Wind trägt Krankheitserreger tausende Kilometer weit
Gefährliche MikrobenWind trägt Krankheitserreger tausende Kilometer weit
Markus Brauer/Stefan Parsch (dpa) 11.09.2024 - 13:26 Uhr
Bakterien und Mikropilze sind zwar äußerst klein, aber mit etwas Hilfe können sie trotzdem weit durch die Luft reisen. Dabei haben sie einen Trick entwickelt, um sich vor ultravioletter Strahlung zu schützen.
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Mit dem Wind können Mikroorganismen, die an winzigen Partikeln haften, bis zu 2000 Kilometer weit getragen werden. Das ergaben Messungen bei Flügen in über Japan und auf dem Boden sowie anschließende Analysen für eine Studie . Zu den Mikroorganismen gehören Bakterien und Pilze, von denen viele auch als Krankheitserreger bei Menschen, Tieren und Pflanzen bekannt sind.
Die Mikroben könnten auch Gene für Resistenzen gegenüber Antibiotika enthalten und so Antibiotikaresistenzen schnell weit verbreiten, heißt es in der Studie weiter. Die Analyse einer Gruppe um Xavier Rodó vom Barcelona Institute for Global Health (ISGlobal) im spanischen Barcelona ist im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences“ (“PNAS“) erschienen.
„Reise in intensiven Windtunneln“
„Unsere Studie ist insofern einzigartig, als wir zehn Troposphärenflüge durchgeführt haben, um die mikrobielle Vielfalt in großen Höhen zu untersuchen, während die meisten Studien nur wenige Meter über dem Boden oder dem Ozean durchgeführt wurden“, erklärt Rodó.
Die Fachleute führten die Flüge bereits im Februar und April 2014 in einer Höhe von einem bis drei Kilometer durch. Sie wählten dafür Zeiten aus, zu denen ein Hochdruckgebiet über Sibirien Luft aus dem Nordosten Chinas aufsteigen und ein Tief über Japan diese Luft Tausende Kilometer entfernt wieder in Richtung Erdboden sinken ließ. Rodó erklärte, die Mikroben reisten dabei in intensiven Windtunneln in der Troposphäre.
Großer Teil riskant für menschliche Gesundheit
Das Forscherteam fand zum einen Bakterien aus 305 verschiedenen Gattungen sowie Mikropilze aus 266 Gattungen. Zum anderen analysierten sie die chemische Zusammensetzung der Aerosole, an denen die Mikroorganismen gebunden waren. Substanzen wie Zinksulfat und Kalium, die in Düngemitteln verwendet werden, deuten auf eine Herkunft der winzigen Partikel aus der Landwirtschaft hin, die im Nordosten Chinas intensiv betrieben wird.
Etwa 35 Prozent der Bakterienarten und 39 Prozent der Pilzarten, die die Forscher an den Aerosolen aus der hohen Atmosphäre nachgewiesen haben, können ein Risiko für die menschliche Gesundheit darstellen.
Die meisten von ihnen sind opportunistische Krankheitserreger: Sie sind für Menschen mit einem gesunden Immunsystem ungefährlich, können aber Krankheiten in immungeschwächten Menschen auslösen.
Das gilt beispielsweise für das Bakterium Escherichia coli, das im menschlichen Darm vorkommt. Allerdings fanden die Forscher auch zwei Stämme von Bacillus cereus, das Lebensmittelvergiftungen, Magen-Darm-Entzündungen, Gehirnentzündungen und mehr auslösen kann.
Im Fall von Bacillus cereus konnten die Forscher durch Laborversuche bestätigen, dass die Stämme hochresistent gegen die Antibiotika Penicillin, Ampicillin und Ceftriaxon sind. Auch bei anderen Bakterienarten und -stämmen fanden sie Gene, die sie widerstandsfähig gegen verschiedene Antibiotika machten. Darunter war auch ein Stamm von Micrococcus luteus, der resistent gegen mehrere Antibiotika war.
„Unsere Ergebnisse legen nahe, dass sich antimikrobielle Resistenzen über diesen bisher unbekannten Weg über weite Entfernungen ausbreiten könnten“, betont Sofya Pozdniakova vom ISGlobal, Co-Erstautorin der Studie.
Zwar gab es bisher einzelne Studien, die den Transport von Mikroorganismen über weite Strecken in der Atmosphäre nachgewiesen haben. Doch im Allgemeinen gingen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler davon aus, dass die Bakterien und Pilze die hohe Dosis kosmischer Strahlung in der Höhe nicht überleben würden.
Seit einigen Jahren bestand die Vermutung, dass Biofilme, die die Mikroorganismen durch extrazelluläre polymere Substanzen erzeugen, sie insbesondere vor der Ultraviolettstrahlung der Sonne und vor dem Austrocknen schützen könnten. Die aktuelle Studie bestätigt nun diese Fähigkeit der Mikroorganismen, mit Hilfe eines Biofilms mit den harschen Bedingungen in der höheren Atmosphäre klarzukommen.
„Obwohl unsere Studie nicht unbedingt einen Kausalzusammenhang zwischen dem Vorhandensein bekannter menschlicher Krankheitserreger in Bioaerosolen und gesundheitlichen Auswirkungen beweist, ebnet sie doch den Weg für weitere Forschungen in dieser Richtung“, schreibt das Forscherteam.