Glanz und Elend der Barock: Buch des Historischen Vereins beleuchtet Wirken des Markgrafen Christian Ernst Markgraf Christian Ernst: Bayreuths Kriegsfürst

Der Herr der vier Kontinente, der Sieger über die Türken: Mit dem Markgrafenbrunnen setzte Christian Ernst sich und seinem Herrschaftsprogramm ein Denkmal. Foto: Harbach Foto: red

Ein barockes Leben: Markgraf Christian Ernst (1644 -1712) wollte auf der ganz großen Bühne mitspielen – und trieb Bayreuth in den Ruin. Ein neues Buch des Historischen Vereins berichtet von einem Mann inmitten von Krisen, Umbrüchen und Flüchtlingsströmen - eine mitunter irritierend modern wirkende Geschichte.

 
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Der Dichter wusste, was er seinem Auftraggeber schuldig war. Und so lobte Sigmund von Birken den jungen Fürsten in höchsten Tönen. „Er wird sein ein anderer Titus, eine Wollust der Menschen, ein Vatter des Vatterlands“, pries Birken den Markgrafen Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth, nicht ohne den Herrscher aufs untertänigste zu ermahnen: „Es ist ein schändlich Ehrenlob, das mit Menschenblut geschrieben wird.“ Der Fürst nahm das Lob entgegen – und sah über die Ermahnung gnädig hinweg. Er sollte als Bayreuths Kriegsfürst in die Geschichte eingehen.

Doch erst seit kurzem beschäftigen sich wieder Forscher mit Christian Ernst von Brandenburg-Bayreuth (1644 bis 1712). Dabei spiegeln sich in seinem Leben noch deutlicher als bei der ungleich bekannteren Wilhelmine Glanz und Elend des Barock: Zu Beginn von Christians Ernsts Leben tobte noch der Dreißigjährige Krieg. Als er in der Blüte seiner Jahre stand, schlug Europa die Türken zurück. Als sich sein Leben dem Ende zuneigte, zerfleischte sich der Kontinent im spanischen Erbfolgekrieg.

Der ideale Fürst

In seiner Prunksucht und Abenteuerlust, aber auch in seinem Drang zur Entwicklung des Landes und zur Erziehung der Untertanen verkörperte er seine Epoche. Auch in seiner Selbstüberschätzung und seinem Scheitern. „Wie nur wenige andere Persönlichkeiten seiner Zeit evoziert Christian Ernst das Bild des idealen Barockfürsten“, stellen Rainald Becker und Iris von Dorn fest, die Herausgeber eines Bandes, der die Ergebnisse einer Tagung zu Christian Ernsts 300. Todesjahr 2012 zusammenfasst.

Die Autoren des Bandes malen den Markgrafen in deutlich helleren Farben als noch Rainer Trübsbach in seiner „Geschichte der Stadt Bayreuth“. Dabei endete Christian Ernsts Karriere als Feldherr ruhmlos. Als er starb und schließlich in der Gruft der Stadtkirche beigesetzt wurde, war Bayreuth ruiniert. Doch gilt er als einziger Markgraf von reichsweiter Bedeutung: Den Namen des Franken, der sich in zahllosen Schlachten für den Kaiser geschlagen hatte, kannte man zwischen Holstein und Tirol.

Das war mehr als Schall und Rauch. Renommee war Staatsraison. Wer in diesem Wettbewerb mithalten wollte, musste sich bis zum Ruin verausgaben. Den Takt gab Ludwig XIV. von Frankreich vor, der Sonnenkönig. Übrigens auch wortwörtlich: Nach dem Vorbild des Franzosen tanzten die Fürsten gerne Ballett. Auch Christian Ernst: Er gab als Tänzer sogar mal die Fruchtbarkeitsgöttin und einen fränkischen Bauern.

