Extremismus-Alarm Umstrittenen Redner verschoben

Bei der Montagsdemo sollte ein Arzt auftreten, der für ein extremistisches Portal schreibt. Jetzt wurde sein Auftritt „verschoben“. Die Organisatoren schweigen. Die Antifa sah Rechtsextreme und einen Mann, der offenbar den Hitlergruß zeigte. Keiner der Mitlaufenden reagierte.

 
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Davor hatten die Gegendemonstranten immer gewarnt: Extremisten-Nähe bei den Corona-Demonstranen. Foto: /Ralf Münch

Sie wollten keine Nazis, aber die Verantwortlichen der Montagsdemo haben einen Redner eingeladen, der für eine höchst bedenkliche Publikation schreibt: Dr. Gerd Reuther hat allein in diesem Jahr schon mindestens drei Artikel für den Blog Politically Incorrect (PI News) geschrieben. Den stuft der Verfassungsschutz als extremistisch ein. Am Samstagabend haben die Verantwortlichen den Auftritt des Redners ohne Angaben von Gründen „auf einen anderen Montag verschoben“. Dies wurde im Messenger-Dienst Telegram bekanntgemacht.

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Die Veranstalter distanzierten sich bei ihren Reden von extremistischen Einflüssen. Sinngemäß sagte Anmelder Martin Freudenberg: „Zu uns kann jeder kommen, egal ob geimpft oder ungeimpft. Egal, ob links oder rechts. Wir verurteilen jedoch Extremismus und Gewalt.“ Und jetzt das.

Mit Gerd Reuther wurde ein umstrittener Redner eingeladen. Reuther ist ehemaliger Facharzt für Radiologie und als Autor für seine radikale Medizinkritik bekannt. Er stammt aus Hegnabrunn bei Neuenmarkt. Seine Bücher sind Bestseller, er galt als gerngesehener Interview-Partner bei vielen Zeitungen, auch beim öffentlich-rechtlichen Fernsehen und Radio, noch im vergangenen Jahr. In seinem Buch „Der betrogene Patient“ mit dem Untertitel „Ein Arzt deckt auf, warum Ihr Leben in Gefahr ist, wenn Sie sich medizinisch behandeln lassen“ stellt er laut Wikipedia dar, „dass die Medizin häufig nicht auf das langfristige Wohlergehen der Kranken abzielt, sondern in erster Linie die Kasse der Kliniken und Praxen füllen soll“. Eine solche Haltung macht den Mediziner für Menschen, die die Corona-Impfung ablehnen, interessant. Seit etwa anderthalb Jahren ist er bei der Partei Die Basis aktiv.

Corona in Anführungszeichen

Pikant wird Reuthers Einladung nach Bayreuth aber aus einem anderen Grund: Seit 2020 hat Reuther zahlreiche Artikel im Online-Magazin Rubikon veröffentlicht. Rubikon gilt als Plattform der Berliner Verschwörungsszene, die Corona verharmlost. Der Radiologe verbreitet dort unter anderem seine Thesen zur Pandemie. Beispielsweise behauptete Reuther im November 2020, dass bei der Pandemie ohne Intensivmedizin die Übersterblichkeit ausbleiben würde und „nicht einmal der Krankenstand“ höher werde. Bei PI News schreibt er davon, dass die angebliche Mehrheit, „die einen Impfzwang befürwortet, […] eine pure Wunschvorstellung der ,Corona‘-Profiteure“ sei. Sie müsse „herbeigefragt und -geschrieben werden“.

„Medizinische Zwangsbehandlungen“

Er spricht von einem „täglich wachsenden Elefanten der ,Impf‘-Toten und -Geschädigten“. Auch davon, dass „die Impfgläubigen von Tag zu Tag wie Butter in der Sonne schrumpfen“ würden. In einem anderen Artikel sieht er „ein überfälliges Verbot für die vermeintlichen „Covid-Impfstoffe“, das die Gerichte absegnen müssten. In einem weiteren Artikel sieht er im Tragen von Masken und dem Impfen „Gesichtsverhüllungen und medizinische Zwangsbehandlungen“, was er ein Mittel nennt, um die Menschen zu beherrschen.

Er spricht von „Leibeigenschaft“. Des Weiteren unterstellt er: „Es ging nie um unsere Gesundheit, es geht um unsere Beherrschung.“ Bei allen medizinisch-methodischen oder philosophischen Zweifeln an den Maßnahmen, die er auch äußert, klingt hier sehr viel Verschwörungstheoretisches durch.

