In der Filmbranche wurde lange geschwiegen
Die zwölf anderen Geschichten ähneln sich. Allen Aussagen zufolge herrschte in den Filmstudios eine regelrechte Omertà, ein Gesetz des Schweigens, wenn Depardieu den Schauspielerinnen Obszönitäten zurief, wenn er der Visagistin oder der Kellnerin im Bistro in den Schritt fasste oder brünstige Tierlaute von sich gab. Das erzählte der Schweizer Filmemacher Jacob Berger, der mit Depardieu 2001 den Film „Liebe deinen Vater“ drehte. Auch die Schauspielerin Anouk Grinberg berichtete von einem „ohrenbetäubenden Schweigen“, wenn Depardieu beim Drehen Frauen erniedrigte. Alle hätten gelacht. „Ich hatte damals keine andere Wahl, als mit der Meute zu lachen, um dem König zu gefallen.“ Andere Filmpartnerinnen Depardieus äußern sich zurückhaltender. Sandrine Bonnaire hat „nie eine schockierende Szene mit Depardieu erlebt“. Catherine Deneuve, Carole Bouquet oder Fanny Ardant schweigen heute auffällig, nachdem sie Depardieu lange verteidigt hatten.
Der Beschuldigte beteuerte Anfang Oktober, er sei „kein Vergewaltiger oder Raubtier“: „Falls ich andere verletzt oder schockiert habe, entschuldige ich mich, dass ich mich wie ein Kind benommen habe, das die Galerie belustigen will.“
Depardieu hat seit 2021 keinen Film mehr gedreht, zuerst wegen Covid, dann wegen der aufkommenden Vorwürfe. Bekannte berichten, der Bulimiker lese nur noch Peter Handke und Thomas Bernhard. Im Oktober hat Depardieu über seinen Agenten verlauten lassen, er verfolge „keine Projekte“ mehr. Ist das endgültig? In seiner Autobiografie von 2014 hatte der Inhaber eines französischen, russischen und emiratischen Passes geschrieben, er habe gelernt, sich etwas Neuem zuzuwenden, wenn es im Leben eng werde. Er brauche eben Platz: „Am liebsten wäre mir die erhabene Schönheit, die Verlorenheit der Hochebenen in Kasachstan.“