Der Kriegsherr

Auch militärisch eiferte man dem kriegerischen Franzosen nach: Mehr dem Mars als den Musen zugetan, hob der Markgraf immer neue Truppen für das Kriegstheater Europas aus. Allerdings meist gegen sein Vorbild Ludwig. Chancen, sich zu empfehlen, gab es genügend. 1683 etwa waren die Osmanen nach Österreich vorgerückt, um Wien zu erobern. Wochenlang tobte ein erbitterter Stellungskrieg um die Mauern der schwer bedrängten Stadt. Bis Hilfe kam: Eine Allianz westlicher Fürsten schlug die überraschten Türken entscheidend.

Mitten im Schlachtgetümmel focht Markgraf Christian Ernst. Sich ganz als der kühle Schlachtenlenker gebend, schrieb er nach gewonnener Schlacht an seine Gattin: Man habe nicht mehr als vier- oder fünfhundert Mann verloren, „weiln die Türken sich so sehr über Hals und Kopf retirieret haben“.

Noch heute kennen die Bayreuther Christian Ernst als Brunnenfigur: Vor dem Neuen Schloss ist er zu sehen, wie er einen Türken niederreitet – es wirkt, als habe Christian Ernst den Krieg im Alleingang gewonnen. Aus dem Krieg brachte er Andenken mit, erbeutet im feindlichen Lager. Unter anderem: „Ein türkisches, sehr schön geschriebenes Gebetbuch, welches Marggraf (!) Christian Ernst nach dem Entsatz von Wien den 2. Sept. als eine Beute seiner Hofbibliothek einverleibt hat.“

Der bayerische Historiker Andreas Kraus sah den Markgrafen noch als Kriegsjunkie. „Nicht weniger als dreißig Feldzüge verzeichneten die Kreistruppen zwischen 1683 und 1714, wobei vor allem der ehrgeizige Kreisobrist Markgraf Christian Ernst sich auszeichnete, der sein Land rücksichtslos als militärische Hilfsquelle ausbeutete.“ Nicht für Geld oder Gebiete wohlgemerkt, nur für Titel und Orden legte sich Christian Ernst ins Zeug. 1691 wurde Christian Ernst zum Generalfeldmarschall ernannt, aber schon bald wieder von seinem Kommando abgelöst: Das Talent reichte nicht zum großen Feldherrn.

Auch ganz am Ende stand eine Ablösung vom Posten. 1707, mitten im spanischen Erbfolgekrieg, verfiel Christian Ernst als Kommandeur in Panik und räumte vorschnell eine Stellung, die den Franzosen den Weg ins Reich versperrt hatte. Ludwigs Truppen plünderten Süddeutschland aus, allein für Franken und Schwaben wird die Beute auf astronomische 9 Millionen Gulden geschätzt. Der dabei angerichtete Schaden war noch höher. Kurz darauf berief ihn der Kaiser ab.

Der Bauherr

Als Kunstmäzen machte sich Christian Ernst einen Namen, etwa als Förderer auch von Sigmund von Birken, der zu den bekanntesten Poeten seiner Zeit zählte. Stärker jedoch prägte Christian Ernst sein Land als Entwickler und Bauherr. Schon 1664 hatte er in Bayreuth ein Gymnasium gestiftet das noch heute seinen Namen trägt: das Christianum-Ernestinum. Bauen gehörte zum Leben eines absoluten Barockfürsten wie die Perücke. Die Schlosskirche mit ihrem markanten Turm geht auch auf Christian Ernst zurück. 1686 legte er noch den Grundstein für seinen Ruhm als Städtegründer: Er ließ Erlangens neue Stadt anlegen, eine sorgfältig geplante Siedlung, die Religionsflüchtlingen Aufnahme gewähren sollte: Hugenotten, reformierten Christen aus Frankreich. Christian Ernst erhoffte sich Reichtum von den Asylanten und legte sich dafür auch mit seiner eigenen lutherisch gesonnenen Geistlichkeit an. Die calvinistischen Flüchtlinge stellten die Gesellschaft vor Herausforderungen – so wie auch die Flüchtlinge heute.

