Fest steht: Für Boeing war das Abschiedsfest, zu dem in Everett zahlreiche Mitarbeiter und Geschäftspartner erschienen, eine willkommene Abwechslung. Der US-Luft- und Raumfahrtriese steckt tief in der Krise. Boeings zurzeit gefragtestes Flugzeugmodell, die 737 Max, war nach zwei verheerenden Abstürzen wegen technischer Mängel rund anderthalb Jahre lang mit Startverboten belegt. Das Debakel um den Mittelstreckenjet und Probleme mit anderen Modellen wie dem "Dreamliner" brockten Boeing vier Jahresverluste in Folge ein und sorgten dafür, dass der US-Flugzeugbauer die Marktführerschaft verlor und vom Erzrivalen Airbus inzwischen fast abgehängt wurde.
Dass Boeing das 747-Herkulesprojekt in den 1960er Jahren überhaupt in Angriff nahm, war einem Handschlag-Deal zwischen dem damaligen Unternehmenschef William Allen und seinem PanAm-Pendant Juan Trippe zu verdanken. "Wenn Sie es kaufen, dann baue ich es", soll Allen der Legende nach zu Trippe gesagt haben. Eigentlich hatte Boeing sich mit dem Jumbo für einen Auftrag des US-Militärs beworben - wurde jedoch vom Rivalen Lockheed ausgestochen. Das besondere Design mit dem Cockpit im Obergeschoss, das der 747 ihren Kultcharakter verlieh, war auch der Fehlannahme geschuldet, dass kleinere Überschallflugzeuge wie die Concorde die Passagierluftfahrt prägen würden. Die 747 war deshalb so konzipiert, dass sie auch als Frachtmaschine funktioniert.
Air Force One ist Boeings Prestigeprojekt
In den folgenden fünf Jahrzehnten diente Boeings Jumbo nicht nur als Passagier- und Frachtjet - eine Spezialversion transportierte die Space Shuttle für die NASA, eine weitere ist die im Auftrag des Pentagons entwickelte Air Force One. Diese fliegende Hightech-Festung für US-Präsidenten ist für Boeing ein wichtiges Prestige-Projekt, sorgte in den vergangenen Jahren aber für viel Ärger. Boeing hatte 2018 unter Ex-Chef Dennis Muilenburg mit dem damaligen Präsidenten Donald Trump den Bau der neuen Air Force One vereinbart, doch die Kosten liefen aus dem Ruder. Im April 2022 räumte Muilenburgs Nachfolger Dave Calhoun ein, dass der Deal zu milliardenschweren Belastungen führte und Boeing ihn "wahrscheinlich" nicht hätte eingehen sollen.
Boeing-Manager Kim Smith bezeichnete die letzte Auslieferung des legendären Jumbos im Gespräch mit dem US-Sender CNBC in Everett als "sehr surreal". "Zum ersten Mal seit mehr als über 50 Jahren werden wir keine 747 mehr in dieser Fabrik haben." Mit dem Produktionsende wird der Flugzeugtyp nicht vom Himmel verschwinden, doch auch dort wird die 747 seltener. Die US-Airlines United und Delta nahmen sie schon vor Jahren aus ihren Flotten. Nachdem die Corona-Pandemie 2020 den internationalen Flugverkehr lahmlegte, taten dies auch Qantas und British Airways. Ein Revival durch die Erholung von der Corona-Krise und den dadurch bedingten Flugzeugmangel - wie es der Airbus A380 erlebte - gab es bei der 747 nur bedingt im Frachtbereich.