Zu den Stars einer jüngeren Generation zählt Simon Stranger, der für seinen jüngsten Roman ebenfalls ein historisches Thema mit persönlichem Bezug wählte. Seine Schwiegermutter stamme aus einer jüdischen Familie, erzählt er. Sie sei in einem Haus aufgewachsen, in dem wenige Jahre zuvor ein Doppelagent im Auftrag der Nazis gefoltert und gemordet habe. "Vergesst unsere Namen nicht" erzählt zwei Geschichten in einer, die des "meistgehassten Menschen Norwegens" und die der jüdischen Familie, die ausgerechnet in dieses Haus zog.
Der Eindruck, norwegische Autoren schöpften nur aus der Historie, ist dennoch falsch. Neben Krimiautoren wie Jo Nesbø gibt es auch viel Heutiges zu entdecken. Auffällig häufig geht es dabei um Fluchten: Tomas Espedal will in "Bergeners" fort aus der Stadt, in der es immer regnet und alle nur von Knausgård reden. In "Die Einsamkeit der Seevögel" von Gøhril Gabrielsen flieht eine Wissenschaftlerin ans nördlichste Ende der Welt. In "Max, Mischa und die Tet-Offensive" von Johan Harstad flieht ein Jugendlicher aus Stavanger in die USA. In "Trost" von Ida Hegazi Høyer stürzt sich eine Reisende in drei europäischen Großstädten in sexuelle Abenteuer.
Im Herbst spülen die Verlage eine Flut norwegischer Neuerscheinungen in die deutschen Buchhandlungen. Helga Flatland bringt "Eine moderne Familie" zum Einstürzen. Lotta Elstad will in "Mittwoch also" ein Kind loswerden - klingt tragisch, ist aber witzig. Neues gibt es von Maja Lunde, die nach der "Geschichte der Bienen" nun "Die Letzten ihrer Art" herausbringt; von Erik Fosnes Hansen, der nach seinem Besteller "Choral am Ende der Reise" nun die Hotel-Saga "Ein Hummerleben" vorlegt; und von Per Petterson, der nach "Pferde stehlen" etwas resigniert über "Männer in meiner Lage" berichtet.
Zu den anspruchsvollsten Autoren Norwegens zählt Jon Fosse, der in Deutschland hauptsächlich als Dramatiker bekannt ist. Sein neuester Roman heißt "Der andere Name" und ist ein Meisterwerk. In einem hypnotischen Sprach-Sermon berichtet Fosse von zwei Versionen eines Malers, der sich am Ende selbst begegnet. Weltweit von Kritikern gefeiert wurde auch ein Roman, der nach 20 Jahren erstmals auf Deutsch erscheint: Dag Solstads "T. Singer", das Porträt eines Manns ohne Eigenschaften, aber voller Skrupel.
Jostein Gaarder lieferte mit "Sofies Welt" Anfang der 1990er Jahre den ersten norwegischen Blockbuster. Bis heute ist sein Name ein Umsatzgarant. Sein neues Buch heißt "Genau richtig" und erzählt von einem Mann, der nach einer Krebsdiagnose in einer Waldhütte um Leben und Tod ringt. Er erfülle damit ein Versprechen, das er sich selbst als Kind gegeben habe, berichtete Gaarder bei einem Treffen in Oslo. "Ich schwor mir, nie erwachsen zu werden, nie die Welt als gegeben hinzunehmen. Darum wurde ich Schriftsteller."