Gericht kippt Kopftuch-Verbot

Archivfoto: dpa Foto: red

Eine Richterin, die beim Urteil nicht nur Robe, sondern auch Kopftuch trägt, ist bislang undenkbar. Das Augsburger Verwaltungsgericht entschied nun, dass zumindest Referendarinnen nicht das Kopftuch verwehrt werden darf - auch wenn sie auf der Richterbank sitzen.

 
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Jahrelang waren Kopftücher von muslimischen Lehrerinnen in Deutschland ein Reizthema. Dann machte das Bundesverfassungsgericht damit Schluss und entschied, dass ein pauschales Kopftuchverbot in öffentlichen Schulen unzulässig ist. Nun könnten die Kopftücher auch in die Gerichtssäle einziehen: Das Verwaltungsgericht Augsburg hat am Donnerstag festgestellt, dass auch bayerischen Rechtsreferendarinnen das Kopftuch nicht untersagt werden darf.

Die Augsburger Richter gaben damit der Klage einer Studentin recht, die sich gegen Auflagen gewehrt hatte. Das Münchner Oberlandesgericht (OLG) hatte ihr im Herbst 2014 bei der Einstellung in den sogenannten Vorbereitungsdienst der Justiz Vorgaben gemacht, wonach sie bei gewissen Tätigkeiten kein Kopftuch tragen dürfe. Diese Arbeiten blieben der 25-Jährigen dadurch in ihrem Referendariat am Augsburger Amtsgericht verwehrt.

Der Fall war Neuland, obwohl bereits Anfang 2008 ein entsprechendes Schreiben des bayerischen Justizministeriums an die Gerichte ging. Die Justiz wolle nicht, «dass Rechtsreferendarinnen auf der Richterbank oder sonst bei Ausübung hoheitlicher Tätigkeiten ein Kopftuch tragen», erklärt eine Ministeriumssprecherin die Verordnung. Also auch wenn die angehenden Juristen die Staatsanwaltschaft in einer Verhandlung vertreten oder Zeugen vernehmen, geht das demnach nur ohne Kopftuch.

Bereits mehrere Referendarinnen haben in der Vergangenheit diese Auflagen bekommen. Für sie gilt dann: Entweder das Tuch abnehmen, oder eine Verhandlung vom Zuschauerraum des Gerichtssaals verfolgen - während die anderen Referendare vorne beim Richter sitzen.

Erst die 25-jährige Augsburgerin zog gegen die Regelung vor Gericht. Zudem hat sie inzwischen Amtshaftungsklage gegen den Freistaat eingereicht und verlangt 2000 Euro Schmerzensgeld, weil sie sich diskriminiert fühlt. «Ich hatte das Gefühl, dass ich schon mit einer gewissen Stigmatisierung eingestellt werde», sagte sie in dem Verfahren. Einmal habe sie ein Rechtsanwalt sogar darauf angesprochen, warum sie nicht am Richtertisch sitze.

Die Verwaltungsrichter bemängelten, dass die Auflagen für die Frau ohne ausreichende Rechtsgrundlage gemacht worden seien. In Bayern gebe es kein Gesetz, welches Rechtsreferendare zu einer weltanschaulich-religiösen Neutralität verpflichte, urteilten sie. Insbesondere bei Eingriffen in Grundrechte wie die Religionsfreiheit sei ein Parlamentsgesetz nach den Vorgaben des Verfassungsgerichtes in Karlsruhe notwendig. (Aktenzeichen: Au 2 K 15.457).

Bayern will die Entscheidung jedoch nicht hinnehmen. Justizminister Winfried Bausback (CSU) kündigte umgehend eine Berufung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof in München an. «Ich will nicht, dass Rechtsreferendarinnen auf der Richterbank, beim staatsanwaltschaftlichen Sitzungsdienst oder bei sonstigen hoheitlichen Tätigkeiten ein Kopftuch tragen», stellte er klar. Alle Beteiligten müssten bei Prozessen «auf Unabhängigkeit und Neutralität der Dritten Gewalt vertrauen können», dies gelte auch für Referendare.

Kopftücher hatten in der Vergangenheit immer wieder die Gerichte beschäftigt, doch meistens ging es um Lehrerinnen, da für staatliche Schulen ein ähnliches Neutralitätsgebot gilt wie für Gerichte. Ein allgemeines Kopftuchverbot sei nicht mit der vom Grundgesetz auch den Pädagoginnen garantierten Glaubens- und Bekenntnisfreiheit vereinbar, entschied das Bundesverfassungsgericht Anfang 2015 in einem Rechtsstreit um das nordrhein-westfälische Schulgesetz.

Das Augsburger Urteil könnte nun das Thema Justiz und Kopftuch mehr in den Fokus rücken, auch wenn dies noch nicht heißt, dass künftig Staatsanwältinnen und Richterinnen Kopftücher tragen dürfen. Ein ähnlicher Fall hatte vor einem Jahr schon die Berliner Behörden beschäftigt. Eine Muslimin wollte damals im Bezirksamt Neukölln ihr Referendariat absolvieren, erhielt aber ebenfalls Auflagen, wonach sie als Vertreterin des Rechtsamtes keine «hoheitlichen Aufgaben mit Außenwirkung» übernehmen dürfe. Die Frau verzichtete daraufhin auf die Stelle und ging zu einer anderen Behörde.

dpa

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