Viel Rückblick - bis sich der Himmel öffnet
Schon früh füllt sich die Halle, am Ende werden es mehr als 13.000 Menschen sein. Ein großer Teil der Zuschauerschaft ist geschätzt zwischen 30 und 50 - Menschen, die mit einem Fernsehen groß geworden sind, in dem Raab als Super-Anarcho galt. Sie werden von den Show-Machern entsprechend versorgt: In langen Rückblick-Zusammenschnitten werden alte Raab-Shows gezeigt und der Moderator für seine Leistungen besungen. Nichts daran ist wirklich neu.
Einzig Sänger Herbert Grönemeyer sticht hervor, indem er Raab mit dem Kölschen Musiker und Komiker Hans Süper vergleicht, einer Größe des rheinischen Karnevals. Eine ebenso seltsam spezifische wie neue Lesart des Lebenswerks des einstigen Metzger-Lehrlings aus Köln-Sülz.
Ein großer Lacher ist immerhin, als ein alter "TV total"-Clip gezeigt wird, in dem ein Diskutant in der einstigen Talkshow von Hans Meiser gänzlich unverständlich vor sich hin erzählt. Die alten Reflexe funktionieren noch. Der Clip ist etliche Jahre alt, aber alle kennen ihn. In der Werbepause läuft in der Halle Raabs alter Hit "Maschen-Draht-Zaun". Die Nostalgie-Decke wird weit ausgebreitet.
Dann endlich erscheint Raab - und inszeniert sich als fast gottgleiche Gestalt. Auf einer langen Treppe, die vom Hallendach herab gelassen wird, steigt der Ex-Jesuitenschüler zu seinem Publikum - man ist geneigt zu sagen: seinen Jüngern - herab. Aus dem Himmel in die Niederungen der heutigen Fernsehlandschaft, so könnte man es deuten. Fitness-Influencerin Pamela Reif schwebt dazu als Engel an Seilen durch die Halle. Während sich Raab feiern lässt, übt Halmich Schläge und Schritte im Ring. Sie nimmt die Sache erkennbar ernst.
Wer ist der Mann?
Schließlich ist Raab frontal zu sehen, oberkörperfrei, es ist der Moment, auf den alle gewartet haben. Raab sieht überraschend durchtrainiert aus - und weißhaarig. "Meine Schwester schrieb mir schon: Sie dachte, da kommt Nino de Angelo runter", sagt ein Zuschauer.
"König Lustig" ist fit. Aber da man ihn so lange nicht gesehen hat, ist der Kontrast besonders grell. Ein Symbol, dass die Zeit einfach nicht stehen bleibt. Was dem Abend, diesem ganzen mit Inbrunst inszenierten Quatsch, plötzlich eine neue Note verleiht. Raab muss ordentlich Schläge einstecken. Aber das Publikum bejubelt ihn. Er ist das Ereignis - nicht der Kampf.
Am Ende ruft Raab - noch immer leicht angeschlagen und rotgesichtig - kurzfristig die Presse zusammen, um in den Katakomben der Halle über seine zukünftigen Pläne zu reden. Die neuen Shows, der er machen will. Er und RTL haben nämlich einen Fünf-Jahres-Vertrag geschlossen und Raab sogar ein Lied auf seinen neuen Sender gedichtet. Nachdem Raab jahrelang das ProSieben-Gesicht schlechthin war, muss man sich daran erst noch gewöhnen..
Raab ist bester Laune, scherzt, singt und erzählt. Er witzelt über all die Spekulationen, die ins Kraut geschossen sind. Was man freilich nicht erfährt ist, was er in den vergangenen Jahren so im Großen und Ganzen mit seiner Zeit gemacht hat.
In der Show sagt die "Let's Dance"-Tänzerin Ekaterina Leonova den Satz: "Vielleicht hat er auch ein Tanztalent!". Raab bei "Let's Dance"? Nach diesem Abend scheint fast nichts mehr unmöglich. Der "Raabinator" weilt wieder unter den Sterblichen.