, der 2018 von Vettels Aus profitiert hatte. Dass Vettel in seinem fünften Ferrari-Jahr wie einst sein Idol Michael Schumacher erstmals mit der Scuderia noch Weltmeister wird, wäre nicht weniger als ein PS-Wunder in Rot.

"So wundervoll das Rennfahren werden kann, so grausam kann es manchmal sein", befand Vettel, der aus dem vom Hockenheimring nur rund 40 Kilometer Luftlinie entfernten Heppenheim stammt.

Die Aussage könnte auch für die Hockenheimring-Betreiber gelten, denen 2020 die Streichung aus dem Formel-1-Kalender droht. "Es sollen 21 Rennen bleiben, Hanoi und Zandvoort kommen hinzu, also müssen Veranstaltungen rausfallen. So wie es aussieht, gehören Barcelona und Mexiko zu den Kandidaten, wir auch", sagte Geschäftsführer Georg Seiler der Deutschen Presse-Agentur. Die Formel 1 ist zum Zuschussgeschäft geworden. Eine Last-Minute-Rettung wie im vergangenen Jahr schließt der Hockenheimring-Boss aber nicht aus.

Die Formel 1 kann gnadenlos sein. Und in dieser Saison bekommt das Vettel, der 1994 mit Vater Norbert auf dem Hockenheimring seinen ersten Grand Prix in der Formel 1 vor Ort verfolgte, mit voller Wucht zu spüren. Entweder patzt Ferrari oder Vettel. Vor zwei Wochen in Silverstone verschuldete der 32-Jährige einen Auffahrunfall. "Ich mag es nicht geschlagen zu werden. Niederlagen tun weh", räumte Vettel ein.

Vettel hat noch immer kein Vertrauen in seinen Ferrari SF90, ihm fehlt der Wohlfühlfaktor in dem roten Rennwagen. Vor allem das Heck lässt dem Hessen keine Ruhe, es reagiert nach seinem Geschmack zu nervös. Ohne Erfolg versucht die Scuderia bisher, Balance in dem Auto herzustellen. Fremdkörper Ferrari. "Ich will Erfolg haben und ich will, dass das mit Ferrari klappt", beteuerte Vettel trotz aller Rückschläge.

In den vergangenen drei Rennen musste er sich jedoch jeweils auch Ferrari-Neuling Charles Leclerc geschlagen geben. Nur noch drei Punkte liegt der Monegasse in der WM-Wertung hinter dem Deutschen. Von Wachablösung in der Teamhierarchie wird insbesondere in Italien längst geschrieben. Zudem haben sich in den vergangenen Wochen die Unmutsbekundungen Vettels über den Status Quo der Formel 1 zu Spekulationen über seinen bevorstehenden Abschied verdichtet.

"Ich liebe das Rennfahren an sich, in der Startaufstellung zu stehen, zu sehen, dass so viele Menschen aufgeregt sind wegen dem, was wir zusammen machen", erwiderte Vettel auf all die Gerüchte. "Das gibt mir eine Menge Adrenalin und macht mich am Sonntagmorgen nervös, wenn ich aufwache."

Dieser Sonntag wird für Vettel zweifellos ganz speziell werden. Und vielleicht gelingt ihm ja wieder ein Abschiedskunststück wie 2013. Damals feierte er seinen einzigen Formel-1-Sieg in Deutschland ausgerechnet beim letzten Rennen auf dem Nürburgring. "Ich habe viele gute Erinnerungen an Hockenheim", sagte Vettel im Programmheft, "aber die schönste wird hoffentlich noch kommen."

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