Der Schutzherr

Auch anderen Außenseitern gewährte der gereifte Fürst seinen Schutz: den Juden. Diesem Aspekt der christian-ernestinischen Politik widmet Bezirksheimatpfleger Günter Dippold im neuen Band des Historischen Vereins für Oberfranken einen Aufsatz: „Der barocke Fürst gefiel sich in der Geste des Protektors, zeigte sich fasziniert vom Hebräischen und von kabbalistischer Mystik und zelebrierte bisweilen geradezu die Verachtung, die er für das bürgerliche und geistliche Vorurteil gegen die Juden hegte.“

Der Landesherr

Christian Ernst nahm seine Aufgaben als Landesherr ernst – indem er sich um eine gute „Policey“ bemühte. Damit war seinerzeit nicht die Truppe der Ordnungshüter gemeint, sondern die Ordnung des Gemeinwesen. Christian Ernst disziplinierte die Seinen, er verordnete ihnen Gebete, verbot das Tanzen zu nächtlicher Stunde, schränkte das Glücksspiel ein und setzte den ausufernden Hochzeitsfeierlichkeiten Grenzen, so fürsorglich und streng wie ein echter „Landesvatter“: „Wir ordnen und setzen auch ferner, dass hinfüro keine Hochzeit und in Städten und aufm Lande länger als zween Tage zu währen“ habe und dass auch „auf die zween Tage jedes Mahls nur eine Mahlzeit angerichtet“ werde. In seinem eigenen Haus verfing die Ordnung weniger: Seine zweite Gattin war spielsüchtig, ihre Schulden belasteten den Staatshaushalt zusätzlich. So mies waren die Finanzen, das Christian Ernst sogar einen Goldmacher bemühte.

"Schier in die Kindheit gerathen"

Was bleibt? Ruinöse Kosten und überschaubarer Nutzen. „Von der Anlage her empfindsam, durchschnittlich begabt, mit ausgeprägt hohem Selbstgefühl, fehlten ihm aber doch geistige Beweglichkeit, schöpferische Kraft und die Fähigkeit, persönliche Möglichkeiten und Kräfte des kleinen Landes realistisch einzuschätzen.“ Schreibt Trübsbach. Es ging ihm doch vor allem um die „höhere Ehr und Reputation“. Dass einer nur auf Anerkennung schielte, war dem Kaiser recht. Am Ende brachte dem Markgrafen alle Loyalität nichts. Nach seinem militärischen Desaster betrieb der Kaiser selbst die Ablösung des „guten alten, schier in die Kindheit gerathenen Markgrafen von Bareith“.

Tief verletzt verbrachte Christian Ernst seine alten Tage in Erlangen, beherrscht von seiner dritten Gattin. Kein Titus, keine „Wollust der Menschen“, kein Kriegsheld mehr, eher ein Pantoffelheld. Wohl der Grund, weswegen heute keine Dichter mehr von ihm künden, sondern die Historiker – das allerdings in einem lesenswerten Band.

INFO: „Politik – Repräsentation – Kultur“ heißt der Band, der die Ergebnisse eines Symposiums in Bayreuth zusammenfasst. Wie auch bei der Tagung arbeiten der Historische Verein für Oberfranken und Universität zusammen. Christian Ernsts militärische Laufbahn und seine Verwicklung etwa in den Spanischen Erbfolgekrieg kommen nur am Rande vor, die 13 Autoren beleuchten den Markgrafen vielmehr als zentrale Persönlichkeit im Hofzeremoniell, in der Kultur und Diplomatie, aber auch als Landesherr und Bildungspolitiker. 300 Seiten, Illustrationen. Erhältlich ist das Buch unter der Bestellnummer ISBN 978-3-9816862-0-3 für 19,80 Euro.

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