Zudem fiel den Forschern auf: Trug die Schauspielerin mit Wurzeln im Ausland offenes Haar, gewöhnlich in Deutschland getragene Kleidung und ein Kreuz oder kein religiöses Symbol, so wurde ihr im Durchschnitt in etwa dieselbe Hilfsbereitschaft zuteil wie der deutschen Schauspielerin.
Religion spiele beim Umgang mit Zuwanderern wohl eine größere Rolle als ethnische Zugehörigkeit, schlussfolgern die Forscher. "Wir fanden keinen Hinweis auf ethnische Diskriminierung per se", schreiben sie in der Studie mit Blick auf ihr eigenes Experiment. Allerdings fragte das Team um Sambanis die Passanten nicht, ob sie der Frau mit Hidschab tatsächlich wegen ihrer sichtbaren Zugehörigkeit zum Islam seltener geholfen hatten. Oder ob andere Faktoren eine Rolle spielten, etwa dass ihr aufgrund ihres Kopftuchs ein mangelnder Integrationswille unterstellt wurde.
"Es gibt immer bestimmte Symbole, die Fremdheit signalisieren", sagt der Sozialpsychologe Ulrich Wagner von der Universität in Marburg, der nicht an der Untersuchung beteiligt war. "Und ich würde zustimmen, dass dies im Moment in Deutschland tatsächlich offen erkennbare muslimische Zugehörigkeit ist."
Der Einschätzung Wagners nach kommt es immer wieder und in sehr vielen Gesellschaften zu Ausgrenzungen von Menschen, die bestimmten Gruppen angehören. Welche Gruppe gerade ausgegrenzt werde, hänge von politischen und zeithistorischen Umständen ab.
Die Forscher wählten der Uni von Pennsylvania zufolge Deutschland unter anderem wegen der vielen Einwanderer und Flüchtlinge als Experimentierfeld aus. Aber auch weil viele Deutsche nach Ansicht der US-Forscher zu gemeinsamen sozialen Normen neigten, insbesondere der Ordnungsliebe.
Die Experimente wurden in rund 30 Bahnhöfen in den Bundesländern Nordrhein-Westfalen, Sachsen und Brandenburg durchgeführt. Dabei wurden über einen Zeitraum von drei Wochen im Juli und August 2018 insgesamt 1614 Interaktionen beobachtet. 7142 Umstehende waren daran unwissentlich beteiligt.