Gefährliches Wetterphänomen Was tun, wenn ein Tornado kommt?

Hanna Spanhel
Zwischen 20 und 60 Tornados werden jedes Jahr in Deutschland entdeckt – und einige können enorm gefährlich werden. Foto: Adobe Stock/Oliver Henze

Das Wetterphänomen ist hierzulande selten – doch ein Tornado kann extrem gefährlich werden. Deutschland sei auf solche Situationen schlecht vorbereitet, kritisieren Fachleute nun. Wie viel Zeit im Notfall bleibt – und wie man sich schützen kann.

 
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Gefährliche Tornados haben am vergangenen Freitag im Osten von Nordrhein-Westfalen massive Zerstörungen angerichtet. Allein in Paderborn sind 43 Menschen verletzt worden, 13 von ihnen schwer. Die Ereignisse haben eine Debatte über Vorkehrungen und Schutz vor solchen Wetterphänomenen ausgelöst. Antworten auf die wichtigsten Fragen im Überblick.

Wie häufig und wo können Tornados in Deutschland auftreten?

Grundsätzlich können Tornados hierzulande überall auftreten – und das seien sie auch schon, sagt der Tornadobeauftragte des Deutschen Wetterdienstes (DWD), Andreas Friedrich. Es gebe in Deutschland – anders als in den USA – keine Tornado-Gassen, in denen die Wahrscheinlichkeit besonders hoch ist. Völlig ungewöhnlich sind diese Wetterphänomene hierzulande nicht: Zwischen 20- und 60-mal werden Tornados pro Jahr in Deutschland nachgewiesen, zahlreiche mehr bleiben wohl unentdeckt. Im Zuge des Klimawandels treten Tornados Friedrich zufolge zwar nicht unbedingt häufiger auf, könnten allerdings stärker werden.

Wie entsteht ein Tornado?

Tornados entstehen, wenn es zwischen Boden und höheren Luftschichten zu großen Temperaturunterschieden kommt. Genauer: Steigt feuchtwarme Luft auf und trifft dort auf trockene Kaltluft, dann bilden sich Gewitterwolken. Wird die aufsteigende Luft dann von Seitenwinden in Rotation versetzt, entsteht ein wirbelnder Wolkenschlauch. Dort, wo dieser Wolkenschlauch die Erde berührt, spricht man von einem Tornado. Er kann wenige Sekunden oder einige Minuten dauern. Tornados seien aus der Ferne an einem „Wolkenrüssel“ erkennbar, der aus einer Wolke nach unten ragt, so beschreibt es Friedrich. Und: Tornados seien immer extrem gefährlich.

So entsteht ein Tornado. Foto: dpa

Ist Deutschland schlecht auf Tornados vorbereitet?

Der Wetterexperte Jörg Kachelmann hat sich gegenüber dem „Spiegel“ entsprechend geäußert: „Der Paderborner Tornado war nicht einmal besonders stark, trotzdem sind die Opferzahlen unheimlich hoch. Das zeigt: Deutschland ist nicht vorbereitet.“ Es habe vorher bereits Warnungen gegeben, auch explizit vor Tornados. „Ich habe zwei Jahre in Oklahoma gelebt. Die Leute dort würden an seinem solchen Tag ständig in den Himmel gucken, einfach, um ihr Leben zu retten“, so Kachelmann. In den USA hätte man nach seiner Einschätzung auch kurz vorher in der Zugbahn des Tornados die Sirenen aktiviert und in allen Medien Livestreams geschaltet. Die Vorwarnzeit von 15 bis 30 Minuten reiche, um das Leben zu retten. „Das müssen wir auch in Deutschland etablieren, sonst wird es sehr gefährlich.“ Auch Tornadoexperte Andreas Friedrich sieht Deutschland nicht gut vorbereitet, denn: „Viele Menschen hier wissen gar nicht, wie sie sich verhalten sollen, wenn ein Tornado kommt“, sagt er. Das sei ein Problem.

Wie sieht es mit der Warn-Infrastruktur hierzulande aus?

Grundsätzlich liegt es im Katastrophenfall und bei Gefahrenlagen bei den Ländern, entsprechend zu warnen. Deutschlandweit hat sich aber zuletzt – vor allem im Zusammenhang mit der Hochwasserkatastrophe im vergangenen Jahr und bei einem Sirenen-Warntag – gezeigt, dass es kein flächendeckend funktionierendes Sirenen-Warnsystem gibt. Vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe heißt es dazu, der Bund habe „im Zuge der Neuausrichtung des BBK ein Sirenenförderprogramm in Höhe von 88 Millionen Euro geplant, das nach der Flutkatastrophe im Ahrtal im vergangenen Sommer startete, und auf das die Länder und Kommunen in hohem Maße zugreifen.“ Bis zum Februar 2023 soll demnach auch „Cell Broadcast“ in Deutschland eingeführt werden – darüber können Warnmeldungen an alle Mobilfunkgeräte in einem Abschnitt des Mobilfunknetzes verschickt werden.

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Wie lange im voraus ist es absehbar, dass ein Tornado im Anmarsch ist?

Wo genau ein Tornado entsteht, lässt sich kaum vorhersehen oder vorhersagen. Ob und wo ein Tornado entstehe, könne man auf dem Wetterradar oder mit Wettersatelliten nicht erkennen, sagt Andreas Friedrich. Die Vorlaufzeit betrage in der Regel zwischen fünf und 45 Minuten. „Am vergangenen Freitag wussten wir erst wenige Minuten vorher, dass sich ein Tornado in Richtung Paderborn bewegt“, sagt Andreas Friedrich vom Deutschen Wetterdienst. „Ein Nutzer hat über die Warn-Wetter-App eine Meldung abgesetzt, wir konnten dann noch eine entsprechende Warnung rausgeben.“

Was sollte man tun, wenn ein Tornado auftritt und näher kommt?

Anders als bei einem Gewitter sollte man in diesem Falle keinen Schutz im Auto suchen. „Am besten, Sie gehen schnurstracks in den Keller“, rät Andreas Friedrich. Habe ein Gebäude keinen Keller, könne man Schutz im Erdgeschoss und möglichst weit im Inneren des Gebäudes suchen. Auf der Straße zu bleiben ist nicht empfehlenswert: „Umherwirbelnde Trümmerteile sind eine tödliche Gefahr“, so Friedrich. Wer den Wolkenrüssel sehen könne, könne dem Tornado auch noch ausweichen, in dem man quer zur Zugrichtung gehe. Der Durchmesser eines Tornados ist nicht sehr groß, die Schneise der Verwüstung meist einige Hundert Meter breit. Wer nicht ausweichen könne, sollte sich im Freien – abseits von Siedlungen und Bäumen – in einer Mulde flach auf den Boden legen, mit dem Gesicht nach unten.

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