Islamfeindlich

Der Blog PI News selbst gilt als islamfeindlich und als hochumstritten. Wie aus dem jährlichen Bericht des Verfassungsschutzes von 2020 hervorgeht, standen zu Beginn lediglich einzelne Autoren des Blogs unter Beobachtung. Das änderte sich im Jahr 2021. Aus einem Bericht des „Spiegel“ geht hervor, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz den gesamten Blog beobachte und als „erwiesen extremistisch“ einstufe.

Genau der Punkt scheint also eingetreten zu sein, wovor die Gegendemonstranten gewarnt haben. René Liebermann von der Partei Die Linke, der die Gegendemo organisiert, sagt: „Wir haben es im Endeffekt eh gewusst.“ Man sehe bei den Texten, die im Internet kursieren, wie „manche von denen“ ticken. Es fange mit harmlosen Beleidigungen an und es werde derber. Unter einem Bericht zur Demo stehe auch eine klare Drohung: „Redakteure werden sehen, was sie davon haben, wenn das vorbei ist.“

Die Gegendemonstranten halten seit drei Wochen ihre Veranstaltung online ab, nach eigenen Angaben, weil es wegen der hohen Infektionszahlen verantwortungsvoller sei. Es wäre auch kurzfristig möglich, sagt Liebermann, eine Demonstration am Montag anzumelden. Aber eigentlich müsste eine bürgerliche Fraktion vor Ort sein, oder? „Ganz genau.“ Aber Liebermann fürchtet, dass seine Parteizugehörigkeit manche abschrecke. Die Vorwürfe, er habe kein Verständnis für Menschen, die sich nicht impfen lassen wollen, stimmten nicht. Auch im eigenen Familienkreis gebe es jemanden, der Angst vor Impfung habe. „Ich habe mich damit auseinandergesetzt und diskutiert – ich bin selbst betroffen.“

Die Organisatoren schweigen

Die Organisatoren der Montagsdemo in Bayreuth äußerten sich nicht zu den Fragen des Kuriers wegen der umstrittenen Einladung. Auch nicht dazu, ob den Verantwortlichen der Montagsdemo die Tatsachen bewusst waren, als sie Reuther eingeladen haben, einen Publizisten, der keinerlei Berührungsängste mit Extremisten und deren Publikationen hat. Keine Antwort. Gefragt hat der Kurier auch, ob Reuther nicht wieder ausgeladen werde, zumal bei den Veranstaltungen in Bayreuth stets darauf hingewiesen wurde, dort auch keinen Extremismus zu dulden. Keine Antwort.

Auch auf diese Frage gab es keine Antwort: Befürchten Sie, dass nach dieser Einladung ein Schatten auf die bisher friedliche und nach meiner Erkenntnis extremismus- und extremistenfreie Veranstaltung fällt, zumal auch Kinder und Familien dort sind?

Nach Informationen des Kuriers habe man bei den Organisatoren nichts von Reuthers Nähe zu PI News gewusst. Manche aber gehen davon aus, dass der Arzt medial „mundtot“ gemacht werden solle. Was schwer erscheint angesichts der Tatsache, dass er im Internet auf vielen Kanälen zu lesen und zu hören ist.

Antifa sichtete extremistisch verdächtige Personen

Die Antifa Bayreuth stellt dem Kurier eine Zusammenfassung ihrer Beobachtungen der vergangenen Demos zur Verfügung. „Sehr schnell kam der Verdacht auf, dass es sich bei den Corona-Demonstranten um eine gefährliche Mischung handelt. Neben normalen Bürgern partizipierten auch Esoterikern und Rechtsextreme an den Anti-Coronaprotesten“, heißt es darin. „Eine Abgrenzung zu Verschwörungstheorien und rechtsextremen Inhalten fand von Seiten der Organisatoren nie statt. Sie sind stattdessen elementarer Bestandteil der Bayreuther Querdenkergruppen auf Telegram. Eine ernsthafte Abgrenzung war daher nie gewollt und gewünscht, wie sich auch jetzt mit der Einladung von Herrn Reuther bestätigt hat.“ Dazu stellte die Antifa dem Kurier mehrere Fotos von vermeintlich Rechtsextremen zur Verfügung. Eine Person darauf zeigt offensichtlich den Hitler-Gruß in Richtung der Gegendemonstranten. Alle Fotos stammen von der „familienfreundlichen Demo“ in Bayreuth am 5. Februar.