Los geht es schon Tage vor dem Festivalstart. Der Eichenprozessionsspinner, eine Schmetterlingsraupe, befällt hunderte Bäume rund um das Festivalgelände. Die giftigen Härchen der Tiere können beim Menschen allergische Schocks und Haut-Reizungen hervorrufen. Dank der tagelangen Bekämpfung des Schädlings durch die Stadt Nürnberg, bleiben Verletzungen aber so gut wie aus. Reizungen aber gibt es dennoch, wenn auch nervlicher Natur. Denn kaum ist die Raupe vom Baum geholt, öffnet sich das Klo-Gate. Zwischen Freitagmorgen und Samstagabend fallen gleichzeitig hunderte Toiletten aus. Der Grund: eine Fehlfunktion des Unterdrucksystems der neuartigen Abflusseinrichtung der Aborte. Fällt nur eines dieser Systeme aus, sind gleich ganze Toiletten-Reihen unbrauchbar.
 
Und genauso kommt es. Das Resultat bei 72 500 Besuchern pro Tag sind Schlangen von bis zu 100 Metern Länge vor den funktionierenden WCs. „Wir sind dann back the Roots gegangen“, sagt Martin Reitmeier, Sicherheits-Chef der Konzertagentur Argo, am Sonntag auf der abschließenden Pressekonferenz. Und weiter: „Wir haben rund 250 altbewährte Dixi-Klos aus ganz Bayern über Nacht hergeschafft, sodass sich die Situation deutlich entspannt hat.“ Tatsächlich werden die Warteschlangen am Sonntag kürzer.
 
Musikalisch gibt es ebenfalls das eine oder andere Geduldsspiel für die Parkrocker zu ertragen. Der Auftritt der Rapper RAF Camora und Bonez MC ist so eines. Die Möchtegern-Gangster aus dem Umfeld der Hamburger Band 187 Straßenbande schlagen mit ihren Disstracks nicht nur verbal über die Stränge. Auch inhaltlich grenzen die Texte ans Debile, kommen aber an. „Mein Handy macht brr, brr“, ist nicht etwa ein Cover der Teletubbies, sondern von zwei kriminellen Ex-Knackies, die sich damit brüsten, mit ihrer Musik schon „zwei Eigentumswohnungen und fünf Märcedäs“ verdient zu haben – man möchte sie ihnen gerne wieder wegnehmen. Doch das geht nicht, denn der Generation Smartphone gefällt’s. Höhepunkt des Hip-Hop-Samstags hingegen ist das Set von Casper und Marteria. Die beiden Rapper versammeln in ihrer aufwendigen Bühnenshow viele ihrer Hits von „OMG“ bis „So perfekt“. Nach der Hälfte des Konzerts stehen die beiden überraschend auf der Ladefläche eines Monstertrucks mitten in der Menge und skandieren das Credo der Show: „Alle Hände hoch!“
 
Bereits am Freitag sorgen Die Antwoord aus Süd-Afrika für Begeisterung. Ihr Rap-Rave bewegt furios die Massen. Mit elektronischen Hochgeschwindigkeits-Beats und krawallig-synthetischen Dub-step-Fragmenten verwandeln Yolandi Visser und ihr Kollege Ninja den Platz vor der Park-Stage in ein Schlachtfeld – Eskalation total.
 
Der Auftritt von Slipknot als Headliner am Samstagabend ist ein weiterer Hingucker. Mit ihren Gruselmasken schocken die Amerikaner zwar nur noch wenige, dennoch springt der Funke zum Publikum über und Sätze wie „guten Abend Deuschländ“ von Frontmann Corey Taylor werden artig beklatscht.
 
Überraschungssieger des Festivals aber bleibt die Alternastage in der großen Halle. Während Tenacious D. auf der großen Bühne draußen eher mit der Prominenz von Schauspieler Jack Black beeindrucken, als mit neuen musikalischen Einfällen, gelingen den Bands in der Arena vor allem am Sonntagabend mitreißende Metal-Shows. Die Band Beartooth sorgt für Einlass-Stopps und verwandelt die Arena in einen Hexenkessel: Innerhalb kurzer Zeit schmeckt die Luft nach Schweiß, die Hitze der Flammenwerfer ist zu spüren. Der mitreißende Sound von Beartooth treibt beim Crowdsurfing zahllose Fans in Wellenbewegung über tausende Hände des Publikums von hinten in Richtung Bühne. Die Massen an Crowdsurfern können die Securities am Bühnenrand fast nicht bewältigen.
 
Beinahe im Sekundentakt müssen sie nach vorne transportierte Menschen in Empfang nehmen und wieder auf die Füße stellen – und die Brandung ebbt nicht ab. Ganz und gar ist das Publikum in den Auftritt eingesogen und die Halle bebt im wuchtigen Hardcore-Takt. Zeitweise entstehen bis zu drei Moshpits gleichzeitig, in denen sich die Fans die Seele aus dem Leib zu tanzen scheinen und der Wahnsinn geht noch weiter: Wenig später feiert die Gruppe Behemoth in der Halle eine schwarze Messe. Mit ihrem Blackended Metal, also dem noch schwärzeren Black Metal, sorgt die polnische Band für ein Klang-Inferno. Ein Konzert wie ein Gewitter – oder wie fünf Motorsägen, die jemand gleichzeitig angeschmissen hat, rollen die Gitarrenriffs durch die Halle.
 

Info: 2020 wird „Rock im Park“ 25 Jahre alt. Noch stehen zwar keine Bands für das Jubiläum fest, Termin ist jedoch vom 5. bis 7. Juni. Der Kartenvorverkauf beginnt am heutigen Dienstag.