Geheimnis der toten Vögel

Von Christina Holzinger
Nachwuchs ist bei Rebhühner selten geworden. In den vergangenen 20 Jahren ist der Bestand auf ein Viertel geschrumpft. Foto: Red/Archiv Foto: red

Heute leben im Vergleich zu vor 20 Jahren nur noch jeder zweite Vogel und jedes zehnte Insekt. Gründe dafür sieht Phillipp Wagner, Leiter der Bezirksgeschäftsstelle des Landesbund für Vogelschutz, im schwindenden Lebensraum, dem geringeren Nahrungsangebot. Und Katzen.

 
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„Europaweit merken wir einen starken Artenrückgang in den letzten Jahren“, sagt Phillipp Wagner, der Leiter der Bezirksgeschäftsstelle des Landesbund für Vogelschutz in Bayreuth. Manche Vogelarten seien in Oberfranken kaum mehr zu finden.

Modernisierte Landwirtschaft

Bodenbrütende Vogelarten wie der Kiebitz leiden unter der Modernisierung der Landwirtschaft. „Schuld sind Monokulturen wie Mais“, sagt Wagner. Im Vergleich zu früher verzichten die Landwirte immer häufiger auf einen Grünstreifen rund um die Felder und um die Bewässerungsgräben. Und damit fehlt wichtiger Lebensraum für die Vögel.

Doch nicht nur die Vögel leiden unter den Veränderungen in der Landwirtschaft: In den vergangenen Jahren ging auch der Bestand mancher Insektenarten um bis zu 90 Prozent zurück. Grund dafür seien Insekten- und Unkrautgifte, die vermehrt eingesetzt haben, so die Antwort auf eine kleine Anfrage der Grünen an die Bundesregierung.

Zu viele Räuber, zu wenig Beute

Durch den Rückgang der Insekten hätten die Vögel weniger zu fressen. „Die Vögel haben auf der einen Seite zu wenig zum Futtern, um Nachwuchs hochzuziehen und auf der anderen Seite fressen Feinde den Nachwuchs“, sagt Wagner. Ein Teufelskreis. Wagner sieht in der Hauskatze einen der Hauptgründe für den massiven Artenrückgang im Vogelreich. „In Deutschland leben rund acht Millionen Hauskatzen und wenn jede Katze einmal im Monat einen Vogel frisst, sterben acht Millionen Vögel“, sagt er. Anders als Fressfeinde wie Waschbären und Füchse jagen Katzen nicht aus Überlebensgründen: „Katzen jagen nicht, um satt zu werden, sondern fressen daheim ihr Katzenfutter.“

Iris Fuchs, Fachbereichsleiterin des Veterinäramtes im Landkreis Bayreuth, sieht im Vogelsterben ein globales Problem, das nicht allein „dem Stubentiger zugeschrieben“ werden könne: Der veränderte Lebensraum, Insektensterben, das Verhalten der Zugvögel und ein tödlicher Virus bei Amseln beeinflusse das Überleben der Vögel stärker als das Fressverhalten von Katzen. Sie mahnt, dass eine regionale Analyse zwar wichtig sei, bei einem komplexen Thema wie dem Vogelsterben jedoch die Zusammenhänge auf der ganzen Welt beachtet werden müssen, da auch die Vogelgrippe ein wichtiger Grund für den Rückgang der Vögel sein könne.

Lebensraum wird zubetoniert

Der „Katzenpapst“ Dennis Turner, Direktor des Schweizer Instituts für angewandte Ethnologie und Tierpsychologie, weist diesen Vorwurf entschieden zurück: „Sicher fressen Katzen auch Vögel, aber Studien, die versuchen, der Katze eine Hauptschuld an dem Artenrückgang zu geben, berücksichtigen nie weitaus wichtigere Faktoren wie Landüberbauung und die steigende Zahl exotischer Pflanzen in den heimischen Gärten.“ Für ihn sei der Verlust der gewöhnten natürlichen Umgebung der Hauptgrund für den Artenrückgang.

Auch der bayerische Bauernverband sieht in dem Artenrückgang andere Ursachen, wie der Pressesprecher Markus Peters erklärt: „Allein 2016 haben bayerische Bauern rund 2200 Kilometer Randstreifen an Gewässern, Feld- oder Waldrändern angelegt.“ Dies entspreche einer Strecke von Gibraltar und Hamburg. Genug Lebensraum also für Vögel also. Theoretisch. BLV-Mann Wagner ist das zu wenig. Es fehlten „Säume um Felder und Bewässerungsgräben“, beklagt er. Aber in einem sind sich Bauern und Vogelschützer einig: Die Landüberbauung sei eine der Hauptfaktoren des Artenrückgangs, denn täglich würden „18 Hektar Lebensraum für Baumaßnahmen, Netzausbau und Hochwasserschutz zubetoniert“. Erst wenn der Flächenverbrauch sinke, könne der Artenschutz auch funktionieren.   

Info: Seit 1990 werden 80 Prozent weniger Kiebitze, 61 Prozent weniger Braunkehlchen, 35 Prozent weniger Feldlerchen und 84 Prozent weniger Rebhühner verzeichnet.

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