Frankfurter Buchmesse Nobelpreisträgerin mahnt vor Hang zur Selbstzensur

Olga Tokarczuk (l-r), Trägerin des Literatur-Nobelpreises 2019, Juergen Boos, Direktor der Frankfurter Buchmesse, und Heinrich Riethmüller, Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, stehen auf der PK zusammen. Die diesjährigen Frankfurter Buchmesse (16.-20.10) wird unter Anwesenheit der norwegischen Kronprinzessin eröffnet. Norwegen ist zugleich auch das Gastland der internationalen Bücherschau. Foto: Andreas Arnold/dpa Foto: red

FRANKFURT. Eigentlich gibt es Grund zum Feiern: Die einst krisengeplagte Buchbranche verzeichnet positive Marktzahlen. Doch drängende gesellschaftspolitische Probleme bereiten Grund zur Sorge - das meint nicht nur eine frischernannte Nobelpreisträgerin.

 
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Zum Auftakt der Frankfurter Buchmesse blickt die Branche auf positive Marktzahlen, sieht sich aber zugleich in einer gesellschaftlichen Verantwortung. „Verlagen und Buchhandlungen gelingt es, sich in der wachsenden Medienkonkurrenz zu behaupten“, sagte der Vorsteher des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, Heinrich Riethmüller, am Dienstag. Für die ersten neun Monate 2019 verzeichnete der Buchmarkt ein Umsatzplus von 2,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. 2018 hatte es noch ein Minus von 1,1 Prozent für die ersten drei Quartale gegeben.

Die Messehallen für die weltgrößte Bücherschau öffnen sich am Mittwoch. Bis Sonntag werden rund 7450 Aussteller aus 104 Ländern erwartet. Gastland in diesem Jahr ist Norwegen.

Besonders erfolgreich war in diesem Jahr das Sachbuch (plus 9,6 Prozent). „Viele Menschen suchen nach Orientierung und verlässlicher Information, um die gesellschaftlichen Entwicklungen besser verstehen zu können“, sagte Riethmüller.

In den heutigen Zeiten ist sich die Branche aber auch ihres wichtigen gesellschaftlichen Auftrags bewusst. So gelte es, Debatten zu den drängenden Fragen unserer Zeit anzustoßen und mitzugestalten - ob zu Themen wie Globalisierung und Digitalisierung, Klimaschutz, Migration oder zur Entwicklung unserer Demokratien, hieß es.

Buchmessendirektor Juergen Boos erinnerte daran, dass das Verlagswesen für eine Vielfalt von Perspektiven und Meinungen stehe, die geschützt werden müsse. „Wir brauchen Autoren, die Missstände aufdecken und dafür hohe Risiken in Kauf nehmen“, sagte er. Mit Sorge blickt die Buchbranche auf Autoren, die in ihrem Land Repressalien fürchten müssen. Die Freiheit des Wortes sei „nicht verhandelbar“, betonte Riethmüller.

Zum Auftakt der Buchmesse war auch die frischernannte Literaturnobelpreisträgerin Olga Tokarczuk nach Frankfurt gekommen. Sie sei „nicht besonders glücklich“ über den Sieg der Nationalkonservativen bei der Parlamentswahl in Polen am Sonntag. Eine zweite Legislaturperiode mit absoluter Mehrheit für die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) sehe sie als bedrohlich für Theater und Museen, die häufig in staatlicher Hand seien.

Eine Zensur für Schriftsteller gebe es nicht in Polen, erklärte die 57-Jährige, die am vergangenen Donnerstag den nachgeholten Literaturnobelpreis für 2018 zugesprochen bekam. Allerdings beobachte sie einen Hang zur Selbstzensur bei einigen ihrer Kollegen, die mit schwierigen Themen nicht anecken wollten. „Ich hoffe, dass das nicht weiter fortschreitet.“

Am frühen Dienstagnachmittag waren die Ehrengäste aus Norwegen angekommen. Sie reisten mit einem „Literaturzug“ an. An Bord: Kronprinzessin Mette-Marit, Kronprinz Haakon und zahlreiche bekannte Autoren wie Maja Lunde („Die Geschichte der Bienen“) und Jostein Gaarder („Sofies Welt“). Auf der Eröffnungsfeier am Abend sollten neben Norwegens Ministerpräsidentin Erna Solberg auch die Autoren Karl-Ove Knausgård und Erika Fatland als literarische Redner auftreten.

Ein Schwerpunktthema der Messe ist die Erweiterung des Erzählens. Bewegte Bilder bekommen mehr Raum, virtuelle Realität und künstliche Intelligenz werden erstmals breiter behandelt. Ein weiterer Trend sind Audio-Produkte. Erstmals hat die Messe für Hörbücher oder Podcasts einen eigenen Bereich geschaffen.

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