Doch sein Enthusiasmus sowie seine Fähigkeit, die musikalische Energie der Musiker zu fokussieren, überzeugte viele Zweifler. Der preisgekrönte Film «Rhythm Is It» dokumentierte sein Bestreben, sozial benachteiligte Berliner Kinder und Jugendliche aus 25 Nationen mit klassischer Musik vertraut zu machen.
Doch 2013 gab Simon Rattle bekannt, dass er 2018, mit knapp 64 Jahren, die Berliner Philharmoniker verlassen werde. «Als Junge aus Liverpool ist es unmöglich, nicht an die Frage der Beatles zu denken: "Will you still need me when I'm 64?'», zitierte er den Beatles-Song «When I'm Sixty Four». Er verabschiedete sich mit einer emotionalen Aufführung von Gustav Mahlers schicksalhafter Sechster Sinfonie und erhielt Ovationen. Seitdem leitet er die Londoner Symphoniker.
Das Gefühl, nach Großbritannien heimzukommen, sei natürlich wichtig, sagte er dem «Guardian». Doch vor allem die Neugier und der Enthusiasmus des Orchesters hatten es ihm angetan, «ihre rhythmische Präzision und Flexibilität und Energie sind unglaublich.» Der Wahl-Berliner verbringt mehrere Monate im Jahr in London - seine Familie lebt weiterhin in Berlin.
Auch in London setzt er sich dafür ein, dem Symphonieorchester eine eigene Konzerthalle zu verschaffen. Seit den 80er Jahren ist es im brutalistischen Barbican-Kulturzentrum zu Hause. Doch wie immer gehen Rattles Pläne weit über eine neue Halle hinaus: Er wolle «einen Ort schaffen, der ein Magnet für Menschen aller Altersgruppen ist, um über Musik zu lernen und von diesem hoffentlich unheilbaren Virus infiziert zu werden.»