Geflüchtete Wenn Schicksale auf Bürokratie treffen

Peter Rauscher
Rund 150 Menschen, überwiegend Geflüchtete aus der Ukraine, hatten bei der Informationsveranstaltung von Stadt und Jobcenter viele Fragen Foto: Peter Rauscher

Der Umgang mit der deutschen Bürokratie ist für geflüchtete Menschen aus der Ukraine eine Herausforderung. Eine Gesetzesänderung sorgt für zusätzliche Verunsicherung.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Die meisten Geflüchteten aus der Ukraine erhalten ab 1. Juni Unterstützung nicht mehr vom Sozialamt, sondern vom zuständigen Jobcenter. Die bevorstehende Umstellung aufgrund einer Gesetzesänderung sorgt für große Unsicherheit bei den Betroffenen, die nun neue Anträge stellen müssen. Warum niemand Angst vor Nachteilen haben muss, erklärten Vertreter der Stadt Bayreuth und des Jobcenters bei einer Veranstaltung in Bayreuth.

„Lasst euch nicht verrückt machen“

„Lasst Euch nicht verrückt machen.“ Diesen Satz sagte Ibukun Koussemou, Integrationslotse der Stadt Bayreuth, gleich mehrfach an diesem Abend. Denn von den rund 150 Zuhörern, überwiegend vor dem Krieg geflüchtete Frauen und ihre Betreuer, prasselten die Fragen nur so nieder auf die Vortragenden. Außer Koussemou war dies vor allem Jürgen Bayer, Geschäftsführer des Jobcenters Bayreuth.

Jobcenter ab 1. Juni zuständig

Bayers Botschaft war klar: Der Wechsel ins Jobcenter ab 1. Juni betrifft zunächst alle Geflüchteten aus der Ukraine, die noch nicht Rentner sind (für die bleibt das Sozialamt zuständig) und die schon einen Aufenthaltstitel oder die so genannte Friktionsbescheinigung vom Ausländeramt haben, also eine vorläufige Aufenthaltserlaubnis. Diese Menschen sollten umgehend den sechsseitigen Kurzantrag beim Jobcenter stellen, in lateinischer Schrift, dabei eine Kontoverbindung haben und ebenso ein Namensschild am Briefkasten, sagte Bayer. Änderungen wie Adresswechsel sollten sie umgehend mitteilen. Ab 27. Mai, wenn das Gesetz in Kraft tritt, dürften die Jobcenter die Anträge bearbeiten. Dies werde etwas dauern. Ibukun Koussemou sagte, normalerweise könnten das sechs Monate sein, die Ukrainer könnten aber mit einem Bescheid binnen zwei bis drei Wochen rechnen.

Mehr oder weniger Geld?

Alle Unklarheiten über die Bürokratie waren damit aber bei weitem nicht beseitigt, die Übersetzer vom Ukrainischen ins Deutsche und umgekehrt bekamen reichlich zu tun. Gibt’s also übers Jobcenter künftig mehr oder weniger Geld als vom Sozialamt? fragte eine Zuhörerin. Bayer schüttelte mit dem Kopf, wollte aber keine Beträge nennen, weil der jeweilige Zahlbetrag vom Einzelfall abhängt. Der Regelbedarf in der Grundsicherung beträgt für Alleinlebende 449 Euro, für Kinder bis sechs Jahren 285 Euro, auch die Miete wird bis zu einem bestimmten Satz übernommen.

„Wir tun unser Bestes“

Viele Fragen drehten sich um die Friktionsbescheinigung oder die Aufenthaltserlaubnis für Ukrainer, die das Ausländeramt in vielen Fällen noch immer nicht erteilt hat. „Wir tun unser Bestes, das rasch zu machen“, versicherte Koussemou. Bayer stellte klar: Die Anträge könnten auch vorher schon gestellt werden, der Bescheid kann aber erst nach Einreichen dieser Papiere erstellt werden.

Der Einwand einer jungen Frau, Polizistinnen wie ihr sei es verboten, eine Arbeit in einem anderen Land als der Ukraine anzunehmen, sie könne sich deshalb nicht beim Jobcenter arbeitssuchend melden, stieß zunächst auf Ratlosigkeit. Fragen wie diese müssten in einer Einzelfallberatung geklärt werden, sagte Koussemou. Ebenso die Frage einer jungen Frau, ob sie als Vormund für ihren Bruder auch Hilfe bekommt.

Rückforderung möglich

Nachdem eine Besucherin wissen wollte, ob die deutschen Sozialbehörden ihre Daten mit ukrainischen Behörden austauschen, warnte der Integrationslotse vor falschen Angaben beim Antrag zum Vermögen und dem Verdienst des Ehemannes. Dann müssten die Antragsteller mit Rückforderungen rechnen. Grundsätzlich sei es nicht nur erlaubt, sondern erwünscht, dass die Antragsteller selbst in Deutschland arbeiten. Vom Bundesamt für Migration gebe es Gutscheine für Sprachkurse, die auch ehrenamtlich angeboten werden, das Jobcenter sei auch für die Arbeitsvermittlung für Geflüchtete zuständig. Vor allem Lehrer aus der Ukraine suche die Stadt gerade dringend.

Reisen, Rente, Krankheit

Ja, man dürfe reisen ins europäische Ausland und auch in die Ukraine und wieder zurück, um etwa Verwandte nachzuholen, müsse aber das Jobcenter vorher informieren, erfuhren die Fragesteller; und dass man in der Erstaufnahmeeinrichtung noch keinen Antrag im Jobcenter stellen sollte, weil man ja keine Postadresse hat, und dass man in Deutschland bis 66 Jahre arbeiten muss, um Rente zu bekommen; und dass es mit der Krankenversicherung übers Sozialamt etwas komplizierter ist als übers Jobcenter und, und, und. „Lasst Euch nicht verrückt machen“, beschwor Koussemou wieder und wieder die Zuhörerschaft. Es wurde ein langer Abend.

Infos im Internet

Knapp 2000 Geflüchtete aus der Ukraine sind in Stadt und Landkreis Bayreuth registriert. Das Landratsamt Bayreuth hat Helfer und Gemeinden Ende April über die bevorstehende Umstellung informiert. Informationen über die bevorstehende Umstellung gibt es die Stadt Bayreuth unter : www.jobcenter-bayreuth-stadt.de/aktuelles/antragstellung-auf-arbeitslosengeld-ii-fuer-ukrainische-gefluechtete:

Landkreis Bayreuth: https://www.jobcenter-bayreuth-land.de/leistungen/ukraine/

Bilder