Warum der Erdkern immer langsamer rotiert - und die Folgen
Geologie der ErdeWarum der Erdkern immer langsamer rotiert - und die Folgen
Markus Brauer 17.06.2024 - 12:11 Uhr
Forscher haben eine überraschende Entdeckung gemacht: Der Kern der Erde dreht sich seit einigen Jahren zunehmend langsamer als die Erdoberfläche. Was bedeutet das? Und welche Folgen könnte dies haben?
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Geologisch betrachtet ist die Erde aus drei Schalen aufgebaut: dem Erdkern, dem Erdmantel und der Erdkruste. Knapp 71 Prozent der Oberfläche des Blauen Planeten sind von Wasser bedeckt. Der Rest ist – wie ein Kuchen mit Puderzucker – mit einer Bodenkruste überzogen. Einer wenigen Millimeter bis einige Meter dünnen Schicht, die Geologen auch als Pedosphäre bezeichnen (von griechisch „pédon“, Erdboden). Sie breitet sich überall dort zwischen der Gesteinsschicht (Lithosphäre) und Biosphäre aus, wo nicht nackter Feld zutage tritt.
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Doch was verbirgt sich unter diesem geologischen Puderzucker? Und welche Prozesse laufen im Erdinnern ab?
Erdkern: In der Tiefe der Erde ist die Hitze ihres planetarischen Geburtsvorgangs erhalten geblieben. Dies sorgt im inneren Erdkern für Temperaturen von 5000 bis 6000 Grad Celsius – so heiß wie auf der Oberfläche der Sonne. Der Erdkern hat einen Radius von circa 3500 Kilometer und besteht aus Eisen und Nickel, die durch den großen Druck jedoch in festem Zustand sind.
Erdmantel: Der Kern wird vom Erdmantel umgeben, der nach außen 2900 Kilometer mächtig ist. Dieser besteht aus festem Gestein aus magnesium- und eisenreichen Silikat-Mineralien mit einem hohen Anteil an Eisen und Magnesium.
Asthenosphäre: Der als Asthenosphäre bezeichnete obere Bereich des Erdmantels ist 1000 bis 1400 Grad Celsius heiß.
Lithosphäre: Über der Asthenosphäre befindet sich die Lithosphäre. Diese ist 100 bis 200 Kilometer mächtig und umfasst neben der obersten, festen Schicht des Erdmantels die Erdkruste – die feste, spröde Oberfläche der Erde.
Erdkruste: Die äußere Hülle des Erdkörpers wird von der relativ dünnen (5 bis 70 Kilometer) Erdkruste gebildet. Diese besteht ebenfalls vorwiegend aus Silikaten und Oxiden, jedoch mit geringerem Eisen- und Magnesium-Anteil sowie einem erhöhten Anteil an Aluminium und Elementen.
Wie schnell rotiert der Innenkern?
Lange ging man davon aus, dass sich der Erdkern ein wenig schneller dreht als der Rest des Planeten. Um rund ein Grad pro Jahr, so lauteten die Schätzungen, ist er den anderen Erdschichten voraus. Seit einigen Jahren registrieren seismische Messungen allerdings Abweichungen von dem bisher angenommenen Rotationstempo. Hat der Erdkern seine Drehung etwa verlangsamt?
Um diese Frage zu beantworten, haben Wei Wang vom Institut für Geologie und Geophysik in Peking und sein Team neuere seismische Daten analysiert. Dabei handelt es sich um 143 Paare von Bebenwellen, die zwischen 1991 und 2023 von sich wiederholenden Erdbeben vor der Südspitze Südamerikas ausgingen.
Die Untersuchungen bestätigen, dass der Erdkern tatsächlich sein Rotationstempo verändert hat. „Als ich die Seismogramme sah, war ich zunächst verblüfft“, berichtet Koautor John Vidale von der University of Southern California. „Aber als wir dann zwei Dutzend weitere Paare mit dem gleichen Muster fanden, war das Ergebnis eindeutig: Der innere Erdkern hat sich zum ersten Mal seit vielen Jahrzehnten verlangsamt.“
Den Analysen zufolge rotiert der Erdkern seit mehr als 40 Jahren stetig langsamer als der Rest des Planeten. „Die steilere Kurve vor 2005 verglichen mit nach 2015 zeigt, dass der Innenkern-Bewegungstrend in der späteren Periode zweieinhalbmal langsamer und richtungsverkehrt verläuft“, erklärt Wang.
Erst schneller, jetzt langsamer als der Rest der Erde
„Unsere Beobachtungen liefern damit den bisher eindeutigsten Beleg dafür, dass der innere Erdkern sich relativ zum Rest des Planeten bewegt und dass er stetig langsamer rotiert“, schreiben die Forscher. „Die westwärts gerichtete Sub-Rotation entwickelte sich dabei nur halb so schnell wie der letzte Teil der ostwärts gerichteten Superrotation.“
Doch was sind die Ursachen für diesen Prozess? Möglicherweise könnten Wechselwirkungen mit den Strömungen im flüssigen äußeren Erdkern die Rotation verlangsamen, vermuten die Wissenschaftler. Ein weiterer Grund könnten Schwerkrafteffekte des massereichen Erdmantels sein.
Und wie wirkt sich die verlangsamte Kern-Rotation auf die Rotation der gesamten Erde aus, etwa auf die irdische Tageslänge? „Das ist sehr schwer nachzuweisen, weil es hier um tausendstel Sekunden geht“, erklärt John Vidale. „Das geht im Störrauschen durch die Bewegungen der Ozeane und Atmosphäre nahezu unter.“
Info: Wie viel wiegt die Erde?
Gravitationsformeln Kann man das Gewicht der Erde angesichts ihrer unvorstellbaren Masse überhaupt berechnen? Wie man mithilfe mathematischer Gleichungen und Konstanten (wie beispielsweise dem Radius der Umlaufbahn eines Planeten oder seiner Geschwindigkeit) die Masse eines Objekts im Weltraum in Kilogramm berechnet, ist äußerst komplex. Doch mit Hilfe der sogenannten Gravitationsformeln lässt sich die Masse der Erde, ja sogar der Sonne messen. Wissenschaftler haben das versucht und sind zu folgenden Ergebnissen gekommen:
Gewicht der Erde Die Masse der Erde beträgt 5,975 x 10 hoch 24 Kilogramm (das sind eine Million Milliarden Milliarden) oder 5,975 Trilliarden Tonnen.
Gewicht des Mondes Damit wiegt der Blaue Planet 81 Mai mehr als der Mond, der 7,348 x 10 hoch 22 Kilogramm schwer ist.
Gewicht der Sonne Die Masse der Sonne beträgt 332 946 Erdmassen oder 1,9891 x 10 hoch 30 Kilogramm. Das sind 1,9891 Quadrilliarden Tonnen.