Friedlich statt mit Waffen
Nach den Gewalttaten Anfang der 1970er-Jahre, die Brückner verurteilte, habe er sich von seinem Vetter ferngehalten. Mit Terror wollte er nichts zu tun haben. „Ich hatte keine Ahnung, wo Rolf damals war und was er machte“, erinnert sich Brückner. Wie es zu dieser Entwicklung in den Terrorismus kam, ist ihm heute noch unklar. „Durch Gewalt wird alles noch viel schlimmer, der Traum von einer Revolution mit Waffen war völliger Krampf“, blickt er zurück. Er sei schockiert gewesen, als Heißler zwei niederländische Zollbeamte erschossen hatte. Topterrorist Heißler wurde ab 1977 bundesweit auf Steckbriefen gesucht. Die Polizei stand mit Maschinenpistolen an den Ausfallstraßen bei der Suche nach den Gewalttätern. Auch rund um Bayreuth gab es scharfe Kontrollen. Verdächtig waren vor allem Autos mit einem auswärtigen Kennzeichen. Die Polizei prüfte routinemäßig die Kontakte Heißlers von früher. Bayreuth, seine Geburtsstadt, geriet so ins Visier der Fahnder. Brückner studierte in Nürnberg Lehramt, wohnte dann Anfang der 1970er-Jahre wieder in seiner Heimatstadt. Der Staatsschutz der Polizei besuchte ihn immer wieder, fragte, ob er etwas von Heißler gesehen oder gehört habe. „Es war doch völlig absurd zu glauben, Heißler verstecke sich bei mir“, kommentiert Brückner die Geschehnisse vor mehr als 40 Jahren. Die regelmäßigen Besuche und Nachfragen des Staatsschutzes hätten die Familie sehr belastet. Offenbar hatten die Beamten auch seine Post gefilzt, die Sendungen seien unregelmäßig und „schwallweise“ bei ihm eingetroffen.
Heißler zu Besuch in Bayreuth
Den ersten Kontakt zu Heißler nach dessen Haftentlassung hatte Brückner irgendwann nach 2001. Er selbst habe keinen Kontakt gesucht, berichtet Brückner. Sein Vetter sei zwei bis dreimal in Bayreuth zu Besuch gewesen. „Die Gespräche waren hochpolitisch, doch das Thema RAF war tabu“, erinnert er sich. Es ging um die Apartheidspolitik in Südafrika oder die weltweite Ausbeutung der Dritten Welt. Die Kontakte seien schließlich 2007 abgebrochen, als in einer Ausstellung in Frankfurt Gegenstände Heißlers aus der Haftzeit präsentiert wurden. Heißler sagte damals im Rahmen der Ausstellung, er bereue nichts und stehe zu dem, was er mehrfach den „bewaffneten Kampf“ nannte. Für Brückner zeigt sich das Bild eines „absoluten Hardliners“. Daraufhin gab es keine Gespräche und Besuche mehr. Brückner wollte mit seinem Vetter nichts mehr zu tun haben, bis heute. Im Rückblick sagt Brückner, der Werdegang von jungen Menschen in den Terrorismus sei schlimm gewesen. Sie hätten Verbrechen begangen und sich alle Möglichkeiten in ihrem Leben verbaut. Mit Gewalt sollte der vermeintlich faschistische Staat Bundesrepublik in die Knie gezwungen werden, doch hätten die Terroristen das Gegenteil erreicht: mehr Polizei, mehr Überwachung, ein massiver Ausbau des Sicherheitsapparats. Heißler soll heute in Frankfurt leben und Hartz-IV-Leistungen beziehen. Brückner weiß darüber nichts.
Ein Polizeibeamter erinnert sich
Ein inzwischen pensionierter Polizeibeamter, der ab 1973 in Bayreuth Dienst tat, erinnert sich noch gut an die Fahndung nach den steckbrieflich gesuchten RAF-Terroristen in der Region. Auf der Autobahn 9 sei damals verstärkt der Reiseverkehr beobachtet worden, berichtet der Ex-Beamte, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will. Die Kontrolle von Fahrzeuginsassen im Rahmen der Terroristenfahndung sei sehr gefährlich gewesen, „man konnte sich nicht vorstellen, dass jemand sofort schießt.“ Die Polizisten hätten Anfang der 1970er-Jahre gar nicht die entsprechende Schutzausrüstung gehabt. „Auch die Erfahrung und die Übung hat uns gefehlt“, erinnert sich der Mann, der damals Anfang 20 war. Mit Terroristen war er während seines Dienstes nie konfrontiert. Darüber ist er bis heute heilfroh.